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2024/2025 – 3. Liga

Kaderanalyse Teil 1 – Torhüter und Innenverteidigung

Die neue Saison steht in den Startlöchern. Trotzdem wollen wir noch einmal einen Blick auf die Leistungen der Spieler in der abgelaufenen Saison werfen. Beginnen wir mit den Torhütern und der Innenverteidigung.

Eine aufwühlende Saison ist mit dem Niederrheinpokalsieg gegen den MSV Duisburg zu Ende gegangen. Auch an der Redaktion ging die wilde Achterbahnfahrt nicht spurlos vorüber. Nach dem Sieg gegen den SV Sandhausen war der Klassenerhalt kaum noch zu nehmen, aber damit waren auch die Kraftreserven für die Vor- und Nachbetrachtung der letzten Spiele aufgebraucht. Dennoch wollen wir auch einen Blick auf den Kader nehmen, der im Gegensatz zum letzten Saisonende im Kern zusammenbleiben wird.

Allein diese Erleichterung zeigt, wie sich der Blick auf die personelle Situation gewandelt hat. Vor Beginn der letzten Saison und nach der Hinrunde haben wir sehr kritisch auf den Kader geschaut, der aus unserer Sicht zu unausgewogen zusammengestellt wurde. Auch wurden manche fragwürdigen Entscheidungen bei den Verpflichtungen getroffen. Diese Kritik müssen wir teilweise relativieren.

Auch wenn der Kader durch die Verpflichtungen im Winter enorm an Qualität gewonnen hat, ist es nahezu erstaunlich zu sehen, wie einige Spieler in einer veränderten Konstellation doch ihr eigentliches Potential abrufen konnten. Die Verantwortlichen haben sicherlich im letzten Sommer Fehler gemacht, aber schon damals auch richtige Entscheidungen getroffen. Die Frage, ob mit Trainer Dabrowski und den Neuverpflichtungen im Winter auch die Wende gelungen wäre, bleibt reine Theorie.

Die Veränderungen auf vielen Ebenen waren unter dem Strich nötig, um die Mannschaft wieder in die Spur zu bringen. Am Ende steht nicht nur eine überragende Rückrunde mit 39 errungenen Punkten aus 19 Spielen auf dem Konto, sondern das Grundgerüst einer Mannschaft, die durchaus in der Lage ist, sich weiterzuentwickeln. Hier gehen das Lob und Dank an Uwe Koschinat und allen Verantwortlichen, die diese Entwicklung möglich gemacht haben!

Wir schauen dennoch wir noch einmal genau hin und betrachten eventuelle Baustellen, die in der Transferperiode im Sommer geschlossen werden könnten, und welche Möglichkeiten sich für die taktische Ausrichtung von Uwe Koschinat und das Trainerteam durch neues Personal ergeben könnten.

Das Luxusproblem mit zwei Platzhirschen – Torhüter

An Stammkeeper Jakob Golz lag es garantiert nicht, dass RWE die Hinrunde auf Platz 18 abschloss. Dennoch zeigte auch er keine herausragenden Leistungen, aber ein durchschnittlicher Golz zählt immer noch zu den besten Torhütern der Liga. In der Rückrunde konnte er wie in der Vorsaison glänzen. Im Heimspiel gegen Ingolstadt zog er der starken Offensive der Gäste den Zahn und verhinderte mit seinen Paraden den möglichen Verlust von Punkten.

Hinrunde gut, Rückrunde top – Jakob Golz

Auch in engen Spielen wie gegen Mannheim und Dresden war er in den Situationen, wo seine erstarkten Vorderleute geschlagen wurden, auf seinem Posten. Im Aufbauspiel leistete er sich keine Fehler, was allerdings auch an der Absicherung seiner Mannschaftskameraden lag, die Spielereröffnung ist aber dennoch immer noch nicht seine Stärke. Vielleicht hält dies höherklassige Teams davon ab, Golz zu verpflichten, vor allem diejenigen, die mehr wollen als den Verbleib in Liga zwei. Insgesamt war es schon eine kleine Überraschung, als der Verein eine Vertragsverlängerung von Jakob Golz präsentieren konnte.

Allerdings ließ sich der Publikumsliebling eine Hintertür offen und handelte eine Ausstiegsklausel aus, was unter diesen Umständen nach einem fairen Deal zwischen beiden Parteien klang. Das nicht hundertprozentige Bekenntnis von Jakob Golz, auch in der kommenden Saison das Tor von RWE zu hüten, veranlasste Trainer Uwe Koschinat dazu, nach dem Auswärtsspiel gegen den SV Sandhausen einen Tausch im Kasten vorzunehmen.

Golz Stellvertreter Felix Wienand konnte sich bis dato nur im Pokal gegen RW Oberhausen auszeichnen, wo er ein gutes Spiel machte. Dennoch verlängerte Felix Wienand kurz nach Golz seinen Vertrag mit dem Hinweis, der Verein hätte ihm eine „interessante Perspektive“ aufgezeigt. Für viele Fans war dies ein Husarenstück der Verantwortlichen, beide Teile des starken Torhüterduos halten zu können. Koschinat wollte Wienand dennoch neben dem Pokal auch im Ligabetrieb testen, trotz des Umstands, dass der Klassenerhalt zwar in der Theorie, aber noch nicht rechnerisch feststand.

Wohl dem, der zwei starke Torhüter hat. Felix Wienand hat’s bewiesen

Zunächst schien Koschinats Experiment völlig schief zu gehen. Wienand wirkte während des Heimspiels gegen Saarbrücken stark verunsichert und war an mindestens einem Gegentor stark in der Verlosung. Zudem schwächte die Diskussion um die Maßnahme kurzzeitig die Position von Uwe Koschinat, da manche Fans seine Entscheidung als Beschleuniger von Golz Abschied deuteten. Bei seiner Begründung gab er an, dass vorher eine transparente Kommunikation mit Jakob Golz stattgefunden hatte, in welcher der Stammkeeper Verständnis und Enttäuschung zugleich geäußert hätte.

Die Seite von Jakob Golz, in dem Fall sein Berater Felix Bastians, zeigte sich jedoch irritiert und wies die Darstellung einer transparenten Kommunikation mit seinem Schützling von sich. Der Kaderplaner Marcus Steegmann fühlte sich daraufhin berufen, die Wogen in einem kurzen Interview zu glätten. Niemand im Verein gehe laut ihm von einem Weggang von Golz aus, es gäbe keine konkreten Anfragen. Koschinats Weste wurde schnell wieder sauber, denn Wienand zahlte das Vertrauen mehr als zurück. Gegen 1860 München zeigte er eine starke Partie und leitete das 1:3 von Safi mit einem direkten Abschlag auf den schnellen Stürmer ein.

Auch gegen Osnabrück und gegen Stuttgart 2, wo es ohne ihn wahrscheinlich keinen Punktgewinn gegeben hätte, war Felix Wienand ein starker Rückhalt. Gekrönt wurde seine Leistung mit dem Gewinn des Niederrheinpokals, der auch mit Hilfe seiner Paraden errungen werden konnte. Nun hat Uwe Koschinat in der kommenden Saison zwei Torhüter, die er ohne schlaflose Nächte zwischen den Pfosten des RWE-Tores stellen könnte.

Eine Veränderung wird es trotzdem in den Reihen der Torhüter geben. Routinier Ole Springer wird zur kommenden Saison nicht mehr die Nummer drei sein und ohne einen Pflichtspieleinsatz die Hafenstraße verlassen. Dennoch wird er als vollintegrierter Spieler mit Qualitäten in der Kabine im Nachhinein gewürdigt. Dafür rückt der erst 21-jährige Malte Brüning von Eintracht Trier in den rot-weissen Kader. Die Verjüngung auf der Position des dritten Torhüters kann als weiterer Schritt gedeutet werden, dass der Verein sich auf einen möglichen Abschied eines der beiden Torhüter vorbereitet, auch wenn dies nur eine Spekulation ist.

Fazit: Wenn sich ein RWE-Fan um eine Position keine Sorgen machen muss, dann ist es die zwischen den Pfosten. Felix Wienand hat gezeigt, dass er ein würdiger Nachfolger von Jakob Golz sein kann. Wie es aber genau weitergeht, ist immer noch nicht hundertprozentig geklärt. Auch wenn etwas Ruhe um die Maßnahme von Uwe Koschinat eingetreten ist, hat der Trainer ein Luxusproblem geschaffen.

Ob sich Felix Wienand nach seinen starken Leistungen wieder mit der Nummer zwei zufriedengeben wird, darf durchaus bezweifelt werden. Hier wäre ein Leihgeschäft möglich, aber außerhalb der Dritten Liga scheint dies unwahrscheinlich und die Verantwortlichen wollen die Konkurrenz ungerne stärken. Auch ein Golz-Abgang ist noch nicht vom Tisch. Vielleicht ist aber das Problem weniger groß als es scheint, vorausgesetzt, wenn sich tatsächlich alle Akteure aktuell und auch im Vorfeld über die persönlichen Ziele und die Vorstellungen des Vereins offen ausgetauscht haben.

Von der Problem- zur Komfortzone – Die Innenverteidigung

Kaum ein Mannschaftsteil wurde zum Ende der Hinrunde so stark kritisiert wie die Innenverteidigung. Zwar war der Angriff von RWE häufig ein laues Lüftchen, was sich allerdings auch mit einem überhitzten Markt an Stoßstürmer erklären ließ. In der Vorsaison war die Innenverteidigung noch das Prunkstück des Teams, dementsprechend hoffte jeder an der Hafenstraße, mit einem starken Jakob Golz und einer gut aufgestellten Defensive wieder den Grundstein für Erfolge zu legen.

Doch die drei Innenverteidiger Tobias Kraulich, Michael Schultz und Rios Alonso waren als Gruppe in der Hinrunde häufig für die Sorgen der RWE-Verantwortlichen und den Anhängern des Vereins mit verantwortlich. Als stärkster Vertreter dieser Gruppe wurde noch Tobias Kraulich von uns bewertet. Der Ex-Dresdener zeigte ein gutes Zweikampfverhalten und bewies im Gegensatz zu seinen Mitstreitern auch ein besseres Aufbauspiel. Es war eine kleine Überraschung, dass Kraulich zum Rückrundenauftakt in Aachen nur auf der Bank Platz nahm. Das Ergebnis ist bekannt, RWE ging am Tivoli baden.

Eine sichere Bank in der Innenverteidigung – Tobias Kraulich

Trotzdem konnte auch er sich im Vergleich zur Hinrunde noch steigern. Kraulich zeigte zudem neue Qualitäten, indem er gegen Hannover und Wehen seine freie Fläche auf dem Kopf für blitzsaubere Tore nutzen konnte. Seine gute Bilanz wurde nur im Spiel gegen Viktoria Köln geschmälert, als er Geschwindigkeitsdefizite gegen den älteren El-Mala Bruder offenbarte und nach einem zweiten Aussetzer des Feldes verwiesen wurde. Ansonsten war auf Tobias Kraulich stets Verlass, sein Fitness- und Leistungszustand nach der langen Ausfallzeit in Dresden ist mit der Rückrunde endlich auf Normalniveau angelangt.

Den größten Leistungssprung machte aber Rios Alonso, dem immer wieder attestiert wird, nur mit guten Nebenleuten zu glänzen. Möglicherweise wird dieses Urteil nach dieser Rückrunde nicht mehr so schnell gefällt werden. Uwe Koschinat sprach vom besten Zweikämpfer im Team, was er auch statistisch belegen konnte. Damit überzeugte Alonso auch den dritten Trainer in seiner Zeit an der Hafenstraße, ihn als wertvollen Stammspieler aufzustellen. Es war beeindruckend, wie Rios Alonso in der Rückrunde seine Gegenspieler regelmäßig in den Zweikämpfen abkochte. Zudem unterliefen ihm kaum Fehler im Passspiel, für die er auch in der Vergangenheit zu haben war. Im Gegenteil, Rios Alonso wich in der Dreierkette nach rechts aus und tat sich z. B. im Spiel in Bielefeld als starker Flankengeber auf.

Beeindruckender Zweikämpfer in der Innenverteidigung – Rios Alonso

Der Lohn für die Arbeit war eine Vertragsverlängerung an der Hafenstraße, wobei er sich laut eines Interviews irgendwann in der zweiten Liga sieht. Wenn dies in Essen nicht der Fall sein sollte, muss er sein Anspruch als Leader einer Abwehr weiter untermauern. Seine Rückrunde war in dieser Hinsicht schon einmal ein dickes Ausrufezeichen.

Die größte Kritik musste ausgerechnet der Kapitän Michael Schultz einstecken. In den Zweikämpfen wirkte er hölzern und phlegmatisch, zudem wurde auch in der tiefen Krise der Mannschaft während der Hinrunde seine Führungsqualitäten angezweifelt. Auch in der Rückrunde lassen sich bestimmte Kritikpunkte nicht von der Hand weisen. In den direkten Laufduellen bleibt Schultz bei schlechterer Positionierung zum Ball häufig der Verlierer, was sich unter anderem im Spiel gegen Ingolstadt zeigte. Dennoch profitierte er von der personellen Neuaufstellung im defensiven Mittelfeld. Schultz musste nicht so häufig für die Zweikämpfe aus seiner Komfortzone heraustreten und kann sich auf seine Aufgabe im Abwehrzentrum konzentrieren.

In der Luft kaum zu überwinden – Michael Schultz

Hier hat er seine Stärken in der Rückrunde gezeigt, in der Luft ist „Schulle“ kaum zu überwinden. Am Ende gewann mit der nötigen Sicherheit auch Kopfduelle an der Mittellinie ohne Absicherung im Rücken. Gerade bei Standards sorgt Schultz für die nötige Sicherheit, so eine Lufthoheit konnte RWE selbst in der starken Vorsaison nicht bieten. Außerdem war es nach der Unruhe in der Mannschaft während der Hinrunde nicht selbstverständlich, dass Uwe Koschinat Schultz im Kapitänsamt ließ und ihm weiter das Vertrauen schenkte.

Auch in der Innenverteidigung ergriff Trainer Koschinat eine Veränderung, um für die nächste Saison mögliche taktische Varianten zu testen. Um eine weitere schnelle Spitze aufzubieten, setzte Koschinat gegen den VfL Osnabrück auf eine Viererkette. Auffällig war hier, dass ausgerechnet Kapitän Schultz aus der Startelf weichen musste. Auch hier glückte das Experiment, die Viererkette konnte überzeugen und wurde im letzten Auswärtsspiel gegen den VfB Stuttgart noch einmal getestet.

Kaum eine Chance erhielt hingegen die ehemalige Nachwuchshoffnung Moustafa Kourouma. Schon in der Hinrunde erhielt der Youngster trotz der Schwächen seiner Mitstreiter wenig Einsatzzeiten, mit der verbesserten Hintermannschaft sanken die Chancen auf Startelfeinsätze gegen null. Aufgrund der Sperre von Tobias Kraulich durfte er sich trotzdem im Spiel gegen Dresden beweisen. Seine fehlende Durchsetzungsfähigkeit ermöglichte Dynamo den Ausgleich, ansonsten war seine Partie solide, aber nicht herausragend. Folgerichtig entschieden sich „Musti“ und die Verantwortlichen zur Trennung.

Er wird fortan einen Schritt zurück machen und in der Regionalliga West bei RW Oberhausen sein Glück suchen. Trotz der Rivalität wünschen wir ihm viel Glück dabei, allein durch sein entscheidendes Tor im Derby in Duisburg wird er ein Platz im Herzen eines jeden RWE-Fans haben. Als direkter Nachfolger wurde der Jugendspieler Schulte-Kellinghaus in den Profikader für die kommende Saison berufen. Inwiefern seine Chancen für Einsätze stehen, bleibt aber noch abzuwarten.

Fazit: Auch mit Hilfe der Unterstützung des personellen Upgrades im defensiven Mittelfeld konnte die Innenverteidigung sich stabilisieren und stetig verbessern. Die Verteidigung ist in der Luft (Schultz, Kraulich) oder am Boden (Kraulich, Rios Alonso) kaum noch zu überwinden, passiert es trotzdem, steht noch ein starker Rückhalt im Tor. Dennoch bleiben auch hier noch offene Fragen bezüglich der Aufstellung in der kommenden Saison.

Diese Fragen werden die sportlichen Verantwortlichen mit den Neuverpflichtungen und dem präferierten Spielsystem beantworten können. Bei einer Viererkette würde ein Innenverteidiger raus rotieren, aufgrund der gezeigten Leistungen wäre dies am ehesten Schultz, der als Kapitän die Rolle kaum annehmen wird. Bleibt es bei der Dreierkette, wäre eine Verstärkung notwendig, um einen Innenverteidiger ersetzen zu können.

Der aus Münster verpflichtete defensive Mittelfeldspieler Bazzoli kann auch in der Innenverteidigung eingesetzt werden. In der Vergangenheit war Dominik Becker, der keinen neuen Vertrag mehr bekommt und mit Koschinat schon zusammengearbeitet hat, im Gespräch. Die Wahrscheinlichkeit, dass RWE noch einen Innenverteidiger verpflichtet, ist gegeben, denn nur mit dem Youngster Schulte-Kellinghaus als Backup in die neue Saison zu gehen wäre risikoreich.

Fortsetzung folgt