In den letzten Tagen gab es reichlich schlechte Presse für Rot-Weiss Essen und seinen neuen Vorstandsvorsitzenden Marc-Nicolai Pfeifer. Grund, der Verein möchte über die zukünftige Stadionpacht neu verhandeln und nicht die in einem sogenannten Letter of Intent kurz LoI bezeichnet, möglicherweise fixierten Zahlen akzeptieren. Der Stein des Anstoßes, der Ausbau des Stadions an der Hafenstraße auf eine Kapazität auf ca. 26.000 Zuschauer, die durch das Schließen der „Ecken“ entstehen könnte. Das wären 7.000 Zuschauer mehr als aktuell.
Rot-Weiss Essen fühlt sich nach Darstellung bekannter Presseorgane nicht mehr an Zusagen des im LoI genannten neuen Pachtrahmens gebunden. Dabei wird zwischen den Zeilen die Wortverwandtschaft zum im Social-Media-Bereich bekannten Laughing out loud, kurz LOL, arg strapaziert. Der Vorwurf an RWE und Pfeifer, dass man hier eine unnötige Posse rund um den Stadionausbau aufführe und sich quasi lächerlich mache. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich jedoch, dass eine derartige Schwarz-Weiß-Zeichnung nicht berechtigt ist und durch eine sauberere Recherche hätte vielschichtiger ausfallen können und müssen.
Jawattdenn.de schaut wie immer auf die Grautöne und kommt zu dem Schluss, dass in der Vergangenheit zwar nicht alle Dinge von Vereinsseite her gut gelaufen sind. Aber Essens neuer Boss Marc-Nicolai Pfeifer sehr gut daran tut, die kolportierten Zahlen so nicht zu akzeptieren und sogar die Verpflichtung hat, das nicht zu tun. Denn anderenfalls droht Rot-Weiss Essen durchaus ein Schaden.
Kommen wir zunächst zu den Aspekten, die Rot-Weiss Essen durchaus zurecht Kritik einbringen. Und das ist der Letter of Intent. Unterzeichner sind der ehemalige Boss Marcus Uhlig aber auch das immer noch aktuelle Vorstandsmitglied Alexander Rang. Der RWE-Aufsichtsrat intervenierte nicht. Die Zahlen, die schon vor Jahresfrist öffentlich diskutiert worden sind, ließen allerdings selbst Menschen wie mich, die im operativen Geschäft eines Profifußballvereins absolute Laien sind, verblüfft aufhorchen. Während RWE aktuell für das Stadion an der Hafenstraße (Kapazität 19.300) jährlich 390 K an die Betreibergesellschaft GVE zu entrichten hat, sollen es nach einem Ausbau auf eine Kapazität von 26.000 deutlich mehr sein.
Das allein ist nicht das Überraschende. Schließlich werden dann auch höhere Einnahmen erzielt. Wie drastisch die Pacht dann nach oben gehen soll, ist allerdings verblüffend zu nennen. Bereits in Liga 3 soll RWE nach dem Ausbau 900 K entrichten. Das wäre das 2,3 fache, obwohl die Kapazität nur um ca. 39% erhöht wird. Im Falle eines Zweitligaaufstiegs steigt die Pacht auf schwindelerregende 2,5 Millionen €. Sind diese Summen tatsächlich verhältnismäßig? Schon im März 2024 betonte Marcus Uhlig gegenüber Jawattdenn.de, dass man sich weiterhin in Verhandlungen mit der GVE befinde und nachbessern wolle. Schon Uhlig war somit der Meinung, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei und Zahlen nicht in Stein gemeißelt wären. Das ist bereits ein signifikanter Unterschied zu den aktuell veröffentlichten Presseberichten, die RWE quasi Wortbruch unterstellen. Etwas naiv bezüglich der Zahlen war man bei RWE damals womöglich aber doch.
Wie so häufig zu dieser Zeit versäumte der Verein es zudem, diverse Aspekte der Stadion-Causa transparenter zu machen. Somit entsteht jetzt der Eindruck, dass man sich der Politik und der GVE gegenüber falsch verhalten habe und einen Ratsbeschluss zum Stadionausbau unter Vorspielung falscher Tatsachen habe herbeiführen wollen. Dieser ist ohnehin aktuell auf Eis gelegt, weil man in der Politik über das Verhalten des Vereins verärgert sei.
Ist das berechtig? Höchstens zum Teil. Interessant ist dabei der Blick über den Tellerrand und andere Vereine und ihre Stadionmieten. Zum Beispiel der aktuelle Ligakonkurrent Alemannia Aachen:
Im April 2023 gab der Verein bekannt, dass der Tivoli in Absprache mit der Aachener Stadionbeteiligungsgesellschaft (ASB) in Tivoli Merkur umbenannt werden soll. Durch den Abschluss des Vertrags würde Alemannia Aachen durch die ASB über einen Zeitraum von drei Jahren die Stadionmiete erlassen. Der Verein sicherte sich somit über den Stadionnamen weitreichende finanzielle Zugeständnisse. RWE hingegen zahlt zusätzlich zu den geforderten Pachtbeträgen noch einmal knapp 300k im Jahr, damit das Stadion nicht Maschinensucher24 Arena heisst, wie es die GVE vorhatte. RWE finanziert den Stadionnamen bekanntlich über Crowd-Funding, dennoch sollte nicht vergessen werden, dass der Verein im Sinne seiner Fans hier zusätzlich in die Bresche springt. Auch die Kosten des Greenkeepings trägt im Übrigen RWE und nicht die GVE als Stadionbetreiber.
Interessant auch der Blick zum Zweitligisten 1.FC Kaiserslautern. Gemäß des Portals „Der Betze brennt“ zahlt der Verein aktuell 2,4 Millionen € Stadionmiete. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme des Klubs reduzierte die Stadt Kaiserslautern den Betrag von ursprünglich 3,2 Millionen €. Das „Fritz-Walter-Stadion“ bietet 49.780 Plätze und ist demnach fast doppelt so groß wie das Stadion an der Hafenstraße auch nach einem Ausbau wäre. In der Dritten Liga hätten die roten Teufel hierfür 675 K zu entrichten. Und selbst diese humanen Summen möchte der Verein mit der Stadt nachverhandeln.
Arminia Bielefeld wiederum verkaufte vor fast 7 Jahren sein bis dato vereinseigenes Stadion an eine Investmentgruppe, um mit dem Erlös den Verein zu sanieren und zu entschulden. Ligenunabhängig entrichtet der DSC jährlich 800 K an Miete festgeschrieben auf 15 Jahre. Danach gibt es ein Rückkaufsrecht für das Stadion für den Klub. Gemessen an der derzeitigen Preisschraube ist das beinahe ein Schnäppchendeal für die Arminia, den man freilich mit wohlmeinenden Unternehmen und nicht mit der chronisch klammen Stadt Bielefeld geschlossen hat. Die Schüco-Arena ist bei einer Kapazität von 25.200 sehr vergleichbar mit dem womöglich zukünftigen Stadion an der Hafenstraße.
Es gibt aber auch suboptimale Deals, die aufzeigen, dass man sehr genau hinschauen sollte, bevor man sich vertraglich fest bindet. Dynamo Dresden muss für die Nutzung des Rudolf-Harbig-Stadions (Kapazität 32.066) ordentlich in die Tasche greifen. Schon für die Dritte Liga waren es sehr stolze 3,2 Millionen €, die nun in der Zweiten Liga auf 5 Millionen € steigen. Bislang hatte die Stadt einen freiwilligen Mietzuschuss von 1,5 Millionen € für den Verein an die Betreibergesellschaft geleistet, dieser wurde nun jedoch um 1 Millionen € auf 500 K gekürzt. Ein Schlag ins Kontor des Vereins, der nun bei einer Stadionmiete von 4,5 Millionen € Wettbewerbsnachteile befürchtet andererseits diesen Kontrakt aber so unterzeichnet hatte.
Alle diese Zahlen zeigen, dass RWE unter Marc-Nicolai Pfeifer gut daran tut, lieber einmal mehr als zu wenig hinzuschauen und einen Stadionausbau um jeden Preis nicht zu akzeptieren. Womöglich war RWE hier zuvor etwas blauäugig. Pfeifer hat in der jüngeren Vergangenheit nachhaltig unter Beweis gestellt, die Wirtschaftlichkeit des Vereins durch Einsparungen deutlich verbessern zu können und hat auch das Vertrauen der Sponsoren gewonnen, die RWE nun wieder vermehrt entdeckt haben. Wenn Pfeifer mahnt, das Zahlenwerk so nicht hinnehmen zu können und überarbeiten zu müssen, dann sollte das ernst genommen und nicht undifferenziert veralbert werden.
Zusätzlich ist unerfreulich, dass der Verein Rot-Weiss Essen nicht rein der ständig populistisch beschworene Kostenfaktor, sondern auch einer der wichtigsten überregionalen Werbeträger der Stadt Essen ist, der das Image hebt und auch für nicht unerhebliche Einnahmen im Städtsäckel sorgt. Der Verein hatte dazu schon zu Uhlig-Zeiten eine Studie in Auftrag gegeben, die die positive wirtschaftliche Bedeutung des Klubs für die Stadt Essen analysiert hat. Eine größere Differenzierung in der öffentlichen Debatte wäre da angebracht. Dazu gehört freilich auch, Oberbürgermeister Thomas Kufen für sein stetiges Bemühen um den Verein und den Stadionausbau zu danken.
Dass auch bei den anderen Ratsparteien ein Bewusstsein für die Wichtigkeit des Stadionausbaus vorhanden ist, ist ebenso erfreulich. Rot-Weiss Essen äußert seine Bedenken auch vor einem endgültigen Ratsbeschluss und nicht erst, wenn Tatsachen geschaffen worden sind. Es ist richtig, dass beide Parteien, Verein und Politik im Bunde mit der GVE, im Dialog bleiben und sich letztendlich finanziell aufeinander zu bewegen. Auch Rot-Weiss Essen darf nicht zu hoch pokern. Harte Fronten helfen da nicht.
NUR DER RWE!
Sven Meyering