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Wir haben in Essen alle Chancen, gemeinsam etwas zu erreichen – Interview mit dem FFA-Vorsitzenden Jost Peter

Die Fan- und Förderabteilung von Rot-Weiss Essen hat einen neuen Vorstand gewählt. Jost Peter hat sich schon früher in der FFA und beim Bündnis Unsere Kurve engagiert und blickt auf viel Erfahrung zurück. Das ist Grund genug, um mit ihm über die drängenden Fragen rund um RWE zu sprechen.

Jawattdenn.de: Herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum neuen Vorstandsvorsitzenden der FFA. Du bringst dich seit Jahren auf verschiedene Weise für den Verein RWE und seine Fans ein. Warum hast du jetzt als FFA-Vorsitzender kandidiert?

Jost Peter: Ich bin bei der letzten Vorstandswahl vor zwei Jahren von meinem Posten zurückgetreten, weil ich fand, dass neue Gesichter der FFA guttun würden, die sich auch aufgestellt haben. Ich habe damals mein Engagement auf die bundesweite Initiative Unsere Kurve konzentriert. Diese Initiative besteht aus Abgesandten aller Vereine, die eine ähnliche Fanabteilung haben, wie Rot-Weiss Essen sie mit der FFA unterhält. Bei Unsere Kurve bin ich dann in den Vorstand gewählt worden, weil ich einer der wenigen Viertligavertreter war. Dies ist der Ausgangspunkt, warum ich in den Vorstand der FFA gewählt werden wollte, da ich den Umgang mit der Coronapandemie bei Unsere Kurve und bei Rot-Weiss Essen als sehr unterschiedlich empfunden habe.

Der Einsatz von Onlinemedien in dieser Phase ist die eine Seite. Außerdem hatten wir alle sehr viel Zeit, weil wir an den Wochenenden nicht mehr durch das Land gefahren sind, um die Spiele zu sehen. Ich habe es auf Seiten des Vereins und auch der Fans vermisst, dass wir diese Zeit nicht genutzt haben, um Fragen zu diskutieren, die uns momentan besonders unter den Nägeln brennen. Auch wenn die schlimmste Phase von Corona hoffentlich vorbei ist, möchte ich, dass wir uns sammeln und über diese wichtigen Fragen ohne Druck und Hektik ins Gespräch kommen. Nun müssen wir schauen, wer uns unterstützen kann, sodass wir diese Gespräche vorbereiten können.

Jawattdenn.de: Du sprichst allgemein von grundlegenden Fragen. Hast du Beispiele, um welche konkreten Fragen es gehen könnte?

Jost Peter: Ich muss vorwegschicken, dass ich Fragen im Kopf habe, die ich mitbringe und die nicht den gesamten Vorstand der FFA abbilden. Grundsätzlich sind wir uns aber im Vorstand einig, dass wir offener werden und dazu Online-Medien nutzen wollen. Damit spreche ich nicht nur von Artikeln auf Internetseiten, sondern beispielsweise auch von Videokonferenzen, um das Arbeiten für Leute, die nicht in Bergeborbeck wohnen, zu erleichtern. Damit habe ich im vergangenen Jahr bei Unsere Kurve supergute Erfahrungen gemacht und mache sie weiterhin.

Der zweite Punkt ist aus meiner Sicht, dass wir schon in der Vierten Liga festlegen sollten, wie der Verein und seine Fans miteinander reden. In der DFL wird dieser Aspekt mit aufgenommen und heißt dort Klub-Fan-Dialog. Hier sollten wir festlegen, wie oft wir miteinander sprechen, in welcher Zusammensetzung wir miteinander sprechen und was wir wichtig finden. Wenn wir auf den Punkt der Zusammensetzung solch eines Gremiums eingehen, müssen wir überlegen, wer dort sprechen sollte. Das ist sicher nicht nur die FFA, das sind nicht nur die Ultras und nicht nur die Westtribüne. Wir haben auf jeder Tribüne hammerechte Fans, die zum Teil seit Jahrzehnten dabei sind. Die müssen alle abgebildet werden und ich weiß noch nicht, wie wir das hinbekommen, aber das müssen wir diskutieren.

Jawattdenn.de: Dieses Problem sehe ich auch allgemein in deiner Funktion. Die FFA soll den 16-jährigen Ultra genauso abbilden wie den 50-jährigen Kuttenträger bis hin zu dem Logenbesitzer, der Allesfahrer ist. All diese Fans haben doch unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche. Wie willst du allen gleichermaßen gerecht werden?

Jost Peter: Grundsätzlich ist es erst einmal gut, dass wir vielstimmig sind, und dass es unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Interessen gibt, die angesprochen werden. Ein Haupttribünenbesucher hat beispielsweise oftmals eine ganz andere Einstellung zu Pyrotechnik als ein langjähriger Ultra. Was für den einen völlig normal ist, ist für den anderen ein Unding. All diese Meinungen gehören in diesen Dialog mit hinein.

Ich selbst bewege mich am Spieltag nicht nur in meinem Fanclub, sondern treffe insgesamt viele Menschen aus dem alten K-Block der Nordtribüne, die alle ungefähr mein Alter haben, die aber mittlerweile im ganzen Stadion verteilt sind. Ein junger Ultra ist da sicher szenegebundener. Das ältere Ehepaar auf der Rahn erlebt den Spieltag nochmal anders. Die wollen ihre Sitzplätze nebeneinander haben und freuen sich, wenn sie die bekannten Gesichter um ihren Platz herum wiedersehen. Wir gehen ja nicht zu den Spielen, weil sie immer fantastisch sind (lacht), sondern wir gehen wegen der Leute und der Kollegen dorthin.

Wie bringe ich die in solch einem Dialog unter? Das einfachste wäre, alle einzuladen und dann haben wir eine Vollversammlung. Das ist für den Verein schwierig, weil man keine kontinuierliche Arbeit hinbekommt, wenn man regelmäßig Vollversammlungen macht. Es wäre also besser, sich in einer Runde zu treffen, in der alle Fantypen vertreten sind. Hier stellt sich aber die Frage, wie man diejenigen wählen soll. Das muss man besprechen und kann es nicht einfach abhaken, weil nicht klar ist, wie wir das machen können.

Ich glaube, dass es geht und dass wir viel von anderen Vereinen lernen können, die so etwas entwickelt haben. Mit Kickers Offenbach machen wir das Freundschaftsspiel, da Marcus Uhlig dorthin im Zuge der Drittliga-Taskforce gute Kontakte entwickelt hat. Ich selbst habe nach Offenbach über Unsere Kurve durch denselben Themenbereich ebenfalls gute Kontakte entwickelt. Da könnten wir hinfahren und gucken, wie sie es in Offenbach machen. Das ist oftmals einfacher, als das Pferd am Schwanz aufzuzäumen.

Jawattdenn.de: Da du schon länger im Bereich der FFA arbeitest kannst du mir sicher auch beantworten, wie die Zusammenarbeit zwischen Dirk Kindsgrab, der Fanvertreter im Aufsichtsrat, und euch als FFA abläuft.

Jost Peter: In der Regel ist der Fanvertreter, egal ob es Ralf Schuh oder Dirk waren, immer bei den Vorstandssitzungen der FFA dabei und wir informieren uns gegenseitig. Die Informationen aus dem Aufsichtsrat sind jedoch immer wieder sehr vertraulich, sodass der Vorstand der FFA nicht mit allen Neuigkeiten an die Öffentlichkeit gehen kann. Ein Gremienvertreter ist einerseits dem Verein, andererseits den Fans verpflichtet und diese beiden Seiten muss er regelmäßig auspendeln.

Dass die FFA ganz am Anfang entstand, weil man einen Fanvertreter im Aufsichtsrat haben wollte, ist sozusagen der Geburtsfehler der FFA. Wenn wir zurückblicken, gab es nach der Pleite von RWE die Forderung, dass Vorstand und Aufsichtsrat nie mehr an den Fans und Mitgliedern vorbei Verpflichtungen eingehen dürfen, die man nicht eingehen darf. Deswegen wollten wir einen Fanvertreter im Aufsichtsrat. Genau wie bei meiner Überlegung mit dem Fandialog stellte sich danach die Frage, wer den Fanvertreter bestimmen darf. Daraus ist die FFA entstanden. Die FFA hat das Vorschlagsrecht für den Fanvertreter. Das letzte Wort haben jedoch die Mitglieder, die den Kandidaten bei der Jahreshauptversammlung auch wählen müssen. Die Entwicklung dieser Abteilung gestaltet sich bis heute schwierig, weil alles zufällig entstanden ist. Diese Zufälligkeit hängt der FFA wie ein Klotz am Bein, was man daran merkt, dass viele Mitglieder sich fragen, wozu die Abteilung da ist und wie sie sich legitimiert.

Da wir bei dieser Frage sind: Ich fände es ebenfalls gut, wenn ein Fanvertreter im Wahlausschuss oder im Ehrenrat sitzen würde. Das drängt nicht, aber auch das könnten wir in Ruhe besprechen.

Jawattdenn.de: Da du die Kritik selbst angesprochen hast, möchte ich gerne auf die Hauptvorwürfe gegenüber der FFA eingehen. Ein Kritikpunkt ist die mangelnde Transparenz der Abteilung. Wie möchtest du dieses Problem angehen?

Jost Peter: Alle bisherigen Vorstände haben sich höchstmögliche Transparenz gewünscht. Die Frage ist, was man dafür getan hat, dass es besser wird. Ich behaupte nicht, dass ich den Hasen sofort aus dem Zylinder ziehe. Aber das Problem ist, dass man bei ehrenamtlichen Gremien meistens mitmachen muss, um etwas mitzubekommen. Dadurch verliert man aber viele Menschen, die erst wissen wollen, was in der Abteilung passiert, bevor sie mitmachen wollen. Also müssen wir die Fans mit so vielen Informationen unserer Arbeit auf allen Kanälen bombardieren, sodass jeder, der sich auch nur entfernt für Fanarbeit interessiert, automatisch mitbekommt, was wir machen, ohne sich bemühen zu müssen.

Neben Facebook und Instagram haben wir die zahlreichen Blogs oder auch euch von Jawattdenn, also viele engagierte Menschen, die auch einsteigen, wenn es ein Thema gibt, was sie interessiert. Wenn die FFA genug interessante Themen hervorbringt, multipliziert es sich also von selbst. Denn wir haben genug interessierte Öffentlichkeit im Klub.

Jawattdenn.de: Ein zweiter Vorwurf geht in Richtung der Art und Weise, wie kommuniziert wird. Hier muss man aufpassen, dass man nicht unfair wird. Viele Menschen erklären Vorgänge und Entscheidungen immer wieder mit einer Engelsgeduld. Im Gedächtnis bleiben dann jedoch andere, die den Mitgliedern und Fans, die nicht so eng an der FFA sind, von oben herab begegnen, sodass der Eindruck bei manchen Fans entstanden ist, dass sich ein elitärer Zirkel herausgebildet hat.

Jost Peter: Das ist sehr schwierig, das weiß ich noch aus meiner Zeit als Beirat, der ich vor vier Jahren war. Ich kann nicht mit einer vorgefertigten Meinung zu den Entwicklungen des Vereins in die Gespräche gehen, da ich die mittlerweile über 800 FFA-Mitglieder vertreten soll. Ich kann also zum Beispiel nicht per se sagen, dass eine Ausgliederung schlecht ist, auch wenn das meine persönliche Meinung sein sollte. Ich muss viel mehr schauen, dass ich die verschiedenen Meinungen zu dem Thema in eine Diskussion bringe und diese zu veröffentlichen versuche. Das kann über Artikel sein, wir können aber auch öfter Diskussionsveranstaltungen machen. Wenn interessante Menschen in die Diskussion gehen, die etwas zu sagen haben, dann werden sich das viele Menschen anhören.

1. Vorstandssitzung des neu gewählten Vorstandes der FFA von Rot-Weiss Essen Foto: Markus Endberg

Jawattdenn.de: Selbst wenn nicht so viele Zuhörer da sind, muss das nicht schlecht sein. Die kleine Jahrehauptversammlung, bei der ja deutlich weniger Menschen dabei sind als bei der regulären JHV, bietet in meinen Augen häufig einen viel intensiveren Austausch.

Jost Peter: Es wird der FFA selten zugeschrieben, aber die kleine Jahreshauptversammlung ist eine der größten Errungenschaften der FFA. Bei der Jahreshauptversammlung ist meistens wenig Zeit zum Diskutieren. Wenn ein Thema länger als zehn Minuten besprochen wird, sind fast alle Teilnehmer genervt, wenn noch eine Wortmeldung kommt. So bleibt wenig Zeit. Vor einigen Jahren hatte die FFA und unter anderem Ralf Schuh die Idee, vor der Jahreshauptversammlung über bestimmte Fragen des Vereins mit all denen zu diskutieren, die auf diesen Austausch Lust haben und ohne die Notwendigkeit, am gleichen Abend noch eine Entscheidung fällen zu müssen. Auf jeder dieser Veranstaltungen war es bisher schöne Tradition, dass der sportliche Leiter, der Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstandsvorsitzende teilnehmen. Ich habe mich auch über die Onlineveranstaltung in der letzten Saison gefreut. Die ca. 150 Teilnehmer sind in meinen Augen ein großer Erfolg der Onlinegeschichte. Hätten wir die Veranstaltung an einem zentralen Ort gemacht, wo jeder hätte hinkommen müssen, wären keine 50 Leute dagewesen. So gab es das Angebot, dass jeder sehr einfach dazu kommen konnte. Da sieht man, wie viel mehr Menschen man erreichen kann, wenn man sie nicht irgendwo hinzitiert.

Jawattdenn.de: Hast du schon mit Marcus Uhlig seit deiner Wahl Kontakt gehabt?

Jost Peter: Ich stehe mit Marcus Uhlig durch die Arbeit bei Unsere Kurve und in der DFB Task-Force ganz gut in Kontakt. Wir tauschen uns immer wieder aus, damit wir gegenseitig wissen, wie die jeweilige Meinung ist und wir nicht unfreiwillig gegenteilige Aussagen treffen. Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, dann äußern wir diese auch. Es wäre aber  unglücklich, wenn wir eigentlich gleicher Meinung wären und uns gegenseitig in die Parade fahren würden, nur weil wir uns nicht abgesprochen haben.

Der alte Vorstand hat sich ebenfalls regelmäßig mit Marcus Uhlig ausgetauscht. So wollen wir das weiterführen. Marvin Anuschewski, der stellvertretende Vorsitzende, und ich wollen uns regelmäßig mit Marcus Uhlig treffen. Das will der Verein auch so, was super ist. Da bequatschen wir vor allen Dingen Themen des Vereinsalltags. Oft geht es nicht um Kontroversen, sondern wir sind Fans des Vereins und bei vielen Themen können wir als FFA unterstützend auftreten. Auch hier fände ich es gut, wenn nicht nur der Vorstand der FFA das Vorrecht genießt, diese Gespräche zu führen, sondern man auch diese Gespräche auf mehrere Schultern verteilt. Der FFA würde es auch guttun, wenn wir klar machen, dass wir die Fanabteilung der Mitglieder repräsentieren, aber nicht die Fans als Ganzes. Die FFA kann aber dafür Sorge tragen, dass es auch für andere Fans Möglichkeiten gibt, ihre Stimme einzubringen.

Jawattdenn.de: Bei der letzten Jahreshauptversammlung im Juni gab es sehr viele Änderungsanträge für die Vereinssatzung. Hast du dich im Vorfeld schlau machen können, welche Auswirkungen diese Anträge auf den Verein haben?

Jost Peter: Das ist in vielerlei Hinsicht unglücklich gelaufen. Bei der FFA hat der Vorstand kurz vor der Versammlung gewechselt. Der vorherige Vorsitzende Marc und vor allen Dingen Nick David haben sich sehr engagiert mit solchen Satzungsfragen beschäftigt und sind vorher aus der Arbeit ausgeschieden. Da gilt es jetzt, einen Übergang zu organisieren. Auch Dirk Kindsgrab war immer sehr gut informiert und engagiert bei Satzungsfragen. Diese Änderungen sind zunächst dem Aufsichtsrat mitgeteilt worden.

Ich hätte mir vom Verein gewünscht, dass er das auch viel früher öffentlich präsentiert hätte. Ich habe aber Verständnis, da es sich um eine schwierige Saisonphase handelte, bei der es noch um den Aufstieg ging. RWE musste agieren, damit Dortmund mit seinem seltsamen Gebaren nicht so einfach durchkam. Der Vorstand war also in der Zeit alles andere als arbeitslos. Nichtsdestotrotz wäre eine breitere Diskussion gut gewesen, denn grundsätzlich sind viele positive Änderungen dabei gewesen. Einige Dinge müssen aufgrund der Vorgaben des Verbandes so sein.

Viele Änderungen betreffen den Ehrenrat, den ich für eine ganz wichtige Schnittstelle halte. Der Ehrenrat tritt immer in Erscheinung, wenn jemand richtigen Mist gebaut hat, wenn jemand die Werte des Vereins durch sein Verhalten in den Dreck gezogen hat. Ich finde, dass der Ehrenrat viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat, weil er ein wichtiges Barometer dafür ist, was im Verein passiert. Er ist Vermittler. Wir Fans sind der Harzer im achten Jahr, der aber sein Leben lang ein Roter ist, genauso wie der Typ im BMW, der eine Loge nimmt, um seinem Herzensklub etwas Gutes zu tun. Die Satzung gilt für alle und repräsentiert die heile Welt. Wenn es innerhalb der Satzung zu Konflikten kommt, ist der Ehrenrat das richtige Gremium, um diese Welten zusammenzubringen.

Wir haben tolle Leute dort sitzen. Mir fällt immer Herr Müggenburg auf, der stets vermittelnd auftritt und auf den Hauptversammlungen versucht, die verschiedenen Seiten zusammen zu bringen. Die Satzungsänderungen betreffen nun die Aufgaben des Ehrenrates und ich fände es gut, wenn man die Diskussion, was der Ehrenrat für uns sein soll, einfach ein Jahr führen würde. Ich glaube, dass von den Tribünen gute Anmerkungen kommen würden. Deswegen fand ich es schade, dass dieser Punkt sofort zur Abstimmung kam und keiner die Gelegenheit hatte, sich näher damit zu beschäftigen. Es geht mir nicht darum, den Verein zu kritisieren, sondern ich will, dass diese Änderungen der Auftakt für eine Debatte zu dem Thema sind.

Jawattdenn.de: In der FFA gibt es mehrere Arbeitsgemeinschaften, die laut eigener Aussage das Rückgrat der Arbeit bilden. Kannst du den Mitgliedern und Fans, die der FFA nicht so nahestehen erklären, was diese Arbeitsgemeinschaft umfassen und wie sie arbeiten?

Jost Peter: Es gibt viele Arbeitsgruppen in der FFA, die nicht mehr auffallen, weil sie für uns normal sind. Beispielsweise fährt zu jedem Auswärtsspiel ein Bus der FFA. Dahinter stehen Menschen, die die Organisation vom Chartern des Busses bis hin zur Erfassung derjenigen, die mitfahren, übernehmen. Der FFA-Stand am Spieltag ist für viele wichtig. Nicht alle finden es wichtig, was wir dort anbieten, aber allein als Treffpunkt ist der Stand für viele ein Fixpunkt. Die Aufkleberkultur läuft super über die FFA, weil sich eine Arbeitsgruppe darum kümmert. Hinzu kommt das Team von Homepage und Social Media, die ich jetzt mit viel Arbeit bombardieren möchte. (lacht) Da sitzen fähige Leute, die sich mit IT auskennen.

Hinzu kommen Einzelpersonen wie Karsten Plewnia. Er ist Historiker und bemüht sich gerade darum, ein RWE-Fan-Archiv aufzubauen. Neben dem Archiv des Vereins, das Herr Schrepper aufbaut, ist das ein interessantes Projekt, das genau darauf schaut, wie sich die Fankultur entwickelt hat. Außerdem gibt es einige Initiativen rund um den Verein. Die bekannteste Initiative ist wahrscheinlich die GMS-Ini, die sich um die Gestaltung der kleinen Gruga kümmert. Abschließend sind die Ultras zu nennen, die extrem aktiv sind. Die Ultras haben in der Coronazeit das bestmögliche Bild für unseren Verein abgegeben, weil sie da soziale Aktionen gestartet haben. Hinzu kommt die Westtribüne, die ebenfalls noch existiert. All diese Strukturen sollten nun in den Mittelpunkt gerückt werden, um vor Saisonbeginn zu überlegen, was wir im kommenden Jahr erreichen wollen.

Jawattdenn.de: Die FFA bedient grob zusammengefasst zwei Seiten. Einerseits organisiert sie einen Teil der Fankultur vor Ort, wie du es ja beschrieben hast, und wozu ich auch das Sammelalbum oder Angrillen und öffentliches erstes Training zählen würde. Andererseits mischt sie sich in Fragen der Vereinspolitik im Besonderen oder Sportpolitik im Allgemeinen ein. Welches dieser beiden Aspekte hältst du für die Kernarbeit der FFA?

Jost Peter: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Durch die bundesweite Arbeit im Bereich der Sportpolitik hat dieses Thema für mich in den letzten Jahren eine sehr große Bedeutung gewonnen. Wenn ich Menschen für Fanarbeit begeistern will, komme ich nicht zuerst mit sportpolitischen Themen wie der Ablehnung von RB Leipzig, auch wenn der Satz viele Menschen begeistert. (lacht) Allerdings ist die erste Begeisterung, die die Menschen haben, die Begeisterung für Rot-Weiss Essen. Deswegen sind das Angrillen, die Saisoneröffnung, die Auswärtsfahrten und das Sammelalbum, das ich ganz großartig fand, Aktionen, mit denen ich sehr viele Menschen begeistere. Das Sammelalbum hat eine enorme Autogrammwut ausgelöst. Hier könnte die FFA zum Beispiel organisieren, dass es ein Treffen mit der Aufstiegsmannschaft aus der NRW-Liga gibt, damit alle, die das wollen, ihre Autogramme abholen können. Das wäre bestimmt lustig.

Trotzdem muss die FFA auch ein Anlaufpunkt für Menschen sein, die im Verein mitgestalten und offene Fragen diskutieren wollen. Hier muss die FFA sich darum kümmern, welche Fragen aktuell bei unserem Verein bestehen. Eine fanpolitisch wichtige Frage, ob das Münchner Stadion in Regenbogenfarben beleuchtet wird, ist für unseren Verein weniger wichtig und wir brauchen dazu keine Diskussionsveranstaltung in Essen. Es geht hier um die Fragen von Rot-Weiss Essen, weswegen ich André Helf und Marcus Uhlig auch frage, welche Themen für den Verein in den nächsten Jahren relevant sind, weil wir mitgestalten und mitmachen wollen. Wenn diese Themen auf dem Tisch liegen, glaube ich, dass man viele RWE-Fans interessieren kann.

Jawattdenn.de: Nur wir Fußballverrückten verstehen, welchen Einschnitt es bedeutet, nicht ins Stadion gehen zu können. Wenn es hoffentlich in Kürze möglich ist, Spiele zu besuchen, vielleicht sogar wieder volle Stadien zu haben, glaubst du, dass alles wie vorher sein wird, oder muss man es von außen anstoßen, dass Fankultur wieder in Fahrt kommt?

Jost Peter: Ich traue der Fankultur eine starke Wiederauferstehungskraft zu, ich glaube nicht, dass man da von außen anschieben muss. Mein erstes Spiel in Coronazeiten war das letzte Heimspiel gegen Lotte. Da bin ich mit vielen Vorbehalten hingegangen, da ich wusste, dass ich nicht das bekomme, was ich kenne, und dass ich Kumpels nicht treffen werde, weil ich einen zugewiesenen Sitzplatz hatte. Es war trotzdem geil, denn natürlich habe ich Leute getroffen und natürlich haben wir ein wenig gequatscht.

Da wir beim Spiel aber durchmischt waren und überall im Stadion verteilt waren, war die Situation sehr oldschool. Sprechchöre begannen in einer Ecke der Tribünen und die wurden lauter und alle waren dabei. Alle wollten sich bemerkbar machen. Das war cool, denn es war eine gute Gemeinschaft im Stadion. Ich bin ein Oldschool-Fan und glaube, dass alle diese Art von Stimmung lieben.

Jawattdenn.de: Du hast schon mehrfach von deiner Arbeit bei Unsere Kurve erzählt. Wie bist du dorthin gekommen?

Jost Peter: Die Fanorganisationen aller Vereine können bis zu drei Vertreter in dieses Gremium entsenden. Ich bin also nicht wie Dirk und Ralf als Fanvertreter von der Vollversammlung gewählt worden, sondern ich wurde von der FFA entsandt. Es ist eigentlich ein Netzwerk, in dem sich die Vertreter über Fragestellungen im Fußball austauschen. Hier wurde stets auf Gespräche wertgelegt. So war Unsere Kurve immer in der AG Fankultur der DFL und des DFB, auch wenn man sich darüber streiten kann, wie wichtig diese Veranstaltung ist. Wir haben auch in der DFB-Taskforce mitgearbeitet, obwohl viele Stimmen befürchtet haben, dass da nichts bei herauskommt. Es ist bislang wirklich nicht viel dabei herausgesprungen, doch halte ich es für wichtiger, im Gespräch zu bleiben, als nur darauf zu gucken, ob ich meine Meinung durchsetzen kann.

Während der Coronzeit hat Unsere Kurve eine riesige Stellung bekommen. Ich selbst bin sogar im Fernsehen aufgetreten, was vorher undenkbar war. Fanmeinungen waren für Tagesthemen und heute Journal völlig uninteressant. In dieser Zeit haben Fanmeinungen eine Beachtung gefunden, wie es noch nie der Fall war. Das ist ein Verdienst dieser Arbeit.

Ich werde allerdings aus dem Vorstand von Unsere Kurve ausscheiden. Vorstandsarbeit bedeuten ungefähr 10 Wochenstunden Arbeit, in denen ich Diskussionen vorbereitet oder Meinungen eingeholt habe. Das ist sehr anstrengend.

Jawattdenn.de: Ich habe einige Interviews im Fernsehen gesehen, in denen du sehr souverän gesprochen hast.

Jost Peter: Glück gehabt! (lacht) Es hat etwas damit zu tun, dass wir vorher sehr gut diskutiert haben. Wenn ich mich spontan zu solchen Fragen äußere, wird das nicht gut. Wenn ich aber vorher meine Argumente geprüft und mich mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt habe, dann werde ich etwas Gutes sagen können.

Jawattdenn.de: Vor Corona bestanden große Konflikte zwischen der Fanszene und dem DFB. Sind diese Konflikte während der Corona-Zeit besprochen worden?

Jost Peter: Da diese Konflikte selten Rot-Weiss Essen betroffen haben, möchte ich mich dazu in diesem Rahmen nicht äußern. Ich werde aber in der Arbeitsgruppe der Regionalligisten bleiben. In dieser Gruppe sind nicht nur Vertreter der großen Vereine wie Essen, Offenbach oder Aachen, sondern auch Vertreter kleinerer Vereine wie Norderstedt, für die die Regionalliga die Vereins-DNA ist. Alle sind wir uns einig, dass die aktuelle Regelung der Regionalliga für die kleinen wie die großen Vereine schlecht ist und da suchen wir das Gespräch mit dem DFB und den Landesverbänden. Ich hoffe, dass noch weitere Menschen Lust auf Verbandspolitik haben und da mitmischen wollen.

Jawattdenn.de: Ehrenamt ist nicht nur Spaß und Vergnügen. Vor vielen Jahren beschrieb ein Fanvertreter des HSV seine Arbeit im Aufsichtsrat und war doch sehr distanziert, nachdem er sein Amt niedergelegt hat. Hast du dir schon ein dickes Fell zugelegt, damit du die Freude an RWE nicht verlierst?

Jost Peter: Die verliert man nicht. (lacht) In Hamburg ist das Ganze auf einen Konflikt zugesteuert, der eskaliert ist und Teile der aktiven Fanszene sind gegangen. Zum Teil sind davon aber auch schon ein paar Leute zurückgekommen, was ich gut finde. Deswegen liegt mir der Fandialog so am Herzen, um den Bogen zum Anfang des Gesprächs zu spannen. Man muss nichts eskalieren lassen. Wir haben einen Vorstand, der immer begründen will, was er tut, und der auch weiß, was er tut. Marcus Uhlig und André Helf sind Gesprächen niemals abgeneigt. Wir haben in Essen alle Chancen, gemeinsam etwas zu erreichen.

Jawattdenn.de: Abschlussfrage: Das Stadion öffnet und alle dürfen wieder hinein. Auf welchen Moment freust du dich am meisten?

Jost Peter: Ich freue mich darauf, unsere Fahne am Zaun zu haben. Dieser Platz ist erarbeitet und besprochen, denn man hängt nicht einfach so eine Fahne auf. Das ist das Bild dafür, dass ich meinen Platz in diesem Stadion habe. Da sind auch viele Leute von nah und fern. Das zu erleben, die Leute wieder zu sehen und das erste Bier zwei Stunden vor dem Spiel am Flutlichtmast zu trinken, das sind Momente, die fehlen und die unersetzlich sind. Darauf freue ich mich am meisten.

Jawattdenn.de: Vielen Dank für das ausführliche Interview!

Das Interview führte Hendrik Stürznickel.