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Pleite, Pech und die Deutsche Bahn – Die (Nicht-)Würdigung einer Chaosreise

Vom „ominösen“ Zug der RWE-Fans sprach selbst der Magentakommentator und gleich drei Jawattdenn.de-Redakteure befanden sich in ebenjenem Zug. Unsere Aufarbeitung einer Chaosfahrt lest ihr hier.

Auf der außerordentlichen JHV am vergangenen Sonntag erwähnte Oberbürgermeister Kufen unlängst, dass die RWE-Fans auf ihren Reisen durch die Republik Botschafter der Stadt Essen sein. In der Regel reisen diese Amtsträger großzügig in einem Flieger an, der normale Auswärtsfahrer ist häufig auf die Deutsche Bahn angewiesen. Und genau hier fangen die Probleme an.

Bereits vor ca. drei Wochen bekamen die Frühbucher über die DB-App die Nachricht, dass die Fahrt von und nach Ingolstadt nicht wie geplant stattfinden kann. Die Sperrung der Fernstrecke zwischen Köln und Frankfurt sorgte dafür, dass die Züge aus dem Ruhrgebiet früher starten müssen und die letzte Möglichkeit der Rückreise nicht in der Heimat, sondern bereits in der Domstadt enden würden. Schon hier kommt die Frage auf, wie eine solche Änderung so kurz vor dem Beginn der Reise zu Stande kommen, obwohl Baustellen in der Regel sehr langfristig angelegt werden.

Aber egal, der leidgeprüfte Bahnfahrer unter den RWE-Fans nimmt eine frühere Abfahrtszeit dann doch in Kauf. Immerhin fuhr der ICE pünktlich um 5:26 Uhr aus Essen los, nur um dann ab Messe/Deutz sich eine stattliche Verspätung von ca. einer Stunde aufgebaut zu haben. Damit war der rechtzeitige Anschluss ab Nürnberg mehr als gefährdet, aber es wurden aus den Reihen der Anhänger versucht, auf die Zugbegleiter einzuwirken, einen Zwischenhalt in Ingolstadt einzulegen, da mehr als die Hälfte der Passagiere dieses Reiseziel vor Augen hatten. Trotz der Zusicherung, sich darum zu kümmern, vergaßen die Schaffner beim Schichtwechsel in Frankfurt, dies weiterzugeben, sodass die neuen Kollegen sich darum erst auf eine weitere Nachfrage kümmern konnten.

Auf dem Weg nach Nürnberg hallte der Jubel wie nach einem Torerfolg durch die Abteile, denn tatsächlich hat irgendjemand in diesem unflexiblen Konzern ein Herz für Fußballfans und es leuchtete „Ingolstadt“ in gelb als zusätzlicher Halt auf. Viele wähnten sich schon in Wirtshaus am Ingolstädter Bahnhof oder auf einem Plausch mit den anderen angereisten Fans. Allerdings gab es die berechtigte Aufforderung an die rot-weisse Gemeinde, sich bitte nicht rauchend auf dem Bahnsteig bei den nächsten Stopps aufzuhalten, um die Verspätungen nicht größer werden zu lassen. Die Süchtigen hielten sich zurück, dennoch qualmte es daraufhin an den Bremsen des Zuges, sodass es ab Nürnberg nicht mehr weitergehen konnte. Der Lokführer kam aber jetzt auf die glorreiche Idee, den Tross auf das gegenüberliegende Gleis zu schicken, mit dem angeblichen Wissen, dass dieser ICE auch am Zielort Ingolstadt halten würden. Im Zug stellten aber die ersten Leidgeprüften fest, dass die Aussage des Lokführers nicht stimmte und kein Begleiter in dem anderen ICE von diesem Halt wusste. Es ging also schnell zurück in dem ursprünglichen ICE, wo eine Entschuldigung erfolgte, „er habe nur auf die elektronische Anzeige am Gleis geschaut und wäre in der Zeile verrutscht.“ Mehr Sinnbild für die (digitale) Informationspolitik in diesem Unternehmen geht nicht.

Der Anpfiff rückte immer näher, es war bereits schon fast halb eins, da rollte ein weitere ICE in den Bahnhof ein, der nach Ingolstadt fahren sollte. Nun gut, das Wirtshaus hatte sich erledigt, aber immerhin sollte es bis zum Anpfiff wohl reichen. Auf der Hälfte der Strecke kam der Zug allerdings zu stehen, da wohl Personen, vermutlich sogar Kinder, in einem Tunnel gesichtet sein sollen. Natürlich geht die Sicherheit hier allemal vor, aber es ist schwer vorstellbar, dass sich bei diesem schmuddeligen Wetter mit einsetzendem Schnee sich Heranwachsende gedacht haben, unbefugt die Gleise betreten zu haben. Hier ärgert auch eher wieder die Informationspolitik der Deutschen Bahn, die von einer 5–10-minütigen Sperrung der Strecke ausging, um dies mit kaum weiterführenden Informationen über eine Stunde hinzuziehen. Mittlerweile war allen Beteiligten klar, dass niemand aus diesem Zug den Anpfiff der Partie sehen wird. Verzweifelte Anrufe an die Verantwortlichen von RWE, den Beginn des Spiels zu verschieben, war dem DFB eine fünfminütige Verzögerung wert. Ist ja leider auch hier nichts Neues, dass das Interesse für den weitreisenden Fußballfan nicht besonders groß ist, sondern vor allem der zahlende Kunde an den Fernsehgeräten wichtig ist.

Irgendwann nach 14 Uhr konnte die Reise dann doch so fortgesetzt werden, mit einer insgesamten Fahrzeit von neun! Stunden konnte endlich der Hauptbahnhof von Ingolstadt erreicht werden. Es ist unfassbar, in diesem Land für eine ca. 550 km lange Strecke so lange mit der Bahn brauchen zu müssen. Mittlerweile waren 2 Gegentore gefallen und erfahrene Anhänger wissen genau, dass es jetzt besonders schwer wird, das Ding doch zu drehen. Der Anschlusstreffer von Harenbrock konnte wenigstens in den Shuttlebussen bejubelt werden. Die Stimmung war dennoch am Tiefpunkt, was sich vor allem an unnötige Beleidigungen an den Busfahrer äußerte, gewalttätig wurde es aber zu keinem Zeitpunkt trotz dieser Tortur.

Im Stadion kam so recht keine Stimmung auf, einige versuchten aber mit Galgenhumor, sich selbst etwas aufzuheitern. So kam Unverständnis auf, wieso Trainer Dabrowski Stürmer Vonic ohne ersichtbaren Grund so früh in der „ersten Hälfte“ gegen Berlinski auswechseln musste und der Schiedsrichter Götze zu diesem frühen Zeitpunkt des Spiels verwarnte, obwohl noch so viel Zeit auf der Uhr war. Trotz der Niederlage gaben dann die Fans alles, um die Mannschaft und die Audi-Mitarbeiter ordentlich zu verabschieden, lauter als die Heimfans war der rot-weisse Anhang, wenn auch nicht in Bestleistung, allemal.

Die Hoffnung, dass wenigstens die Rückfahrt angenehm verlaufen würde und alle sich von den Strapazen erholen könnten, erwies sich als ein weiterer Trugschluss. Die zehnminütige Verspätung bei der Einfahrt des Zuges in Ingolstadt wurde noch mit einem Achselzucken hingenommen, danach nach wieder die Verspätung proportional zum Bierkonsum zu. Ein weiterer Höhepunkt ereignete sich dann kurz vor Aschaffenburg. Die Abteile waren größtenteils wieder mit RWE-Fans besetzt, so dass sich die Zeit mit Musik hören vertreiben wurde. Ja, es war teilweise etwas laut, aber niemand der anderen Fahrgäste fühlte sich gestört. Anders erging es einem übereifrigen Schaffner, der einen Teil der Anhänger mit üblen Beleidigungen überzog, die ich hier aufgrund meiner guten Erziehung nicht wiedergeben möchte, und rief darauf direkt die Bundespolizei. In Aschaffenburg hatten alle noch das Gefühl, davongekommen zu sein, aber aufgrund der Bundesligapartie zwischen Eintracht Frankfurt und dem VFB Stuttgart machte diese dann einen spontanen Besuch im ICE Richtung Köln Messe/Deutz.

Nachdem sich die Beamten alles angesehen hatten und nach eigener Aussage die Schilderungen des Begleiters als übertrieben empfanden, kam die übliche Ansage, dass bis zum Ende der Zugfahrt die Polizisten an Bord bleiben werden und sich alle ruhig verhalten sollten. Nach dieser Belehrung verging noch über eine halbe Stunde, bis die Fahrt fortgesetzt wurde, obwohl die Raucher mehrmals mit der Begründung, es gehe gleich weiter, in den Zug zurückgeschickt wurden. Nach weiteren siebeneinhalb Stunden war das Martyrium um 1 Uhr endlich beendet. Zumindest für diejenigen, die ihr Auto im Köln abgestellt hatten, viele Aktive hatten gerade den Regionalzug nach Essen verpasst und mussten eine weitere Stunde auf den Anschluss warten. Damit dürften die 23-24 Stunden endgültig voll sein.

Leider passiert das oben Geschilderte an jedem Wochenende, wenn Fußballfans in der Republik unterwegs sind. Trotz dieser Reisestrapazen war es insgesamt nie aggressiv, sondern außerordentlich friedlich, und dennoch hat jeder am Ende des Gefühls, Bürger zweiter oder dritter Klasse zu sein, sobald sich auf den Weg gemacht wird, sein Team zu unterstützen. Leider sind solche Zustände mittlerweile Normalität geworden, aber das sollten sie nicht. Es kann nicht sein, trotz der Nutzung von Schnellzügen von früher Morgenstunde bis spät in Nacht unterwegs zu sein, ohne die Staatsgrenzen je überquert zu haben. Gewalt ist keine Lösung, um sich Gehör zu verschaffen, dennoch sollte niemand das hinnehmen und diese Missstände müssen immer wieder angesprochen werden. Es gebührt, denjenigen Respekt zu zollen, die dies alle zwei Wochen auf sich nehmen, um unseren Klub auch in der weiten Ferne zu unterstützen.

In diesem Sinne

NUR DER RWE

Pascal Druschke