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Kritik an „essendiese“ ist echt miese!

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Ob man ein Textilstück nun ästhetisch ansprechend findet oder nicht und erst Recht, ob man dafür Geld ausgeben möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Sollte man meinen.

Ein Teil der Essener Ultra-Szene positioniert sich zum Trikotprojekt mit „essendiese“. Hauptkritikpunkt, die RWE-Farben seien Rot-Weiss und nicht Blau-Gelb. Zum einen ist dazu zu sagen, dass Rot-Weiss Essen schon Ende der 80er Jahre einige Spiele in der zweiten Bundesliga in einem der damaligen Auswärtslooks in Blau und Gelb bestritt. Ebenso in der Spielzeit 2006/07, ebenfalls in der Zweiten Bundesliga. Einfacher Hintergrund, das sind nun einmal die Essener Stadtfarben. Somit hat dieser Trikotlook durchaus eine Vorgeschichte mit etwas Tradition. 

Und nicht nur das. Er ist sogar satzungskonform. In §1 (3) der Satzung von Rot-Weiss Essen heißt es: „Die Spielkleidungen des Ausweich- und Torwarttrikots sind in ihren Hauptfarben höchstens zusätzlich in neutralen (schwarz und grau) oder den  Stadtfarben (gelbes Trikot, blaue Hose) zu halten.“ 

Zum anderen ist dazu zu sagen, dass es ja die Ultra-Szene selbst ist, die hin und wieder die Farben Rot-Weiss als traditionelle Farben des Vereins vergisst und andere Farbmetaphorik vorlebt. Ein gewichtiges Beispiel, vor dem enorm prestigeträchtigen Revierderby beim MSV Duisburg im Oktober 2023 gab die Szene das Motto „Alle in Schwarz!“ raus. Folge davon, anders als im Match des Vorjahres, als sich die Gästekurve als imposante rote Wand in der Duisburger Arena aufbaute, war das langweilig und eintönig wirkende Schwarz weitaus weniger ein Eye-Catcher. Wie geil hätte wohl das Siegtor zum 2:1 in der Nachspielzeit vor einer wild wogenden roten Welle gewirkt?

Ohnehin wählt ein nicht unerheblicher Teil der Szene ja gerne die schwarze Ultra-Uniform und verzichtet eh in weiten Teilen auf Vereinsmerchandising. Warum also diese Aufregung? Sie wirkt einmal mehr als künstlich aufgebauschter Affront dem Verein gegenüber. Kritik um der reinen Kritik willen gegenüber „essendiese“ ist echt miese.

Vollkommen absurd wird es, wenn Fankurven von einzelnen Gruppierungen zu rechtsfreien Räumen erklärt werden und Zuschauern wegen eines „essendiese“-Dresses der Zugang zu Bereichen der Alten West verweigert worden ist. Und das von Leuten, die gerne mit dem großen Reviernachbarn Borussia Dortmund kuscheln und dessen Farben in unseren rot-weissen Blöcken sogar hofieren. Nicht nur Banner des BVB schmückten schon den Zaun vor der Alten West, sogar das Capo-Podest wurde bereits durch eine schwarz-gelbe Fahne verunstaltet.

Borussia Dortmund, das sich in der Saison 2020/21 anschickte, seine Zweitvertretung mit großen finanziellen sowie allen scheinlegalen Mitteln in die Dritte Liga zu hieven. Die Unterabteilung einer Kapital- und Aktiengesellschaft reizte das vorhandene Regelwerk zumindest bis zur absoluten Grenze aus und missbrauchte es schlichtweg im Sinne von sportlicher Fairness gegenüber der Konkurrenz. Der größte Leidtragende war unser Verein, Rot-Weiss Essen. Am Ende standen wir trotz einer Megasaison mit leeren Händen da. Nach dem letzten Spieltag verhöhnten uns die schnöseligen Dortmunder Jungprofis bei der Aufstiegsfeier mit unserem geliebten Vereinslied.

Was wäre wohl gewesen, wenn wir uns in dieser Saison nicht im DFB-Pokal bis ins Viertelfinale vorgearbeitet und ca. 2 Millionen € zusätzlich erwirtschaftet hätten? In einer von Corona geprägten Saison mit deutlich reduzierten Zuschauereinnahmen? Der Nichtaufstieg hätte für RWE existenziell bedrohliche Folgen haben können. Folgen, auf die Borussia Dortmund gepfiffen hätte und nicht unwahrscheinlich im Businessplan einkalkuliert hatte. Erstaunlich, mit wem man sich da so verbrüdert. Der Bundesligaskandal liegt 52 Jahre zurück, aber bleibt unvergessen. Die Schmierenkomödie des BVB hingegen liegt zwei Jahre zurück und erscheint bei einigen nicht nur vergessen, sondern war sogar nie ein Thema.

Noch etwas Anderes verblüfft an der Haltung gegenüber dem „essendiese“-Trikot. Denn dieses stärkt Rot-Weiss Essen als lokale und regionale Marke in der Stadt Essen und dem Revier. Schließlich verkörpert „essendiese“ einen extrem erfolgreichen Trend in unserer Stadt Essen. Anders als unsere Dortmunder „Freunde“ machen wir keine Business-Büros in Peking, Shanghai oder Washington auf, wo dann wahrhaft echte Liebe zum BVB entsteht. Unserem Verein Rot-Weiss Essen bleibt im Konzert der zu den Global Playern aufgestiegenen deutschen Vereine wie vielen kleineren Traditionsklubs in der Fußballrepublik nur, die lokale Basis an sich zu binden.

Von daher ist der allen Protesten zum Trotz große Erfolg des in einer Auflage von 4.500 Stück in Anlehnung an die ersten Ziffern der Essener Postleitzahlen produzierten Sondertrikots ein starkes Zeichen für die stärker werdende Akzeptanz von Rot-Weiss Essen in unserer Stadt. 14 Jahre im Fußball-Niemandsland haben schließlich ihre Spuren hinterlassen. Auch wirtschaftlich braucht unser Verein die Einnahmen. Allein schon deshalb, weil auch in dieser Saison wieder Pyroaktionen der Menschen mit der Lieblingsfarbe Schwarz den Klub eine Menge Geld kosten, das anderswo dann fehlt.

NUR DER RWE!

Sven Meyering