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2022/2023 – 3. Liga

Rot-Weiss Essen – Borussia Dortmund II (2:0)

Was für ein wichtiger Sieg gelang RWE da gegen die Dortmunder Zweitvertretung. Der wuchtige Schuss von Thomas Eisfeld sowie die sehenswerte Kombination von Simon Engelmann und Björn Rother sorgten für große Erleichterung bei Rot-Weiss. Unsere Spielanalyse ist online.

Vorbericht

Sorgen verjagen und Dortmund schlagen! Rot-Weiss Essen steht gegen den BVB II vor einem Schlüsselspiel

Der zwischenzeitliche eitle Sonnenschein rund um die Hafenstraße 97 A ist Tristesse und zurückkehrender Angst um den Klassenerhalt gewichen. Nach sieben sieglosen Spielen hat besonders der schlechte Auftritt beim Montagsmatch gegen Viktoria Köln (0:1) die Stimmung ins Wanken gebracht. Die Fans waren unzufrieden und weder Christoph Dabrowski auf der Pressekonferenz direkt nach dem Spiel noch RWE-Boss Marcus Uhlig im Interview mit Funke-Medien unter der Woche nahmen ein Blatt vor den Mund und ihre Spieler für die kommenden Auftritte in die Pflicht. Eine deutliche Leistungssteigerung wird nötig sein, damit RWE nach Wochen der scheinbaren tabellarischen Sicherheit nicht doch noch kräftig um den Liga-Verbleib zittern muss.

Da kommt die Zweite des BVB gerade recht. Zum einen hat man aus der Saison 2020/21, als RWE im Aufstiegsrennen knapp den Kürzeren zog, und auch aus dem mit 0:1 verlorenen Hinspiel noch Rechnungen offen. Zum anderen sind die Dortmunder ein direkter Konkurrent in der unteren Tabellenhälfte, was bei der finanziellen Schlagkraft des Borussen-Kaders als Überraschung gelten darf. So darf man die Schublade mit den Fußball-Floskeln öffnen und von einem 6-Punkte oder gar Schlüsselspiel für unsere Mannschaft sprechen. Wie wir dieses erfolgreich gestalten können, thematisiert unser Vorbericht.

Im Hinspiel konnte RWE trotz guter Chancen Marcel Lotka nicht überwinden.

Das Personal und die taktischen Optionen

RWE hat für das wichtige Spiel gegen den BVB II diverse Ausfälle zu beklagen. Neben den Langzeitverletzten Michel Niemeyer und Sandro Plechaty ist Simon Engelmann nach seiner Mandelentzündung noch immer nicht bei 100% und dürfte maximal für einen Bankplatz in Frage kommen. Das ist aufgrund der aktuellen Sturmflaute bei RWE eine bittere Nachricht. Die Sperren von Lawrence Ennali (5. Gelbe Karte) und Isi Young (Gelb-Rote Karte), die sich beide im Match bei Viktoria Köln eingehandelt haben, wiegen daher umso schwerer. Als Alternative dürfte Oguzhan Kefkir zurückkehren, eigentlich ein Garant für gute Bälle in die Box und auch einmal einen entschlossenen Abschluss, aktuelle Mankos im RWE-Spiel.

Immerhin steht Essens Abwehr vor Jakob Golz mit Rios Alonso, Felix Herzenbruch, dessen Namensvetter Bastians und Andreas Wiegel meist sehr sicher, im Mittelfeld gibt es sogar ein Überangebot an guten Spielern. Mit Kickern wie Felix Götze, Torben Müsel, Clemens Fandrich, Thomas Eisfeld, Björn Rother und nicht zu vergessen Cedric Harenbrock, eine der überragenden Figuren des Aufstiegs, hat Christoph Dabrowski eine fast schon erlesene Auswahl. Doch auch hier stotterte zuletzt der Offensivmotor (siehe Baustellen). Trotz der Ausfälle sollte Dabro eine schlagkräftige erste Elf auf das Feld bringen können. Die muss aber an diversen Weichenstellungen arbeiten und der Sand, der aktuell im RWE-Getriebe ist, verdient ein Extra-Kapitel.

Die Defensive steht aktuell meist gut.

Die Baustellen des Essener Spiels

In Ballbesitz kann RWE derzeit die Gegner wenig schocken. Auffallend, dass Essen mit der Kugel sehr häufig den Weg zurück wählt, häufiger als den Weg nach vorne. Selbst wenn Rot-Weiss gefühlt viel Wiese vor sich hat, werden Angriffe abgebrochen und der Ball gesichert. Das offensive Risiko fehlt. Ist das einem zu großen Sicherheitsdenken geschuldet? Die Abwehr steht bei RWE, sieht man von der Partie in Elversberg ab (0:3), kassierten die Roten in den letzten 6 anderen Partien maximal ein Gegentor. Das ist sicherlich gut, relativiert sich aber nahezu maximal dadurch, dass man keine dieser Partien gewinnen konnte, weil man eben auch selber höchstens einen Treffer erzielen konnte.

Das krasse Gegenbeispiel bildete der letzte Sieg der Dabrowski-Elf ab. Beim VFB Oldenburg kassierte sie drei Gegentreffer, allesamt der Marke vermeidbar, auf der anderen Seite schenkte RWE den Norddeutschen fünf Buden ein. Also gilt es, die Balance zwischen defensiver Stabilität und offensiver Durchschlagskraft zurückzugewinnen. RWE hatte diese zwischenzeitlich. So beim 3:0 Erfolg in Freiburg oder dem 2:1 in Mannheim, wo man stark verteidigte und vorne effizient war. Leichter fällt das Rot-Weiss aber grundsätzlich gegen Kontrahenten, die selber das Spiel gestalten wollen und Räume lassen.

In den letzten Wochen gaben die Gegner den Essenern gerne den Ball, wohl wissend, dass das proaktive Spiel derzeit keine rot-weisse Kernkompetenz ist. Das ist verwunderlich angesichts dessen, dass RWE bei Viktoria Köln Spieler wie Felix Götze und Torben Müsel, eigentlich Garanten für offensive Ideen, auf dem Platz hatte. Nun spielte Müsel nicht wie gegen den MSV auf der Zehn, sondern eher auf der Außenbahn, Götze wird bei jedem Ballkontakt von zwei bis drei Gegnern bearbeitet. Insgesamt wirkt aber alles so, als fehle die letzte Überzeugung und die notwendige Prise Mut, das Spiel nach vorne zu bringen. Es fehlen dort, wo es für den Gegner gefährlich werden könnte, die Anspielstationen. Das drückt sich neben der häufig fehlenden Tiefe im RWE-Spiel auch in der Boxbesetzung aus, wo Ron Berlinski spätestens seit Simon Engelmanns Ausfall die ärmste Sau überhaupt ist. Gefühlt sieht Berlinski sich stets einer gegnerischen Übermacht gegenüber, entschlossenes Nach- und Einrücken in den 16er des Gegners sieht man bei RWE leider nur bei ruhenden Bällen. So verpufft auch Berlinskis permanentes Anlaufen des Gegners im Spielaufbau, weil Unterstützung fehlt. Essens Neuner macht sich so eher kaputt, als umgekehrt etwas kaputt zu machen.

Immer dann, wenn Essen mit zwei Spitzen agierte, sprich Engelmann fit und auf dem Feld war, konnte Rot-Weiss mehr Akzente setzen und vor allem auch einmal eine Kugel vorne halten. Denn fast gruselig wirken Essens Ballverluste, wenn lange und hohe Bälle nach vorne gespielt werden. Das absolute Gros dieser langen Dinger wird in der Luft verloren und kommt in Form von Gegenstößen postwendend zurück, denn zweite Bälle gewinnt Rot-Weiss aktuell eher selten. Bei der Kaderzusammenstellung hat RWE die Körperlichkeit, die andere Truppen auf das Feld bringen, eben nicht so großgeschrieben. Der Weg lang, hoch und weit nach vorne ist somit nicht der geplante Essener Weg. Von daher fragt sich der Betrachter, warum dieser, unabhängig von der Platzbeschaffenheit, dann so häufig gewählt wird?

Auch das bislang so innige Verhältnis mit der Anhängerschaft droht zu zerbröseln. Sieglose Wochen nagen nicht nur an der Mannschaft, sondern auch an den Fans und da man sich personell im Laufe der Saison eigentlich gut verstärkt hat, erscheint es vielen gerade zu wenig, was RWE auf dem Feld leistet. Der Vorwurf von Teilen der Anhängerschaft, Kampf und Einsatz stimmten nicht, zielt dabei im Grunde völlig ins Leere, denn die Zweikämpfe werden durchaus angenommen. Rot-Weiss Essen muss einfach wieder mehr Fußballspielen und es den Gegnern nicht so einfach machen, gegen RWE zu verteidigen. Das Glück mit den Schiedsrichtern, die seit einigen Partien den Eindruck machen, nicht immer so unparteiisch zu sein wie gefordert, kann Rot-Weiss nicht erzwingen. Aber es gab auch in allen diesen Spielen Situationen und Momente, in denen man durch eigene Fehler und Fahrlässigkeit wertvolle Punkte liegen gelassen hat. So wurde Rot-Weiss z.B. beim kassierten Ausgleich gegen den MSV Duisburg nicht gezwungen, nur zwei Spieler in die Mauer zu stellen, die zudem dann auseinanderdriftete und mit der Schlitzohrigkeit eines Moritz Stoppelkamp hätte man rechnen dürfen. Die Grundtugenden Kampf und Einsatz müssen bleiben, die Konzentration, fußballerische Elemente, entschlossenes Nachrücken, Anspielbereitschaft und Läufe in die Tiefe müssen hinzukommen. Dann wird es auch mit den guten Ergebnissen wieder klappen.

Ron Berlinski erhält zu wenig Unterstützung.

Der Gegner: Borussia Dortmund II (Tabellenplatz 15/ 21 Punkte/ 6 Siege/ 3 Remis/ 13 Niederlagen/ 18:32 Tore/ Differenz – 14)

Wer in Essener Reihen nicht völliger BVB-Fanboy ist, für den hat sich das Verhältnis zum BVB in den letzten Jahren merklich abgekühlt. Die Geschichten der Vergangenheit sind abgehakt, allerdings verwundert das Gebaren des BVB und der hofierende Umgang seitens des DFB durchaus. Da die Heimstätte wider Erwarten eine längere Umbaupause benötigt, muss der BVB auf sein Ausweichstadion zurückgreifen. So weit, so normal in dieser Liga. Das Duell gegen die Osnabrücker musste vor zwei Wochen dennoch abgesagt werden, weil der BVB gerne sein Stadion schonen wollte. Eine Spielabsage trotz spieltauglichem Stadion, das sollte in der 3. Liga einen Punktverlust nach sich ziehen, sollte man meinen. Willkommen im Profifußball, in dem der BVB immer noch etwas gleicher als alle anderen ist und „Wir wollen nicht“ ein völlig akzeptierter Absagegrund ist. Das Spiel wurde ein paar Tage später zum Ärger der Osnabrücker nachgeholt.

Da das Rückspiel gegen den BVB allerdings an der Hafenstraße stattfinden wird, brauchen wir uns glücklicherweise keine Gedanken darüber zu machen, inwiefern die Verantwortlichen vom Borsigplatz gerade Lust darauf haben, Fußball zu spielen. Das Sportliche ist ohnehin interessanter, denn für beide Clubs geht es aktuell um viel.

Der BVB zeigte spätestens nach dem Sieg(!) beim FC Ingolstadt Nerven und beendete die Zusammenarbeit mit Christian Preußer. Auch wenn der Zeitpunkt des Rausschmisses leicht verwundert – wir Essener kennen die Situation durchaus – so zeichnete sich ab, dass es zwischen Preußer und dem BVB keine Echte Liebe wird. Preußer trat in große Fußstapfen, denn sein Vorgänger Enrico Maaßen, der nach Augsburg wechselte, führte den damaligen Aufsteiger in der ersten Saison gleich auf Platz 9. Nach bereits 13 Niederlagen in nur 21 Spielen zogen die Dortmunder die Reißleine und versuchen nun mit Jan Zimmermann die Mission Klassenerhalt anzugehen.

Mit insgesamt 18 Treffern stellt der BVB nach Bayreuth die schwächste Offensive der 3. Liga. In der fehlenden Durchschlagskraft erkannten auch die Dortmunder ihr größtes Manko und schlugen gleich zweimal auf dem Transfermarkt zu. Von der Zweitvertretung des HSV wechselte Moses Otuali nach Westfalen, der als sehr hoffnungsvolles Talent gilt. Der Transferkracher war jedoch Cyrill Akono. Der junge Mittelstürmer galt als Shootingstar des SC Verl und Experten mutmaßten, wann dieser in Richtung der Topligen abwandern würde. Da der BVB aufgrund bestens sprudelnder Champions League Einnahmen auch ein Top-Argument für die 3. Liga parat hatte, ist Akono nun ebenfalls beim BVB.

In den ersten Spielen zeigte sich, dass insbesondere das Duo Cyrill Akono und Justin Njinmah, mit 3 Toren Toptorschütze beim BVB, bestens harmonierte und in den gegnerischen Strafräumen für Kopfzerbrechen sorgte. Außer gegen Wehen traf der BVB in jedem Spiel mindestens einmal. Dennoch sprach Neucoach Jan Zimmermann nach seinem ersten Spiel davon, dass in der Offensive noch viel Arbeit vor dem Team liegen würde. Auf jeden Fall hat sich der BVB in Sachen Standards fortentwickelt. So konnte in der gesamten Hinrunde kein Treffer nach Standards erzielt werden. In den Spielen gegen Ingolstadt und Saarbrücken trafen dagegen Niklas Dams jeweils nach Eckball und Justin Njinmah nach einem Einwurf. Die RWE-Hintermannschaft sollte also gewarnt sein, dass dort eine neue Stärke wächst.

Im neuen Jahr war es insbesondere die Defensive, die sich nicht mehr so sattelfest präsentierte. In den Spielen unter Christian Preußer schwamm die BVB-Abwehr vielfach bei Flanken und schnellen Kombinationen, in denen die Stürmer teilweise völlig ungedeckt im Strafraum an den Ball kamen. Dieses Problem zeigte sich im ersten Spiel unter Jan Zimmermann nicht mehr. Die Borussia verteidigte sauber, mit ihrer enormen individuellen Qualität setzte sich Saarbrücken am Ende dennoch durch.

Isi kann leider nicht mithelfen, die Dortmunder Defensive zu knacken.

Fazit und Blick über den Tellerrand: Die Lage in der 3. Liga

Obwohl sich die Essener Lage im Abstiegskampf seit Wochen kaum verändert und somit auch nicht verschlechtert hat, noch immer hat RWE 5 Punkte Vorsprung vor den Plätzen, die die Hölle bedeuten, ist Gefahr im Vollzug. Irgendwann wird das derzeitige Schneckenrennen in der unteren Tabellenhälfte ein Ende haben und auch die Konkurrenz zu Punkten kommen. RWE vergab im Grunde seit Wochen einige Matchbälle, sich aus dieser Zone zu verabschieden, wurde aber irgendwie auch durch vermeidbare späte Gegentore magisch von dieser angezogen. Gelingt diesmal ein Befreiungsschlag?

Jedenfalls stehen schwere Aufgaben für die direkten Konkurrenten an. Das unter Pavel Dotchev wiederbelebte Aue eröffnet den Spieltag am Freitagabend bei Wehen Wiesbaden, einem der Top-Teams der Liga. Der FSV Zwickau bekommt es sogar mit dem absoluten Top-Team zu tun und empfängt am Samstag die SV Elversberg, der SV Meppen, zuletzt Sieger gegen 1860, reist zu Ex-RWE-Coach Christian Neidhart und Waldhof Mannheim. Bayreuth muss an die Bremer Brücke zum VFL Osnabrück, die Niedersachsen sind eines der formstärksten Teams. Hier hoffen wir auf Favoritensiege. Zusammen mit RWE am Sonntag spielt der SC Verl bei den Münchener Löwen und am Montagabend wird ein sehr interessierter Blick zur Partie zwischen dem VFB Oldenburg und dem Halleschen FC gehen. In Halle übernimmt aktuell Sreto Ristic die Aufgabe, den Tabellenletzten noch vor dem Absturz zu retten.

Es ist also eng und spannend. Da beißt die Maus keinen Faden ab, vor allem die deutlichen an die RWE-Mannschaft adressierten Worte von Marcus Uhlig nach dem Köln Spiel zeigen, dass man sich an der Essener Hafenstraße einer schleichenden Gefahr bewusst ist. Wird das bislang funktionierende Band mit den Fans zerschnitten, wird es umso schwieriger. Von daher muss die Devise lauten, Schluss mit allen Eitelkeiten und alles auf Sieg, Sorgen verjagen und Dortmund schlagen!

NUR DER RWE!

Sven Meyering & Hendrik Stürznickel

Spielbericht

Erfahrung schlägt Jugend – RWE gewinnt gegen die Dortmunder Reserve 2:0 (0:0)

Tonnenweise purzelten die Steine von den Herzen der knapp 16.000 Zuschauer an der Hafenstraße: RWE kann wieder siegen! Nach zuletzt fünf sieglosen Partien an der heimischen Hafenstraße wurde endlich der Bann gebrochen und die schwarz-gelbe Reserve am Ende verdient bezwungen. Mit den zuvor gespielten Partien am 23. Spieltag drohte zwar nicht der unmittelbare Absturz an den Rand der Abstiegszone, allerdings waren die Erfolge der wiedererstarkten Auer und der aufopferungsvoll kämpfenden Bayreuther ein erster Vorgeschmack darauf, was bei einer anhaltenden Essener Durststrecke blühen könnte. Auch wenn die Abstiegsgefahr mit diesem Sieg natürlich nicht gänzlich verschwindet, ist die Mannschaft mit dem Sieg momentan näher an den hochgehandelten Mannschaften aus Ingolstadt und München als dem Sturz in die Bedeutungslosigkeit des deutschen Fußballs.

Björn Rother macht den Deckel drauf!

Das Personal

Die Sperren von Young und Ennali bedeuteten auch eine erzwungene Umstellung des Mittelfelds, „Jugend forscht“ hatte demnach eine Pause und die geballte Erfahrung des rot-weissen Kaders kam zum Zuge. Während Kefkir für Young eine fast logische Alternative darstellte, setzte Dabrowski auf Routinier Eisfeld für Fandrich, der leider in Köln nicht an seine starke Leistung vom Duisburgspiel anknüpfen konnte. Eine interessante Wahl des Trainers, da Eisfeld in den letzten Wochen nach seiner schweren Verletzung nicht immer einen fitten Eindruck machte. Auch ein Felix Götze konnte noch nicht auf die Dynamik vor seiner Verletzung bauen, so dass dieses Mittelfeld vor der schwierigen Aufgabe stand, einer sehr fitten und topausgebildeten Dortmunder Mannschaft Paroli zu bieten. Zudem hatte sich der BVB mit Passlack aus dem Profikader verstärkt, dafür saßen überraschenderweise Pfanne und Akono zunächst auf der Bank. Auf der anderen Seite der Coachingzone gab es allerdings auch noch Überraschungen. Engelmann und Kourouma standen zumindest für einen Kurzeinsatz zur Verfügung, außerdem war Michel Niemeyer in den Kader gerückt. Dies glich einer Sensation, da Niemeyer seit seiner Verpflichtung im Sommer 2021 verletzungsbedingt noch kein Spiel für RWE absolvieren konnte.

Torben Müsel sorgte immer wieder für Gefahr.

Die Pluspunkte

Nach anfänglichen Schwierigkeiten griff das taktische Konzept von Dabrowski. Zwar wurde den Dortmunder das Mittelfeld in der ersten Halbzeit nahezu gänzlich überlassen, allerdings erspielten sich die Essener die besseren Chancen. Dies lag vor allem an der genialen Spielübersicht von Akteuren wie Eisfeld und Götze, die ihre Mitspieler suchten und in den entscheidenden Situationen fanden. Die Sorge um die Fitness von Ersterem war völlig unbegründet. Nachdem Berlinski seinen Gegenspieler in der 14. Minuten erfolgreich unter Druck setzte, hatte Eisfeld nach dem erlaufenen Ball eine Topchance zur Führung, die nur vom stark reagierenden Dortmunder Schlussmann Lotka vereitelt werden konnte. 16 Minuten später war Wiegel noch näher dran, aber nach dem Zuspiel von Eisfeld klatschte der Ball an den Pfosten. Hätte der ständige Unruheherd Müsel nach toller Vorarbeit von Götze nicht den Ball kurz vor der Pause vertändelt, wäre dies die dritte Topchance in Hälfte eins gewesen. Nach dem Halbzeittee, der in der Essener Kabine sehr gut geschmeckt haben muss, konnte sich die Mannschaft endlich belohnen: Eisfeld netzte in der 51. Minute traumhaft in das Kreuzeck ein und Rother konnte die geniale Vorlage von Engelmann zum 2:0 in der 85. Minute per Kopf verwerten. Zuvor hätte schon der nimmermüde Müsel erhöhen können, aber der traf nur den Pfosten.

Auch wenn es wohl schon oft in den letzten Wochen erwähnt wurde, muss die Abwehrarbeit der Essener wieder einmal gelobt werden. Nicht immer waren alle Aktionen gelungen, doch sowohl individuelle und kollektive Fehler werden mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft schnell wieder bereinigt. Was dem Mittelfeld fehlte bzw. immer noch fehlt, nämlich die Abstimmung, ist in der Essener Hintermannschaft längst kein Thema mehr. Es bleibt einfach erstaunlich, wie dieses hohe Niveau in einer unbeständigen Liga so gehalten werden kann. Als letzten Pluspunkt bleibt noch die Einwechselung von Niemeyer zu notieren, der nach einer langen Leidenszeit sein kaum noch für möglich gehaltenes Comeback feiern konnte. Es bleibt ihm zu wünschen, dass es nicht nur bei diesem Kurzeinsatz bleibt.

In der ersten Hälfte hatte RWE durchaus Schwierigkeiten mit den Angriffen des BVB.

Die Knackpunkte

Markus Uhlig erwähnte nach dem Köln-Spiel, dass ihm die Serie von neun Spielen ohne Niederlage in der Presse zu positiv geschrieben wurde. Auch nach diesem befreienden Sieg gibt es noch Luft nach oben. Hier muss vor allem wieder einmal die Chancenverwertung kritisiert werden. Eine der drei Chancen aus der ersten Hälfte hätte verwertet werden müssen, um früh Ruhe in das teilweise nervöse Spiel der Essener zu bringen. Zudem landeten viele Bälle des Mittelfelds zunächst im Nirvana, der Zielspieler, wenn es den überhaupt gab, befand sich noch nicht einmal in der Nähe des Balls. Es haperte vor allem im Zusammenspiel mit Stürmer Berlinski, der bis auf die Szene vor der Großchance von Eisfeld völlig in der Luft hing. Nach der Einwechslung von Engelmann wurde diese Position wiederbelebt, „Engel“ konnte wichtige Bälle festmachen und das Tor von Rother sehenswert vorbereiten. Dennoch wäre es fatal, nur auf Engelmann zu setzen, bei der dünnen Besetzung im Sturm werden Berlinskis Qualitäten weiter gebraucht.

Trotz der überragenden Leistung der Abwehr gehörte die Anfangsphase der Dortmunder Jugend, die vor allem über die linke Abwehrseite der Essener immer wieder durchkamen. Zwar wurde die Angriffsleistung des BVBs mit der Dauer des Spiels immer schwächer, dennoch sorgte auch die rot-weisse Verteidigung dafür, dass eine an diesem Tag limitierte Mannschaft am Leben blieb und noch auf den Ausgleich hoffen konnte. Gegen stärkere Teams muss die Spielkontrolle gerade an der heimischen Hafenstraße wieder mehr übernommen werden. 

Ron Berlinski gab – wie immer – 110%

Der „Aufreger“

Auf dem Platz selbst hielten sich die Aufreger in Grenzen, einzig die Aktion des Dortmunder Papadopoulos gegen Towart Golz nach einer Ecke in der 11. Minute hätte zu einer gelben Karte führen müssen. Kurz darauf erhielt Herzenbruch für ein geringeres Vergehen seine sehr frühe gelbe Karte. Der Aufreger des Tages war die Tatsache, dass die taumelnden Dortmunder wieder einmal in Person von Passlack auf Verstärkung „von oben“ angewiesen ist. Auch wenn man es langsam müde wird zu erwähnen, aber es wird sich immer falsch anfühlen, in einer Profiliga gegen eine Zweitvertretung spielen zu müssen. Leider endet die Kritik vieler „aktiver“ Szenen häufig am eigenen Gartenzaun, die eigene Zweitvertretung wird davon immer ausgenommen. Ein kleiner, unverbesserlicher Teil unserer „Fans“ trifft sich da schon lieber mit den „Freunden“ aus Dortmund um 6 Uhr morgens in einem Gewerbegebiet der Nachbarstadt, um den Verein wieder in die Schlagzeilen zu bringen.

RWE auf Wolke Sieben!

Der Ausblick

Dieser Sieg war in jeglicher Hinsicht sehr wichtig. Das Nervenkostüm der Zuschauer war sehr angespannt, was sich auch in der verhaltenen Stimmung vor Anpfiff zeigte. Dies übertrug sich auch auf die Mannschaft, die sich erst in das Spiel reinfinden musste. Mit der Führung zeigte dann die Hafenstraße die viel beschworene Einheit, die es zum Klassenerhalt auch braucht. Dieses Band ist hoffentlich zunächst wieder hergestellt. Bei dem kommenden Auswärtsspiel in Ingolstadt ist unser Team trotz eines 3:4-Sieges in Saarbrücken nicht chancenlos, da die Schanzer mehr Schatten als Licht in diesem Jahr zeigten. Der nächste Gradmesser wartet aber mit der unangenehmen Mannschaft aus Bayreuth, die ähnlich starke Defensivleistungen wie unsere Elf zeigen kann und mittlerweile auch vorne trifft. Hier muss übernächsten Sonntag die Hafenstraße brennen, sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen.

Pascal Druschke