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2020/2021 - Regionalliga West

DFB-Pokal Rot-Weiss Essen – Fortuna Düsseldorf (3:2)

RWE haut nach großem Kampf Zweitligist Fortuna Düsseldorf aus dem DFB-Pokal und zieht verdient ins Achtelfinale ein. Was für ein Abend an der Hafenstraße, was für eine Mannschaftsleistung. Wir sagen Danke für die bisherige Saison und wünschen dem gesamten RWE-Team und allen Fans erholsame Weihnachten.

Vorbericht

Zum Jahresabschluss Düsseldorf die Fortunarrenkappe aufsetzen!

Es ist so weit, Rot-Weiss Essen hat nach grandioser Ligaperformance, bei der die Neidhart-Schützlinge in 20 Saisonspielen unbesiegt geblieben sind und einen Punkteschnitt von 2,5 aufzuweisen haben, sein so getauftes Bonusspiel vor sich.

In der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals empfängt der Spitzenreiter der Regionalliga West Fortuna Düsseldorfs erste Mannschaft zum traditionsreichen Westschlager im Stadion Essen. An dieser Stelle könnte man nun noch einmal die coronabedingte Aussperrung der Fans oder das letztmalige unglückliche Pokalaus gegen denselben Gegner im Sommer 2015 beklagen. Jedoch, es zählt nur das Hier und Jetzt! Einen Tag vor Heiligabend will RWE sich und seine euphorisierte Fangemeinde ultimativ bescheren und eine weitere Pokalsensation schaffen!

Die erste davon gelang Mitte September gegen Arminia Bielefeld, ihres Zeichens Bundesligist. Da sollte eine solche Überraschung doch auch gegen den Zweitligisten aus Düsseldorf gelingen können. Marcus Uhlig, der vor dem Bielefeld-Spiel berechnete, dass RWE gegen die Arminia eines von 10 Spielen gewinnen könne, steigerte seinen Optimismus auch entsprechend und meint nun, dass es gegen die Fortuna zwei von 10 Partien sein könnten, die Essen bei der derzeitigen Konstellation für sich entscheiden könnte. Doch Vorsicht! Die Düsseldorfer sind ebenfalls ziemlich gut drauf und nicht unwahrscheinlich werden die Rheinländer zum jetzigen Zeitpunkt der Saison einen noch dickeren Brocken darstellen, als es die Ostwestfalen bei ihrem erstem Pflichtspiel vor drei Monaten gewesen sind. In der ersten Hauptrunde siegte der kommende Gast mit 1:0 bei Drittliga-Schwergewicht Ingolstadt.

Fortunas Coach Uwe Rösler ist ein ehemaliger Kultkicker. Bei Dynamo Dresden machte er sich einen Namen, bei Manchester City wurde er zur Legende. Lange bevor die Scheichgelder den Arbeiterklub ManCity zum Premiumprodukt aufpimperten, ging Rösler dort auf Torejagd. Die City Fans entwarfen ihm zu Ehren ein eigenes Fanshirt. Da viele Engländer fast schon unvermeidlich jeden Deutschen mit dem Weltkriegsmilitarismus verbinden und kein anderer Klub bei den Citizens so verschrien ist wie der eigene Lokalrivale Manchester United gab es ein Shirt mit der Aufschrift „Uwe`s Granddad bombed Old Trafford“. Old Trafford ist bekanntlich die Spielstätte von ManU und wurde 1941 tatsächlich von deutschen Bomben arg in Mitleidenschaft gezogen, aber ob Uwe Röslers Großvater wirklich der deutschen Luftwaffe angehörte, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Der Stürmer nahm es mit Humor, dem typisch schwarzen Humor der Briten natürlich, und erstand für seinen Großvater eines der Shirts. Rösler gilt in der Rückschau tatsächlich als einer der Wegbereiter des Booms deutscher Fußballprofis bei englischen Klubs. Als Trainer musste der gebürtige Altenburger und fünfmalige DDR-Nationalspieler in der letzten Saison als Feuerwehrmann geholt dennoch den Bundesligaabstieg der Fortunen hinnehmen. Dennoch betraute man ihn mit der Aufgabe „Wiederaufstieg“. Der rheinländische Express kam zunächst nur schwer ins rollen. Zuletzt aber eilte die Fortuna von Sieg zu Sieg. Viermal in Serie siegten die Düsseldorfer, aktuell klar und deutlich mit 3:0 am Millerntor beim FC St. Pauli. Das bedeutet, dass der Absteiger wieder in ganz unmittelbarer Schlagdistanz zu den Aufstiegsrängen rangiert.

Mit unter den Torschützen in Hamburg war Strafraumserientäter Rouwen Hennings, Fortunas Äquivalent zu Essens Simon Engelmann. Die spielstarke Unterstützung an der Seite des Torjägers ist Kenan Karaman, der eine Abwehr ordentlich aufwirbeln kann. Auch der bundesligaerfahrene Edgar Prib trug sich mit einem Treffer in die Statistik ein, Rechtsverteidiger Zimmermann hatte einen Sahnetag und glänzte sowohl als Torschütze als auch als Vorbereiter. Der Rest der Abwehr um den 1,90 Meter Funkturm Luka Krajnc war ohnehin in den letzten Wochen ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung. Ansonsten zeigten sich die Düsseldorfer kompakt im Mittelfeld und bissig in den Zweikämpfen, eine kurze Schwächeperiode Mitte der ersten Halbzeit überstanden sie allerdings nur, weil St. Pauli im Abschluss zu ungefährlich war. Das nährt Essens Hoffnungen.

Christian Neidhart wird ein wachsames Auge auf Stärken und Schwächen des Gegners geworfen haben. Zugegebenermaßen überwiegen aktuell Fortunas Stärken und die Gefahr, zum Jahresabschluss 2020 das erste Pflichtspiel als RWE-Coach zu verlieren, dürfte Neidhart nur allzu bewusst sein. Doch der 51-Jährige Essener Erfolgstrainer, ja so darf man ihn nach der Hinrunde mit Fug und Recht nennen, wird seinem Team wie üblich die richtigen Rezepte an die Hand geben, um seinen Gegner adäquat zu bespielen. Nicht gesondert erwähnt werden muss dabei, dass Fehler wie beim unnötig knappen 3:2 Heimerfolg gegen den SV Wegberg Beeck mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Pokalaus bedeuten würden. Der Mannschaft dürfte bewusst sein, dass man den Gästen keine Tore schenken darf und vorne konsequenter zu Werke gegangen werden muss.

Gegen Fortuna werden die Essener wohl nur einen Bruchteil der Chancen bekommen, den sie in vielen Ligaspielen erarbeiten konnten. Und dann muss auch potenziell mal jemand anderes als Strafraumphänomen Simon Engelmann die Kugel über die gegnerische Linie befördern. Am Samstag gegen Wegberg Beeck veranstalteten die Essener jedenfalls ein regelrechtes Scheibenschießen und überboten sich gegenseitig im Auslassen bester Gelegenheiten. RWE erzielte in der Liga aber auch 28 Treffer, die nicht auf das Konto Engelmanns gehen. Das ist so schlecht auch nicht. Aber natürlich überragt der Goalgetter mit 18 Treffern aus 20 Spielen nicht nur bei RWE alle anderen, sondern in der gesamten Regionalliga West auch jeden anderen Stürmer.

Engelmanns Trikot, in welchem er gegen den WSV viermal einnetzen konnte, ging gerade zu einem guten Zweck als Tombola-Hauptpreis als Weihnachtsgeschenk an einen zufriedenen Fan. Auch für den Erstrundenerfolg gegen Bielefeld war Engel als Torschütze verantwortlich. Wer springt in die Bresche, wenn Essens Nummer 11 mal besonders gut beschattet werden sollte? Gegen Fortuna möchte Cedric Harenbrock, mit 5 Treffern die Nummer zwei der internen Essener Torjägerliste, womöglich das wiederholen, was ihm bereits gegen Düsseldorfs Zweite in der Liga gelungen ist, nämlich ein wichtiges Tor zu erzielen. Nur zu Cedric! Das gilt auch für alle anderen im Essener Trikot.

RWE muss am Mittwoch letztmalig vor der kurzen Winterpause alles, wirklich alles raushauen, um den Traum vom Achtelfinale, der für den Verein auch wirtschaftlich wichtig ist, wahr werden zu lassen. Es wird Essens inklusive des Auftritts im Niederrheinpokal 23. Pflichtspiel werden. Der Gast aus Düsseldorf hat erst deren 14 Pflichtauftritte. Kein Wunder, dass auch bei Rot-Weiss einige Akteure auf dem Zahnfleisch zu gehen scheinen, denn trotz des breiten und guten Kaders sind Spieler wie Daniel Heber, Ali Hahn, Sandro Plechaty, Dennis Grote und Simon Engelmann eigentlich immer dabei.

Vielleicht erklären sich auch dadurch gewisse Konzentrationsmängel in den letzten Partien. Genau das darf am Mittwoch nicht passieren. Ob Neidhart wie gegen Bielefeld mit einer Dreierkette hinten auflaufen wird und Felix Herzenbruch oder Namensvetter Weber eine Chance erhalten werden, wird sich zeigen. Neidhart wird einen Plan haben, wie man die karnevalsverrückten Düsseldorfer zum Fortunarren machen und aus dem Pokal werfen kann. Ein gutes Omen ist jedenfalls, dass die Rot-Weissen gegen Bielefeld in dieser Pokalsaison bereits einmal Revanche für eine erst im Elfmeterschießen verloren gegangene vorherige Pokalpartie nehmen konnten. Fortuna durfte sich 2015 jedenfalls sehr glücklich schätzen, nach torlosen 120 Minuten mittels der berüchtigten Duelle vom Punkt aus weitergekommen zu sein. Auf diese Lotterie können wohl alle Beteiligten sehr gut verzichten. Wenn es aber so kommen sollte, werden wir RWE-Fans dennoch volles Vertrauen in die Mannschaft haben, dass sich Rot-Weiss mit einem neuerlichen Pokaltriumph die Sahne auf die Ligapunkte-Erdbeeren hauen kann.

NUR DER RWE!
Sven Meyering

Spielbericht

Wenn ich ganz ehrlich sein soll: wir wollten gewinnen. Das hat man richtig gemerkt. Wir wollten das Jahr 2020 ungeschlagen bleiben. Das ist nicht nur eine Floskel, die ich raushaue, wir wollten ums Verrecken gewinnen.“ Nicht diese Aussage allein, die Marco Kehl-Gomez vor den Mikrofonen bei Sky zum Besten gab, unterstrich die Willensleistung von Rot-Weiss Essen, sondern die Überzeugung und der Gesichtsausdruck, der deutlich machte, wie ehrgeizig und erfolgshungrig nicht nur der Kapitän, sondern das ganze Team im Jahr 2020 aufgetreten sind.

Der Coup gegen den ambitionierten Zweitligisten Fortuna Düsseldorf zeigte einmal mehr die breite Brust und die enorme Qualität, die RWE nun seit Monaten zeigt. Christian Neidhart wechselte erstmals seit Wochen und setzte offensiv auf das höchstmögliche Tempo und defensiv auf beinharte Zweikampfhärte sowie Ballbehandlung. Defensiv erhielt so Felix Herzenbruch den Vorzug vor Kevin Grund, da dieser eher defensiv spezialisiert ist. Die Entscheidung gegen Oguzhan Kefkir und für Isaiah Young und Joshua Endres brachte Geschwindigkeit auf den Platz. Schließlich bekam nach einigen Wochen auch Amara Condé den Vorzug vor Cedric Harenbrock. Die letzte Entscheidung war eine goldene Eingebung, denn Condé zauberte sein ganzes Können auf den Platz und wurde völlig zurecht zum Spieler des Spiels gewählt.

Zunächst einmal wurde deutlich, dass Düsseldorf von Beginn an zeigen wollte, dass der Zweitligist Herr an der Essener Hafenstraße sein sollte. Die Fortuna entfachte einen enormen Sturmlauf und hätte sich bereits in der vierten Minute belohnen müssen. Jean Zimmer spielte von der rechten Torauslinie den Ball gefühlvoll in den Rücken der Abwehr. Marcel Sobottka traf den Ball nicht richtig am Elfmeterpunkt, dieser ging an die linke Ecke des Fünfmeterraums, an der Edgar Prib freie Schussbahn hatte. Dieser war offensichtlich völlig überrascht von seiner guten Möglichkeit und legte den Ball eher zu Davar zurück, als dass er wirklich aufs Tor schoss.

Nach und nach konnte RWE sich aber aus der festen Umklammerung befreien und startete erste Entlastungsangriffe. Als Adam Bodzek recht unbedrängt im Mittelfeld etwas zu langsam zu Edgar Prib zurückpasste, war Dennis Grote geistesgegenwärtig. Er sprintete zum Ball und sah den auf der linken Seite startenden Simon Engelmann. Ein präziser Pass in den Fuß gab Engelmann ein minimales Schussfenster. Er hielt drauf und tunnelte Raphael Wolf und ganz Essen versank in Glückseligkeit. Der Regionalligist führte nämlich durch seinen Toptorjäger 1:0 in diesem ungleichen Duell.

Danach war kein Abtasten mehr zu spüren und Fortuna Düsseldorf (18.) wie auch Rot-Weiss Essen (24.) suchten ihr Heil in der Offensive. In der 36. Minute schlug Edgar Prib, dieses Mal auf der rechten Seite, eine perfekte Flanke auf den Düsseldorfer Goalgetter Rouwen Hennings. Dieser stoppte den Ball gekonnt auf der linken Strafraumseite und haute den Ball unhaltbar in die Maschen. Wer allerdings glaubte, dass der Widerstand der Essener mit dem Gegentor gebrochen war, sollte sich täuschen.

Nur drei Minuten später spielte Joshua Endres den Ball quer im Halbfeld auf Daniel Heber, der weit ins Düsseldorfer Territorium aufgerückt war. Dieser hatte Platz und erkannte, dass der Kapitän bereitstand. Ein hoher Ball fand den Kopf von Marco Kehl-Gomez, der die Führung wiederherstellte. Nach dem Spiel beschwerte sich Düsseldorfs Trainer Sascha Rösler, dass dem Treffer ein Ellenbogenschlag vorausgegangen ist. Auch nach Zeitlupenbetrachtungen und eingefügten Lupen kann man zwar erkennen, dass Kehl-Gomez den Ellenbogen für die Körperdrehung einsetzte, eine Berührung ist allerdings kaum erkennbar und im Gesicht, das sich der Abwehrspieler anschließend hielt, kann dieser definitiv nicht getroffen worden sein. Möglicherweise hätte ein Video-Schiedsrichter den Treffer zurückgenommen, da momentan selbst bei kleinsten Berührungen eine Tendenz zum Foulpfiff besteht, allerdings war dies auf keinen Fall eine 100-prozentige Fehlentscheidung und Schiedsrichter Jöllenbeck sollte auch für die Fortuna noch einen recht schmeichelhaften Pfiff bereithalten.

Zunächst einmal ging RWE aber mit der Führung in die Halbzeitpause und die war nicht unverdient. Düsseldorf hatte zwar mehr Spielanteile, Essen war allerdings aggressiver in den Zweikämpfen und dieses Mal auch unheimlich konsequent vor dem Tor. Dies war gegen Wegberg-Beeck noch ein Mangel, dieses Mal nutzten Engelmann und Kehl-Gomez die sich bietenden Torchancen aus.

In der zweiten Halbzeit hatte die Essener Verteidigung die Formel der Fortuna-Offensive schließlich gefunden. Düsseldorf war zwar weiterhin dominant, die Abwehr ließ aber nicht eine Torchance in der gesamten zweiten Hälfte zu. Essen blieb dabei angriffslustig. In der 70. Minute setzte sich Sandro Plechaty auf der rechten Seite durch und sah den freistehenden Amara Condé im Mittelfeld. Dieser nutzte seinen Freiraum und spielte einen perfekten tödlichen Pass durch die Düsseldorfer Abwehrreihe auf den eingewechselten Oguzhan Kefkir. Dieser zog sofort ab und trug sich ebenfalls in die Torschützenliste ein. Es stand, man konnte es gar nicht fassen, 3:1 für Rot-Weiss Essen.

In der 87. Minute brachte RWE die Düsseldorfer selbst wieder ins Spiel. Alexander Hahn zupfte am Trikot von André Hoffmann und dieser ließ sich theatralisch fallen. Es war eigentlich ein Allerweltszweikampf, aber Schiedsrichter Jöllenbeck entschied auf Strafstoß. Am Ende muss Hahn seine Hand im Strafraum weglassen, dann gibt es keinen Elfmeter, Düsseldorf konnte umgekehrt aber auch froh sein, dass Jöllenbeck pfiff, denn die wenigsten Schiedsrichter hätten den Elfmeter wohl gegeben. Wieder traf Hennings für die Fortuna, es stand 3:2.

Selbst die vier Minuten Nachspielzeit brachte die Defensive der Essener in Probleme und so jubelte RWE nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Jöllenbeck über den Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals. Dies bietet neben der nicht eingeplanten finanziellen Zuwendung auch eine weitere Möglichkeit, um RWE deutschlandweit zu zeigen.

Das war das Jahr 2020 und es wirkt, als würde Karma funktionieren. Nach den vielen Tiefschlägen und Niederlagen, die in Essen in den vergangenen Jahren erlebt wurde, hat so vieles in diesem Jahr geklappt, dass man mitunter meint, man befinde sich in einem Traum. Doch der DFB-Pokal ist nicht die erste Sorge der RWE-Fans, der Verantwortlichen und der Mannschaft, sondern es geht darum, den Traum vom Profifußball wiederzubeleben und dies ist der größte Wunsch, der RWE im Jahr 2021 verfolgt. Wollen wir so anfangen, wie die Hinrunde aufgehört hat und arbeiten wir gemeinsam dafür, dass dieser Traum Wirklichkeit wird.

Fotos by M.E.

Videos

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