Tellerrand Winterpause-Special

Die schier unendliche Leidenszeit für alle Fans des gepflegten Regionalligafußballs ist am Wochenende vorbei. 70 Tage, 22 Stunden und 15 Minuten mussten die Anhänger auf ihre Lieblinge verzichten – am Samstag jedoch, geht es endlich wieder los.

Eine durchaus turbulente Winterpause, mit Karnevalsklamauk im Bergischen, oder auch Bäumchenwechseldich-Spielchen bis zum Schluss, liegt hinter uns. Wir werfen einen Blick auf die Konkurrenz unserer Rot-Weißen und beleuchten die Neuzugänge der anderen Teams.


Beim Tabellenschlusslicht und Prügelknaben der Liga, der Reserve vom VfL Wolfsburg, gibt es keine Neuzugänge zu vermelden. Dem stehen die Abgänge, oder zumindest die Unterzeichnung von Profiverträgen der Spieler Phillip Kreuels und Sergej Karimow entgegen. Trainer Petar Houbtchev wird somit mit dem Kader der Hinrunde versuchen müssen, das anscheinend Unmögliche noch möglich zu machen. Im Fußball ist schließlich vieles möglich – so auch in der VW-Stadt?



„Lebensdauerkarten – hier erhältlich!“ – und das schon für schlappe 1000.- Euro – Schnäppchen oder Fass ohne Boden? Zumindest die kurzfristige Insolvenz konnte der krisengeschüttelte VfB Lübeck abwenden; zur Freude der Liga und der eigenen Fans. Nichtsdestotrotz steht den Hansestädtern das Wasser bis zum Hals. In der Tabelle liegen sie mit nur 17 Zählern auf dem vorletzten Platz. Um Geld zu sparen und dringend benötigtes Kapital locker zu machen, trennten sich die Lübecker zur Halbzeit der Saison von einem Großteil der Leistungsträger. Benjamin Baltes ist uns allen gut bekannt als „Neuer“ an der Hafenstraße. Dazu kommen Spieler wie Tobias Schweinsteiger, der sein Glück in Unterhaching versuchen wird, oder auch ein Mann wie Dustin Heun, welcher in Berlin bei Uwe Neuhaus anheuerte. Trotz knapper Kasse konnten die Lübecker mit Achim Hollerieth, den recht bekannten Oldie-Schnapper - und Kumpel von Benjamin Köhler, verpflichten. Keine Frage, für diese Saison ist die Messe in Lübeck gelesen. Dennoch sollten alle Fußballfans die Daumen drücken, dass die (Nord)Lichter nicht gänzlich erlischen.



In der Lausitz bei der Energie aus Cottbus wird weiterhin konsequent auf die Jugend gesetzt. So verstärken Peter Hackenberg, Richard Steiner, Heiko Schwarz und Tobias Reissig aus der A-Jugend das Reserveteam. Natürlich, außer für absoluter Insider, Nobodies! Aber dennoch brachte der eingeschlagene Weg die Cottbuser bis in diese Regionalligasaison und die RWE-Fans werden sich schmerzlich an die 0:1-Heimpleite zurück erinnern. Damals spielten die Rot-Weißen zwar selber nicht ihren besten Fußball, aber Cottbus agierte nicht wie ein Absteiger. Mit der forschen Art und dem Bewusstsein nichts zu verlieren zu haben, könnten die Energie-Bubis für die eine oder andere Überraschung sorgen.



Die Abteilung Attacke wurde im Winter beim SC Verl geblasen. Von fünf Neuzugängen sind vier Spieler für die Offensive geholt worden; bei 13 Treffern in der Hinserie mehr als verständlich. Lediglich Lionel Djebi-Zadi vom Nachbarn SC Paderborn ist seines Zeichens Verteidiger. Christian Knappmann (KFC Uerdingen), Babacar N'Diaye (Jena) und Ali Abou-Saleh (Germania Gladbeck) sind Vollblutstürmer – Musemestre Bamba (Lippstadt) immerhin noch offensiver Mittelfeldspieler. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Auch im Westfälischen wird sich stark gestreckt werden müssen um Platz 10 noch zu erreichen. Falls es nicht klappt, wäre es traurig – der Bratwurst wegen.



Im beschaulichen Potsdam schlug die Nachricht aus Berlin vom Wechsel ihres Spielmachers Shergo Biran ein wie eine Bombe. Der Spieler wollte unbedingt, Babelsberg natürlich nicht und in Berlin bestand man auf den unterschriebenen Arbeitsvertrag. Was folgte, war ein Tauziehen um den Spieler, bei dem am Ende die Eisernen siegten. Ob und wie hoch die Ablöse für Biran ausfällt, ist leider nicht bekannt. Aber sicher dürfte sein, dass die Babelsberger ihren wichtigsten Mann nicht für ein paar Hosenknöpfe abgegeben haben. Als Ersatz wurde Nadir Benchenaa verpflichtet. Er soll die Lücke stopfen, die Biran hinterlassen hat. Mit Civa, Fofie und Dreier verpflichteten die Landeshauptstädter noch drei weitere (unbekannte) Spieler. Ob das mal gut geht? Ach ja: Nadir Benchenaa wechselte von, und jetzt Achtung – Assyriska Föreningen Södertälje - zum SVB. Der erste Leser der diesen Vereinsnamen dreimal hintereinander fehlerfrei aussprechen kann, dem schenkt Jawattdenn einen Reise zu einem Heimspiel von Södertälje (mit dem Finger auf der Landkarte versteht sich!).



An der Elbe blickt man ebenfalls optimistisch in die Restsaison. Mit dem 18-jährigen Mamadi Keita wurde laut Sportdirektor Beiersdorfer ein „Riesentalent“ von den Blackburn Rovers verpflichtet. Sicherlich mit Perspektive Erste Mannschaft, aber Einsätze in der Regionalliga sind alles andere als ausgeschlossen. Ebenfalls neu am „Tor zur Welt“, sind Nick Hamann, Joseph Olumide und Benjamin Gorka. Kosi Saka hingegen verbringt die nächsten Monate bis zu den Sommerferien im idyllischen Jena. Acht Punkte bis zum rettenden Ufer sind eine Menge Holz – aber der jungen, talentierten Hamburger Mannschaft ist eine Überraschung zuzutrauen.



Von Ham- nach Magdeburg. Der FCM legte in der Winterpause nach und kaufte in erster Linie Erfahrung ein, die im Abstiegskampf wichtig werden könnte. So kam aus Cottbus Oldie und Routinier Steffen Baumgart, aus Siegen der tunesische Stürmer Najeh Braham und der Torschützenkönig der vergangenen Oberligasaison Christian Reimann von Sachsen Leipzig. Allesamt wichtige punktuelle Verstärkungen, die auch bei dem einen oder anderen Regionalligisten gerne gesehen worden wären. Mit Platz 13 stehen die Magdeburger weit unter ihren Erwartungen – dass die Mannschaft stark genug ist um über dem Strich zu landen, davon darf ausgegangen werden.



Der nächste Club ist ebenfalls weit, weit hinter den eigenen Erwartungen zurück geblieben. Vor der Saison zählten nicht wenige Trainer sie zum absoluten Aufstiegsfavoriten: Eintracht Braunschweig. Nach einer verheerenden Anfangsphase der Saison, konnten die Löwen sich langsam berappeln und Stück für Stück in Richtung Platz Zehn klettern. Dennoch ist dieses Ergebnis bei der vorhandenen Qualität mehr als enttäuschend. So wurde in der Winterpause nachgelegt: Kruppke, Bröcker, der ehemalige rumänische Nationalspieler Nastase (nicht der Tennisspieler!) und Skandalfußballer Kumbela wechselten an die Hamburger Straße. Braunschweig wird stark genug sein, um den Klassenerhalt zu schaffen – aber nur, wenn hausgemachte Querelen ausbleiben.



Im schönen Westfalen bei RW Ahlen liegt man auf Platz Elf und damit im Rahmen der Erwartungen. Mit Ronald Maul und Daniel Chitsulo wurden zwei bekannte Akteure verpflichtet. Sollte Lars Toborg mal ausfallen, geht das Ahlener Schiff allerdings schneller unter als Heiko Bonan im Sommer „wildern“ konnte. Ahlen wird wohl Viertklassig werden.



Kräftig nachgelegt – was Namen angeht – haben auch die Eisernen aus Berlin. Uwe Neuhaus lotste mit Shergo Biran, Dustin Heun aus Lübeck und Marco Löring, der auch bei RWE im Gespräch war, drei namhafte Spieler an die alte Försterei. Den Club verlassen dagegen Marco Zschiesche und Ingo Wunderlich, die in Richtung Oberliga wechselten. Damit haben die Berliner nochmal kräftig nachgelegt. Schon zu Saisonbeginn wurde alles auf die Karte „Dritte Bundesliga“ gesetzt, weswegen mehrere Geschäftsstellenmitarbeiter ihren Posten räumen mussten. Wenn es aber normal läuft an der Spree, werden die Unioner ihre Ziele erreichen.



Auf Shoppingtour in Jena war Dynamo Dresdens Trainer Eduard Geyer. Der ehemalige Nationaltrainer der DDR-Auswahl bracht mit Christian Person einen neuen Torwart mit. Er ist der Ersatz für den an der Schulter verletzten Oliver Herber. Einen Neuanfang hingegen versucht Sebastian Helbig. Nachdem es für ihn in Jena zu Saisonbeginn noch recht gut verlief, wurde auf seine Dienste im weiteren Verlauf mehr und mehr verzichtet. In Dresden möchte er nun seinen zweiten oder dritten Frühling aufblühen lassen – und dass mit erst 30 Lenzen. Keine Frage hingegen dürfte die Qualifikation für die schwarz-gelben darstellen. Läuft es optimal, ist vielleicht noch mehr drin.



Mit Daniel Cartus und Dennis Torniepoth verstärkte Kickers Emden das Mittelfeld, in der Hoffnung noch mal in den Aufstiegskampf einzugreifen. Nach zuletzt drei Niederlagen und einem Unentschieden, verloren die Norddeutschen wichtigen Boden auf die Spitzenplätze. Bleibt in der Rückrunde die Heimstärke bestehen, haben die Kickers allerdings noch allen Grund auf den Aufstieg zu hoffen. Als Geheimtipp gestartet, zeigten die Emder, dass sie ein ernst zu nehmender Kandidat für den Aufstieg sind.



Nicht kleckern, sondern klotzen lautet das Motto in Düsseldorf. Die Fortuna verstärkte sich mit Olivier Caillas und Kenan Sahin. Auch auf der Trainerbank gab es einen Wechsel. Für den geschassten Uwe Weidemann, griffen die Landeshauptstädter noch mal tief in die Tasche und holten den Nachwuchsschauspieler und ehemaligen Bundesligatrainer Norbert Meier. Betrachtet man nur die Namen, so haben die Fortunen einen der stärksten Kader der ganzen Liga – aber für den Aufstieg muss alles passen, und zwar haarklein – sonst bleibt Düsseldorf auch nächste Saison in Liga Drei.



Ohne Neuzugänge müssen Thomas Wolter und seine Mannschaft auskommen. Die Reserve von Werder Bremen steht auf dem fünften Platz und peilt die Qualifikation für die neue Dritte Liga an. Dortmunds Theo Schneider darf sich dagegen über prominente Verstärkung freuen: Lars Ricken kommt von „oben“ und soll in der Regionalliga weiterhin Spielpraxis sammeln. Ob Ricken allerdings ein Pflichtspiel bestreitet, ist offen – er weilt derzeit in den USA und flirtet mit dem MLS-Ligisten Columbus Crew.



In Oberhausen stehen die Zeichen auf Durchmarsch. Nach dem Aufstieg in dieser Saison in die Regionalliga, soll der nächste in die Zweite Liga gelingen. Trainer Bruns hingegen wird nicht müde zu betonen, dass nur die Qualifikation für die neue Dritte Liga gilt. RWOs Stärke ist die mannschaftliche Geschlossenheit, mit der alles möglich zu sein scheint. Mit Tobias Schäper hat man sich noch einmal in der Winterpause verstärkt. Was am Ende herausspringt ist schwer abzusehen, aber nach der beeindruckenden Hinrunde würde es nicht verwundern, sollte Oberhausen die Sensation schaffen.



Hiobsbotschaft für Erfurt: Da Zweitligist Paderborn ihren Trainer Holger Fach schassten, verlieren auch die Thüringer ihren Trainer. Pavel Dotchev packte in einer Nacht- und Nebelaktion seine Klamotten und folgt Paderborns Ruf in die Zweite Liga. Dotchevs Nachfolger ist der bisherige Co-Trainer Heiko Nowak. Sportlich hingegen sieht es in Erfurt viel besser aus: Platz Zwei mit 35 Punkten, der beste Sturm der Liga und Neuzugänge wie Laumann oder Hampf lassen die Thüringer weiter auf den Aufstieg hoffen.



Beim Tabellenführer Wuppertal ist mal wieder Leben im Haus. Da wird der sportliche Leiter Achim Weber zur Reservetruppe degradiert, bevor er den Verein mit Wut im Bauch ganz verlässt. Für ihn wird der Ex-Trainer Georg Kreß geholt (der damals vom Hof gejagt wurde). Kurz vor Torschluss flüchtet auch noch der Spielmacher Lintjens nach Paderborn und kurze Zeit später feuert Präsident Runge auch noch Trainer Jerat. Verständlich jedoch, sieht man das Wuppertal enttäuschend nur Tabellenführer ist. Als Außenstehender nur unverständlich – selbst Insider dürften sich nur verwirrt am Kopf kratzen. Sportlich wurde mit Lorenzon, Völzow, Narewsky und Schulp noch mal nachgelegt, um das große Ziel – den Aufstieg – zu erreichen. Wie und ob der Weggang von Lintjens kompensiert werden kann ist fraglich. Stehen die Bergischen sich weiterhin selber im Weg, wird es nichts mit dem Aufstieg.


(tz)