klapp … schnapp
klapp … schnapp
klapp … schnapp

Gähnende Langeweile schwebte atmosphärisch durch den Dunst der Stadiongaststätte. Nicki Hirte und Loddar Saltatorius starrten stumpfsinnig vor sich in ihre halbleeren Biergläser. Vom Tresen her tönte das Geräusch des undichten Wasserhahns, der in regelmäßigen Abständen Tropfen an das Spülwasser im Becken abgab. Willi spielte eines der typischen Kneipenspielchen, mit denen für gewöhnlich die Zeit totgeschlagen wird, wenn alle Worte gesagt, alle Probleme gewälzt, alle Politiker gescholten und alle Sorgen ausgekotzt sind. Er legte ein ums andere mal einen kleinen Stapel Bierdeckel so an den Rand des Tisches, dass er zur Hälfte über die Tischkante ragte. Mit vier Fingern der Rückhand schlug er unter den Stapel. Der flog in die Luft und drehte sich dabei um 180 Grad. Mit dem obersten Deckel zuunterst wäre er wieder auf den Tisch geplumpst, wenn Willi ihn nicht zwischen Daumen und den vier Fingern der gleichen Hand komplett aufgefangen hätte. Nach jedem erfolgreichen Versuch wird ein weiterer Bierfilz draufgelegt.

klapp … schnapp … schepper

„Schei ... benkleister!“

Der Versuch mit 23 Deckeln scheiterte kläglich. Immerhin war Willi so reaktionsschnell, dass er das bedenklich wankende Bierglas gerade noch festhalten konnte. Aber es war inzwischen leer. Der Inhalt verteilte sich über den Stammtisch.

„Mann, ist das öde hier!“ meldete sich Loddar Saltatorius zu Wort. Sie langweilten sich zu Tode.

„Nichts ist mehr los mit uns! Wir drehen uns im Kreis. Immer die gleichen ausgelutschten Gags. Seit Monaten ist uns keine Stammtischepisode mehr eingefallen. Und wo ist eigentlich Ralf?“

Nikolaus Hirte, der Geschäftsführer des Vereins, zuckte ratlos mit den Schultern. Alles an ihm – Körperhaltung und Gesichtsausdruck – bestätigten sein Unwissen. Lediglich ein Blitzen in den Augen schien nicht ganz dazu zu passen.

Ralf Hummelmann, Präsident von Rot-Weiss Essen und verschworener Freund der Stammtischrunde, war seit Wochen nicht mehr am Lieblingsplatz des Quartetts gesichtet worden.

„Ich hab’ ihn mehrmals am Flughafen gesehen! In Lohhausen.“
Die Mitteilung Willis schlug ein wie eine Bombe.

„Und du hast ihn nicht angesprochen?“ wollten Nicki und Loddar wissen.

„Erst nicht! Er sah so seltsam aus. Er stand da in blauer Latzhose, mit einer uralten abgeschabten Lederaktentasche unterm Arm und mit einem Henkelmann in der Hand. Ihr wisst schon, für den Eintopf. So wie früher die Bergleute zur Schicht sind, im Pütt.“

„Merkwürdig!“

„Richtig! Und deshalb habe ich ihn beim letzten Mal schließlich doch angesprochen. Er hat mir erzählt, er sei jetzt arbeitslos. Seinen Job als Hausmeister im Bundestag habe er verloren. Als Tagespendler bessere er jetzt seine Hartz IV Bezüge auf tunesischen Orangenplantagen etwas auf.“

„Das darf doch nicht wahr sein!“ entsetzte sich Loddar, das Fanidol. „Und uns sagt er kein Wort. Wir sind doch seine Freunde!“
Nicki Hirte aber grinste in sich hinein. Er konnte sich nicht beherrschen, so dass ein verräterisches Zucken in seinen Mundwinkeln sichtbar wurde. Als ihn die beiden anderen unvermittelt ansahen, wurde er sofort wieder todernst. Aber zu spät! Loddar hatte das bemerkt.

„Du weißt doch was!“ schöpfte er Verdacht. „Los, raus mit der Sprache! Da stimmt doch was nicht!“

„Also gut!“ Hirte gab nach. „Ralf ist natürlich nicht arbeitslos. Im Gegenteil. Unermüdlich setzt er sich für den Verein ein.“

„Sucht er neue Spieler?“

„Nein! Nachwuchs für unsere Stammtischrunde. Ihr sagt ja selber, dass es keinen Witz mehr gibt, den wir noch nicht gerissen haben. Und bevor sich unsere Humorlosigkeit dem aktuellen Tabellenstand anpasst, brauchen wir eine geistige Blutauffrischung, um verbale Inzucht zu verhindern. Ralf sucht einen fünften Mann für uns.“

In diesem Moment waren Geräusche aus dem Treppenhaus zu hören. Die Tür zur Vereinskneipe wurde aufgestoßen. Herein trat Ralf Hummelmann. Ihm dicht auf den Fersen folgte …

„Oddo!“

Loddar und Willi stand der Mund offen.

„Oddo ‚Herakles’ Heragel! Mensch, was machst du denn hier in der Heimat?“

Die Antwort gab der Präsident: „Oddo möchte nach Hause. Seine Zeit in Griechenland ist bald zu Ende. Und jetzt will er in der Heimat wieder Fuß fassen. Darum bewirbt er sich um einen Platz bei uns am Stammtisch, um nicht von Anfang an ohne Freunde dazustehen.“

„Genau!“ meldete sich Nicki Hirte zu Wort. Sofort war er als Geschäftsführer wieder in seinem Element. „Wir haben uns gedacht, wir spielen ‚Zimmer frei!’ Ihr kennt doch die Kultsendung aus dem WDR, in der Christine Westermann und Götz Alsmann jeweils einen Gast portraitieren, der sich um einen freien Platz in einer imaginären Wohngemeinschaft bewirbt. Am Ende stimmt das Publikum ab, ob er in die WG aufgenommen wird oder nicht. Heute dürfen unsere Leser abstimmen, ob Oddo künftig am Stammtisch Platz nimmt. Wir verteilen die Rollen. Loddar übernimmt den Part von Christine.“

„Ich bin doch keine Frau!“

„Nein! Hör doch zu! Du sollt nur ihre Rolle übernehmen. Willi macht diesen vorlauten durchgeknallten Köter. Vivaldi – oder wie der heißt.“

„Williwaldi, wenn ich bitten darf!“

„Meinetwegen. Und ich schlüpfe in die Rolle von Götzilein.“

„Und was habt ihr mit mir vor?“ meldet sich Hummelmann aus dem Hintergrund.

„Du bist übrig!“ schmunzelte Willi.

„Herr Übrig? Den habe ich in der Zimmer-frei-Sendung nie gesehen. Wer ist denn das?“

„War nur Spaß, Ralf“, beruhigte Nicki seinen Präsidenten. Du machst all die anderen Scherze, wie zum Beispiel das Bilderrätsel. Unser Wirt, der Domian, schlüpft in die Rolle des Kochs, der immer das Wunschessen des Gastes herrichtet. Und damit sind wir auch schon bei der ersten Szene. Darf ich euch zu Tisch bitten?“

Inzwischen war der Stammtisch festlich gedeckt worden. Gläser funkelten, Kerzen brannten und das Essen duftete bereits auf den Tellern. Die Freunde nahmen Platz. „Götzilein“ Hirte eröffnete das portraitierende Gespräch.

„Es gibt Currywurst mit Pommes Schranke. Wie im Stadion. Dazu ein kühles Helles von Stauder. Warum hast du dir das gewünscht, Oddo? Kannst du die griechische Küche nicht mehr ab?“

„Das eigentlich nicht. Calamares, Tsatsiki, gefüllte Weinblätter und all die leckern Sachen schmecken mir eigentlich ganz gut. Trotzdem zieht es mich zur heimischen Küche zurück.“

„Du wurdest in letzter Zeit oft mit deiner Frau zusammen an der Hafenstraße gesehen. Sollten die Anflüge von Heimweh etwa familiäre Gründe haben?“

„Zugegeben, Kulinarisches und Familiäres mischen sich bei uns. Meine Frau, die Bärbel …“

„Bärbel? Ich denk’, die heißt Beate.“

„Sag ich doch! Beate! Also, meine Frau fühlt sich in Griechenland nicht mehr so wohl. Ich hab mich wahrscheinlich zuviel um die Nationalmannschaft gekümmert und sie dagegen etwas vernachlässigt. Ich habe mit dem griechischen Verbandspräsidenten darüber gesprochen. Der meinte, ich solle mit meiner Frau mal richtig romantisch essen gehen. Aber das war vielleicht eine Pleite, sag ich euch. Danach hat die Barbara …“

„Beate!“

„Sag ich doch! Beate! Also, anschließend ist die Beate erst recht auf die Barrikaden.“

„Was haste denn gemacht?“

„Ich habe sie zu einem Candlelight-Döner eingeladen. Schließlich waren nicht nur sie sauer, sondern auch die Griechen. Gyros heißt das nämlich bei denen und nicht Döner. Sie meinten, ich soll mich langsam nach einer neuen Beschäftigung umschauen, wenn mir das Essen bei ihnen nicht schmeckt.“

In diesem Moment brachte Wirt Domian den zweiten Gang des Abendessens. Er stellte Frikadellen mit Senf auf den Tisch.

„Ich hätte gerne noch ein Brötchen zu meiner Frikadelle“, reklamierte Oddo.

„Ist schon drin!“

„Nein, ich meinte, ein Brötchen zusätzlich.“

„Ist auch schon drin.“ Domian stapfte davon.

„Nun gut“, wechselte Nicki Hirte das Thema. „Kommen wir zum nächsten Punkt unseres Abends. Bei ‚Zimmer frei’ wird Hausmusik gemacht. Der Gast muss ein Lied vortragen. Komm mal mit, Oddo! Ihr anderen auch!“

Die Freunde schlenderten zum Klavier hinüber. Man muss wissen, RWE verfügt als einziger Profiverein über ein richtiges Klavier in der Stadiongaststätte, damit spontane Freudengesänge bei rot-weissen Siegen ‚tastend’ in geordnete Bahnen gelenkt werden können. In letzter Zeit war das Instrument allerdings oft verstummt. Verstimmt auch.
Nicki Hirte, als Allroundtalent und als einziger, der Noten lesen kann, auch für diesen Bereich des rot-weissen Vereinslebens zuständig, setzte sich auf den runden Klavierhocker und stimmte die ersten Takte an. Oddo bekam einen Liedtext in die Hand gedrückt, den er, melancholisch verträumt, sofort mitsummte. Und dann ging’s los. Seine von vielen Zwischenrufen an den Seitenlinien seines Lebens inzwischen etwas angegriffenen Stimmbänder krächzten das Lied mehr, als dass sie es sangen.

Griechischer Wein
Ist so wie das Blut der Erde
Komm schenk dir ein
Und wenn ich dann traurig werde
Liegt es daran
Dass ich immer träume von daheim
Du musst verzeihn

Griechischer Wein
Und die altvertrauten Lieder
Schenk noch mal ein
Denn ich fühl die Sehnsucht wieder
In dieser Stadt
Werd ich immer nur ein Fremder sein und allein

„So Oddo, damit wir dich auch emotional in die Heimat holen, singst du jetzt von diesem Schlager die Version des Ruhrgebiets, die Jürgen von Manger, alias Adolf Tegtmeier, so unnachahmlich interpretierte!“

Noch einmal griff der Geschäftsführer in die Tasten. Nach wenigen Takten begann Oddo zu singen. Hummelmann, Erpel Leppins und Loddar Saltatorius stimmten ein und schon bald erfüllte eine seltsame emotionale Mischung von Heimat und Sehnsucht die Atmosphäre des Lokals.

Et war schon düster als ich Montachabend nach Hause ging
da sah ich wie ‘er Attur noch bein Jupp inne Kneipe ging.
Ich hatte Durst, und mir war kalt – da ging ich rein.
Der Attur saß schon vor sein‘ Bier und sachte: "Menschenskind.
Wat machse hier, wo du sonst schon längst bei de Frau zu Hause sitzt?"
Doch dann sacht: er: "Jupp, schütt dem Adolf auch ein' ein!"

Bottroper Bier isso wie der Saft für't Leben
Hier im Revier tut man manchmal gern' ein' heben
Und an so ein' Tach kriecht man zuhause meist noch Krach
dat ich nich' lach'!
Bottroper Bier, und dann fängs'e schnell am Singen
Hier im Revier tun die Gläser kräftig klingen
Der Gerstensaft gibt Dir wieder neue Kraft
bisse abgeschlafft.

Als der letzte Ton verklungen war, blieben sie einige Augenblicke ergriffen sitzen und hingen verträumt ihren Gedanken nach. Mit einer wortlosen Geste lenkte Hirte schließlich die Freunde zu einer Sitzgruppe, die in der Gaststätte aufgebaut worden war. Sie nahmen Platz. Besuch von außen war angesagt. Vivaldi, die altkluge Töle, sollte jetzt ihren großen Auftritt haben. Und da kam Willi „Erpel“ Leppins auch schon hereingehüpft. Auf allen Vieren, mehr hoppelnd wie ein Hase, aber immerhin andeutend, dass er des aufrechten Ganges nicht ganz mächtig ist. Das konnte allerdings auch auf den übermäßigen Genuss von Stauder beim Abendessen zurückzuführen sein. Auf dem Kopf hatte Willi eine dieser sibirischen Wintermützen, bei denen man die Ohrschützer über dem Kopf zusammenknoten kann. Der Knoten war gelöst und die Schutzlappen hingen ihm wie Hundeohren am Kopf.

„Hallo, Leute! Hallo, Oddo!“

„Hallo, Vivaldi!“

„Williwaldi! Wenn ich bitten darf! Ich dachte, wir beschäftigen uns mal mit den verbalen Geistesblitzen unseres Gastes. Obwohl ich finde, dass weder Geist noch Blitz wirklich treffende Bezeichnungen sind. Also, Oddo, was hältst du eigentlich vom Doping im Fußball?“

„Doping im Fußball nützt garnix“, meinte Oddo, worauf vor allem die beiden Stammtischfreunde zufrieden kuckten, die für die Leitung des Vereins zuständig waren. Hatten Hummelmann und Hirte etwa mehr mit Oddo Heragel vor, als ihn nur in den Stammtisch zu integrieren? Aber der Schock folgte auf den Fuß.

„Nein, im Fußball nützt es nicht. Das Zeug muss in die Spieler!“
Entsetzen auf den Gesichtern.

„War nur en Scherz!“ erklärte Willi, der Oddo sehr gut kannte. Dieser nickt auch gleich zustimmend. „Tatsache aber ist, dass du im Zusammenhang mit Doping mal geäußert hast …“

„Richtig! Was braucht meine Mannschaft Doping? Sie hat ja mich.“
Schmunzeln auf allen Gesichtern. Wer in Gesichtern lesen und Mimik deuten kann, musste spätestens jetzt merken, dass unsere Protagonisten mehr von Oddo erwarteten, als nur die Erweiterung der Stammtischrunde. Von ihm ging ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor aus. Etwas, was der Verein in der jetzigen Situation dringend brauchte.

„Oddo, wie schätzt du die Chancen unserer Mannschaft ein? Ist der Klassenerhalt noch möglich?“

„Ohne Frage, die Jungs haben Potenzial. Doch das haben euch ja alle Trainer der letzten Zeit und selbst Olaf Granulat von Revierspott längst bescheinigt. Dennoch sind auch Schwächen offensichtlich. Die Jungs spielen am besten, wenn der Gegner nicht da ist. So ist es im Fußball, mal verliert man und mal gewinnen die anderen.“

„Sollen wir in weitere Spieler investieren?“

„Mit Maßen! Geld schießt keine Tore. Wenn ihr heute fünf Talente einbaut und mehrere Spiele hintereinander verliert, dann lassen die Leute an den Blumen, die sie euch zuwerfen, plötzlich die Töpfe dran.“

„Und wie würdest du unsere Jungs mal so richtig ran nehmen? Mit handfester Demokratur, wie ich dich kenne.“

„Richtig! Jeder kann sagen, was ich will.“

Williwaldi hatte einen schlechten Tag erwischt. Normalerweise für Kalauer und blöde Sprüche zuständig, stahl ihm Oddo heute die Schau. Er gab darum schnell auf und forderte Loddar auf, mit Heragel an die Theke zu gehen. Dort sollte er sich weiter mit dem Gast unterhalten und seine Karriere beleuchten. Oddo und ‚Christine’ nahmen am Tresen Platz.

„Oddo, du giltst als einer der erfolgreichsten Trainer Deutschlands. Aber deine Karriere begann alles andere als erfolgreich.“

„Jedenfalls fielen mir die Erfolge nicht in den Schoß. Ich musste sie hart erarbeiten. Nicht so wie beim Kaiser Franz. Der muss einfach geboren werden und schon gelingt ihm alles, was er anpackt. Aber ich bin ja nicht umsonst ein Kind des Ruhrpotts. Malochen sind wir ja gewohnt.“

„Vielleicht stammen daher auch deine unterschiedlichen Spitznamen. An deine zwölfjährige Karriere als Profispieler – unter anderem bei Rot-Weiss Essen – schlossen sich mehrere Trainerstationen an. Sagen dir die scherzhaft wohlwollenden Bezeichnungen noch etwas? Oddo ‚Torhagel’ zum Beispiel.“

„Hehe, den Namen bekam ich als Trainer von Borussia Dortmund. 0:12 haben wir damals gegen Gladbach verloren. Und obwohl ich unseren Torhüter so gut angewiesen hatte, einen Treffer nach dem anderen reinzulassen, ist es uns leider nicht gelungen, die Meisterschaft des FC Köln zu verhindern.“

„Oddo II. – König Oddo, der Zwote?“

„Das war in meiner Bremer Zeit. Dort war ich 14 Jahre tätig. Damals knabberten wir sehr oft am Meisterthron. Aber es gelang uns anfangs nie, ihn zu besteigen. Lediglich einige Pokalsiege konnten wir verzeichnen. Erst gegen Ende meiner Bremer Zeit hatten wir die Nase vor den Bayern.

„Und dann ist da noch der Name ‚Herakles’.“

„Diese Bezeichnung verdanke ich dem überraschenden Erfolg der Griechen bei der Europameisterschaft. Ich wurde zu ihrem Nationalhelden gekürt, ja verklärt zu einer Größe aus der Mythologie.“

„Herakles“, ergänzte Loddar, „ist die griechische Gottheit der Ballbehandlung. Vielleicht wurde ja schon in frühester Kindheit der Grundstein für deine spätere Karriere gelegt. Wenn ich mich recht entsinne, spieltest du als junger Spieler bei TuS Helene Essen. Da musste dir doch schon eine Ahnung kommen wohin das Leben dich führt.“
Geschäftsführer Nikolaus Hirte unterbrach das Gespräch. „Genug gelabert! Wir kommen zum nächsten Programmpunkt, dem ultimativen ‚Zimmer frei’ …“

„… Bilderrätsel!“ schrieen alle im Chor.

Jetzt war der Präsident am Zuge. Ralf Hummelmann trat aus dem Hintergrund nach vorne. In der rechten Hand hatte er eine Spielkarte aus einem normalen Skatspiel. In der Linken das Foto einer bekannten Persönlichkeit der Medienlandschaft; weiblich. Mit den Zähnen hielt er eine Taschenlampe, deren Strahl er krampfhaft auf die Spielkarte richtete.

„Nun rate mal, Oddo!“ forderte Nicki den Gast auf. „Es hat was mit Fußball zu tun.“
Oddo stand auf der Leitung und kam nicht drauf, was Hummelmann darstellte. Nicki half nach:

„Was hat Ralf in der rechten Hand?“

„Na, ein As. Bloß ich versteh nicht, was das bedeutet.“

„Und warum leuchtet er mit der Taschenlampe drauf?“

„Keine Ahnung!“

„Na, was wäre denn mit dem As, wenn er die Taschenlampe ausschaltet?“

„Dann wäre es dunkel. Ah …! Ich kapier, das As ist hell!“

„Und wen erkennst du auf dem Foto?“

„Hm? Die hab’ ich schon mal gesehen. Feldbusch heißt die, glaube ich.“

„Falsch! Hieß die! Jetzt heißt sie Pooth! Aber es ist die richtige Person. Nur suchen wir den Vornamen.“

Heragel grübelte und grübelte. Blitzartig hellt sich plötzlich seine Miene auf. „Ich hab’s! Mit Fußball hat es zu tun, sagst du? Hellas Veronika, ein Fußballverein! Das ist es!“

„So ähnlich! Verona heißt die Frau und Hellas Verona der Verein. Mit Frauennamen hast du es nicht so. Stimmts?“

„Sagt meine Babette auch immer!“

„Beate!

„Sag ich doch! Beate! Aber seit wann liegt Verona in Griechenland?“

„Au, Mann, lassen wir das lieber und kommen zum Schluss! Wir spielen jetzt ein Video ein, auf dem ein guter Bekannter von dir zur unverzichtbaren Lobhudelei ansetzt, bevor wir abstimmen, ob du bei uns das fünfte Rad am Wagen …“
Weiter kam er zum Glück nicht, weil es auf dem Bildschirm bereits flimmerte. Ewald Lienen durfte sich wohlwollend über Oddo Heragel auslassen. Einst Spieler und jetzt Trainerkollege. Er verband mit König Oddo schmerzhafte Erinnerungen.

„Ich kann Rot-Weiss Essen einen Mann wie Oddo ‚Herakles’ Heragel nur gönnen. Genau so einen braucht ihr. Knallhart, kompromisslos, unnachgiebig, mit Biss. Wer ihm begegnet, behält bleibende ‚Eindrücke’. In meinem Fall in Form einer 30 cm langen Risswunde am Oberschenkel. Nun, wenn ich ehrlich bin, stammte sie nicht von ihm direkt. Der Bremer Norbert Siegmann hat sie mir verpasst. Ich habe lediglich behauptet, Oddo sei Schuld dran. Ich meinte, genau gehört zu haben, wie er dem Spieler zugerufen hat: ‚Hau ihn um!’ Wie dem auch sei – Schwamm drüber! Denn Oddo ist auch Mensch. Nicht ganz der Knallharte, als der er sich immer gibt. Im Vorfeld des Rückspiels in Bielefeld gab’s Morddrohungen. Da hat er sich ’ne schusssichere Weste angezogen. Hat wohl doch Muffensausen gehabt. Charakteristisch für seine Arbeitsweise: Er beansprucht überall die alleinige Autorität in sportlichen Belangen. In Bremen und Lautern wurde ihm die eingeräumt. Dort hatte er auch Erfolg. In München war das nicht möglich, da bekam er Probleme. Seine Mannschaften mussten verschworene Gemeinschaften sein. Einflussnahme von außen duldete er nicht. Daraus folgt logischerweise ein angespanntes Verhältnis zu den Medien, was ihn andererseits wieder sehr sympathisch macht. Ich kann es nur mit der alten Versandhauswerbung sagen: ‚Oddo? – Find ich gut!’“

„Und das war’s auch schon, liebe Leser. Nun seid Ihr am Zug. Ihr dürft abstimmen, ob Oddo künftig Mitglied der Stammtischrunde wird.“

„Moment, ich hab’ noch eine Frage“, fiel Heragel dem moderierenden Geschäftsführer ins Wort.

„Wieso heißt diese Episode ‚Zimmer frei’, wenn ihr mir einen Platz am Stammtisch anbietet?“

„Oddo, da hat man dich wohl nicht umfassend genug informiert“, erläuterte Hummelmann. „Mit dem Stammtischplatz ist tatsächlich ein freies Zimmer verbunden. Da der Stadionneubau nun für einige weitere Spielzeiten ins Stocken gerät, müssen wir unsere alte Ruine wenigstens finanziell über Wasser halten. Wir vermieten solange die legendäre Bude unter dem Tribünendach, die Willi seinerzeit bewohnte, als er bei RWE spielen durfte. Hehe!“


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(ks