22.10.2009

Rot-Weiss Essen - Preussen Münster


Eingerahmt von den drei Erzrivalen Osnabrück, Bielefeld und Essen schlummert im Herzen Westfalens die Provinzmetropole Münster und dort der Vizemeister von 1951, der SC Preußen Münster 1906 e.V.

Lediglich Essen ist nach Jahren des Vegetierens in niederen Ligenregionen noch geblieben, um bei den Fans des SCP Preußen Münster echtes Derbyfieber zu entfachen.

Die beiden Siege gegen die Rot Weissen in der vergangenen Saison sind die einzig wirklich befriedigenden Erinnerungen an, eine aus Münsteraner Sicht, ansonsten total verkorkste Spielzeit.

Zu Beginn der neuen Runde verstärkte sich der SCP mit namhaften 4.-Ligastürmern wie Samy el Nounou und Wojciech Pollok um das überdeutliche Versemmeln von Torchancen zu kompensieren. So ging man euphorisch und als selbsternannter Titelfavorit in die nächste Runde. Entgegen aller Erwartungen fand man sich Anfang September nach vier Niederlagen auf Tabellenplatz 17 wieder.

Die Fans liefen Sturm oder verzweifelten einfach. Alle Hoffnung auf den Traum Aufstieg schien dahin. Schreie nach einem Trainerwechsel verpufften ob der rentengleichen Vertragsgestaltung und des beschränkten finanziellen Spielraumes.

Aber nach einer grandiosen Serie von 16 Punkten aus sechs Spielen in Folge und einem wirklich beeindruckenden 4:0 über die Moselkicker steht Preußen nun auf Platz 3 der Tabelle in Schlagweite auf die Überraschungsdorfmannschaft vom Autobahnkreuz.

Und nun geht es nach Essen!

Rot Weiss Essen vs. Preußen Münster. Das ist der Stoff aus dem Dritt- und Viertligastories gebastelt werden: Mehr als 60 Pflichtspiele absolvierte man in den letzten 60 Jahren gegeneinander. Das nenne ich mal gewachsene Rivalität!

Für die „Alten" unter uns waren das absolute Saisonhighlights: Der Fußmarsch vom Borbecker Bahnhof zum Georg-Melches-Stadion war in jeder Beziehung immer wieder ein Erlebnis.

Oder am 18. Mai 2002 als 8000 Essener erst an der Hammer Straße und später im gesamten Stadtgebiet von Münster ihren Frust über den verpatzten Aufstieg abließen. Spätestens seit diesem Tag ist das letzte bisschen Sympathie für den Gegner endgültig verspielt.

Liest man derzeit in den einschlägigen Foren auf beiden (!!) Seiten, so bekommt man allerdings das Grausen. Was dort an Häme, Spott, verbalen Gewaltexzessen und stumpfer Stupidität abgelassen wird, ist mit Rivalität nicht mehr zu erklären.

Das Münsteraner katholisch, spießig und naiv sind und Essener im Gegenzug atzig, aggressiv und dumm, sind hierbei nur die Spitzen riesiger Klischee-Eisberge im Eismeer der 4. Liga.

Ja, manchmal tat es zuletzt so richtig gut im Garten zu sitzen, Radio Hafenstrasse zu lauschen und sich köstlich über die Art und Weise der Berichterstattung zu amüsieren. Wenn dann Essen mal wieder verlor und legendäre Größen wie Strunz und Middendorp anschließend ihren Senf dazugaben und man im Hintergrund gegen ihr eigenes Team pöbelnde Essener Atzen hörte, dann fiel einem das Ertragen der eigenen beschissenen Situation in der Bedeutungslosigkeit für einen kurzen Moment leichter.

Voller Gäasteblock scheint garantiertDann vergaß man kurz, dass wir auch nur Mittelmaß des Mittelmaßes sind, dass unsere Fanszene teilweise durch die Polizei voreinander beschützt werden muss, dass in unserer Liga entweder Bauernkäffer oder Zweitvertretungen den Ton angeben und dass die Bratwurst und das Bier in unserem teilrenovierten Altbaustadion auch seit 30 Jahren noch nicht schmecken.

Die Preußen werden am Samstag mit rund 3000 Leutchen in Essen aufschlagen und durch den Umstand, dass sie in einem Block zusammengepfercht werden auch den Eindruck eines geschlossenen und lauten Supports erwecken.
Die beiden am weitesten auseinander stehenden Gruppen links und rechts im Block (oder oben und unten?) sind übrigens unsere Ultras.

Essen und Münster. Zwei völlig verschiedene Vereine aus zwei völlig verschiedenen Städten mit sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als man wahrhaben möchte.

Felix Genn, der populärste Wechsel von Essen nach Münster und überaus beliebte neue Bischof hat auf meine Mailanfrage nach einem Ergebnistipp leider nicht geantwortet. Vermutlich hätte er den sinnfreien Spruch: „Möge der Bessere...." zurückgeschrieben.

Weder die Preußen noch die Essener werden diesem pseudosalomonischen Urteil beipflichten.
Wie auch immer. Es geht um viel: Für Essen ist dies wohl die allerletzte Chance sich nach oben zu orientieren, bei einer Niederlage muss man sich um den Klassenerhalt kümmern. Für Preußen ist ein Sieg Pflicht, um auf Tuchfühlung zur Spitze und seinen selbst gesetzten Zielen zu bleiben. Bei einer Niederlage würde man mit arg ramponiertem Selbstbewusstsein und deutlichem Rückstand nach oben gegen Leverkusen und Spitzenreiter Lotte antreten müssen.

Schwecht Bambonum


Schwecht Bambonum (bedeutet in der alten Münsteraner Sprache Masematte „Gruppe Aufruhr") bloggt über Preußen Münster unter www.meinscp.blogsport.de.

SB lebte Anfang der 90er zwei Jahre in Essen Altendorf und ist eng mit dem Ex-Preußen und Ex-Essener Heiko Ueding befreundet.