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2020/2021 - Regionalliga West

Rot-Weiss Essen – SV Lippstadt (5:0)

Im vierten Anlauf hat es dann geklappt und der SV Lippstadt trat endlich zum Meisterschaftsspiel an der Hafenstraße an. Dort gab es aber nix holen und RWE schickte die Ostwestfalen mit 5:0 wieder in Richtung Heimat. Punkte- und Tordifferenzabstand auf Dortmund weiter verkleinert, da geht noch was. Die ersten Fotos sind online, der Rest folgt.

Vorbericht

Das Nachholspiel des 27. Spieltags am Mittwochabend dürfte im rot-weissen Lager ein Deja-Vu hervorrufen: Nur vier Tage nach dem 4:0-Heimsieg gegen Bergisch Gladbach steht erneut ein Heimspiel gegen einen Abstiegskandidaten mit einem sehr jungen Trainer auf dem Programm. Felix Bechtold übernahm im Juli 2019 im Alter von 28 Jahren das Kommando beim SVL und steht im Abstiegskampf mächtig unter Druck. Analog zum letzten Gegner der Rot-Weissen beendete auch Lippstadt die abgebrochene Saison 2019/2020 auf einem Abstiegsplatz und erhielt durch den ausgesetzten Abstieg eine zweite Chance, den Sturz in die Oberliga abzuwenden. Acht Spiele bleiben den Lippstädtern noch, sich vom achtzehnten Tabellenplatz nach oben zu kämpfen und diesmal muss RWE eine härtere Nuss knacken als noch am Samstag gegen überforderte Bergisch-Gladbacher.

Der einsame Liga-Spitzenwert von zehn Platzverweisen in der laufenden Saison unterstreicht die harte Gangart des SVL, der seine Spiele meistens sehr eng gestalten konnte und mit dreizehn Punkteteilungen die zweitmeisten Unentschieden auf dem Konto hat. In der abgelaufenen englischen Woche holten die Lippstädter ein 0:0 bei Wegberg-Beeck, ein 1:1 bei Fortuna Düsseldorf II und verloren abschließend am Samstag mit 1:0 bei Fortuna Köln. Zu Gast bei Spitzenreiter Borussia Dortmund II hatten die Lippstädter vor drei Wochen trotz halbstündiger Unterzahl kurz vor Schluss die große Chance zum Ausgleich und kassierten erst in der Nachspielzeit den 2:0-Endstand. 

RWE dürfte also gewarnt sein, nicht zuletzt, weil der makellosen Auswärtsbilanz in Lippstadt (4 Spiele, 4 Siege) daheim nur ein Sieg aus drei Spielen (1 Unentschieden, 1 Niederlage) gegenübersteht. Das dramatische 2:3 aus dem September 2018 mit einer frühen roten Karte Kai Prögers und einem 0:2-Pausenrückstand dürfte vielen RWE-Fans noch in Erinnerung geblieben sein, da Benjamin Baier nach einer furiosen Aufholjagd in der 90. Minute einen Elfmeter zum möglichen Ausgleich vergab.

Ein verschossener Elfmeter prägte auch das Hinspiel der laufenden Saison, als Lippstadts Janik Steringer den Ball beim Stand von 0:0 nach zehn Minuten an den Pfosten beförderte und RWE schließlich ein souveränes 3:0 herausschießen konnte. Das große Manko der Lippstädter ist die Offensive mit nur 30 Treffern aus 32 Spielen – zwei Tore konnte der Ex-Essener Lucas Arenz beisteuern, der seit 2019 für den SVL auf Torejagd geht und nach seinem verletzungsbedingten Ausfall im Hinspiel diesmal Aussichten auf einen Platz in der Startelf hat.

Auf rot-weisser Seite spricht einiges dafür, dass sich die Startelf im Vergleich zu Samstag nicht verändern wird: Christian Neidhart zeigte sich zufrieden mit dem Startelf-Debüt von Maximilian Pronichev sowie mit Cedric Harenbrocks Einsatz auf dem linken Flügel, sodass Kefkir und Lewerenz sich erneut auf der Bank wiederfinden könnten. In der Abwehr konnten Felix Herzenbruch und Jan Neuwirt als Vertreter der angeschlagenen Stammkräfte Alexander Hahn und Kevin Grund wiederholt überzeugen. Es bleibt zu hoffen, dass RWE seine Heimserie ausbauen und an die zuletzt sehr starken Auftritte auf dem neuen Rasen anknüpfen kann!

Spielbericht

Der Atem des Verfolgers

Dass die Regionalliga kurz vor ihrer Entscheidung wieder spannender wird, merkt man an der wieder steigenden Nervosität am Spieltag. Durch das Unentschieden des BVB II bei den Gelsenkirchener Amateuren kam Rot-Weiss auf sieben punkte heran und durch den Kantersieg gegen den SV Lippstadt verkürzte RWE auf nur noch vier Punkte. Jetzt beginnen die Köpfe zu arbeiten und es wird eine Mentalitätsfrage sein, wie dieser Endspurt ausgehen wird. Zunächst galt es aber die Pflichtaufgabe gegen Lippstadt zu lösen.

Hierzu wählte Christian Neidhart einmal mehr die bewährte Aufstellung, sodass Amara Condé nach seiner Gelbsperre wieder ins Mittelfeld rückte und über die Außen Oguzhan Kefkir und Isaiah Young begannen. Dies bedeutete für Jan Neuwirt, dass er den Spielbeginn wieder von der Bank verfolgen musste, obwohl er in den letzten Spielen deutlich gezeigt hat, dass eine Menge in ihm steckt.

Oguzhan Kefkir erwischte einen Sahnetag!

Dirk Brökelmann, sportlicher Leiter bei Lippstadt, betonte vorab, dass der SVL nicht nur zum Spaß nach Essen fahren würde und die Mannschaft war dementsprechend eingestellt, indem sie die Hintermannschaft von Rot-Weiss früh angriff. Dies führte allerdings nicht zu entscheidenden Szene. Insgesamt ließ RWE den Ball durch die eigenen Reihen laufen und hinten wenig anbrennen. Bis die Offensive ins Rollen kam, dauerte es allerdings zwanzig Minuten. Dann verfehlte Simon Engelmann nach scharfer Flanke von Kefkir das Tor nur um wenige Zentimeter. Besser visierte Kevin Grund bei einem gut positionierten Freistoß das Tor an. Hier war jedoch Christopher Balkenhoff geistesgegenwärtig zur Stelle, um das beinahe sichere 1:0 der Hausherren abzuwehren.

Danach drehte RWE allerdings richtig auf. In der 41. Minute war es dann so weit. Nach einem Einwurf spielten sich Isaiah Young und Amara Condé auf der rechten Seite durch bis an die Grundlinie. Condé passte in den Rücken der Abwehr auf Isaiah Young. Dieser sah den besser postierten Engelmann und ließ den Ball durchlaufen. Engelmann spielte auf die linke Seite auf Oguzhan Kefkir und Ötzi nahm den Ball Dropkick und haute ihn in den rechten Winkel. Perfekte Schusstechnik und ordentlich Kraft machten den Schuss zu einem Traumtor, bei dem Balkenhoff aber mal gar nichts zu halten hatte.

Der Essener Quarterback lenkte das Spiel einmal mehr.

Die 1:0 Führung zur Halbzeit war verdient und die Marschroute hieß offenbar, seriös weiter zu arbeiten, um den Rückstand im Torverhältnis sinken zu lassen. Hier half Gästekeeper Balkenhoff unfreiwillig mit. Als er den Ball herausschlagen wollte, trat er in die Luft. Simon Engelmann steht in solchen Situationen immer richtig und auch diesmal stand er direkt neben dem Torwart, spielte ihn aus und schob aus wenigen Zentimetern zum 2:0 ein.

Damit war jede Gegenwehr bei Lippstadt gebrochen. Trotz der langen Quarantänepause spielten die Gäste aufwändig, um gegen RWE Punkte mitzunehmen. Diese Enttäuschung ließ alle Restkräfte schwinden und Rot-Weiss schnürte Lippstadt immer weiter in der eigenen Hälfte ein. Der Rest des Spiels ist schnell erzählt.

Nur drei Minuten nach dem 2:0 bekam Grote den Ball und sah, dass Engelmann und Kefkir starteten. Ohne zu überlegen chippte er den Ball gefühlvoll über die gesamte Abwehrreihe der Lippstädter und Kefkir vollstreckte unerbittlich zum 3:0. War beim ersten Tor von Kefkir der Schuss zum Zungeschnalzen, war diesmal die Vorbereitung ein Augenschmaus. Damit war das Spiel entschieden und angesichts der vielen englischen Wochen im Mai schonte Christian Neidhart Dennis Grote, Isaiah Young und Oguzhan Kefkir und brachte für sie Maxim Pronichev, Steven Lewerenz und Jan Neuwirt.

Simon Engelmann nutzte den Patzer vom Gästekeeper aus.

Dass Neidhart damit ein goldenes Händchen bewies, zeigte die 78. Minute. Steven Lewerenz schlug eine gut platzierte Flanke von der linken Seite und fand genau den Kopf von Maxim Pronichev, der nur noch zum 4:0 einnicken brauchte. Den Abschluss markierte dann der Kapitän kurz vor Schluss (86.). Nach einer weiteren Flanke von links kam Maxim Pronichev nicht richtig mit dem Kopf hinter den Ball, sodass dieser in einer Kerze hochflog und direkt vor den Füßen von Marco Kehl-Gomez landete. Dieser spielte flach gegen die Laufrichtung des Torwarts und sorgte für den 5:0 Endstand.

Damit ist Rot-Weiss Essen nicht nur auf vier Punkte herangekommen, sondern liegt auch nur noch zwei Tore hinter dem BVB II, was nicht unwichtig ist, da es so eng ist, dass es am Ende auch auf das Torverhältnis ankommen kann. RWE hat nun 78 Tore in den 35 Spielen geschossen und ebenso viele Punkte geholt. Das sind sehr gute Zahlen, auch wenn es unser aller Verein nicht mehr selbst in der Hand hat, ob der große Traum wahr wird. Der BVB spürt nun aber zum ersten Mal wieder den Atem des Verfolgers. Mit diesem neuen Druck fährt der Nachwuchs aus Dortmund am kommenden Wochenende nach Rödinghausen, wo auch wir Essener sehen mussten, wie schwierig es ist, Punkte aus dem Häcker Wiehenstadion zu entführen.

Zufriedene Gesichter nach dem 5:0 Erfolg.

Der Blick geht bei diesen ermutigenden Ergebnissen in erster Linie nach Wuppertal, wo die Rot-Weissen am kommenden Wochenende antreten müssen. Im Stadion am Zoo haben die Verantwortlichen einen Sieg gegen Rot-Weiss als besonders wichtig erklärt, um den WSV-Fans ein Bonbon zu liefern, und aus Erfahrung wissen wir, dass sich das Wuppertaler Team gegen RWE zerreißen wird. Das wird RWE noch fünfmal passieren und es bleibt dabei, dass wir auf uns selbst schauen müssen. Unsere Mannschaft hat nun aber mehrmals in dieser Saison ihre Qualität bewiesen und zeigt im Saisonendspurt eine starke Mentalität. Mit der richtigen Einstellung und dem nötigen Einsatz ist auch in Wuppertal etwas für RWE drin. Auch wenn es schwierig wird: wir glauben an euch!

Hendrik Stürznickel

Fotos by M.R.

Fotos by M.E.