Vorbericht
Duell der Gegensätze zwischen RWE und dem TSV Havelse in Hannover
Die Mannschaft und die Fans von RWE erleben am kommenden Samstag ein Deja-vu. Das erste Auswärtsspiel in der jungen Drittligasaison findet wieder am zweiten Spieltag gegen den Aufsteiger der Regionalliga Nord nach einer erfolgreichen Relegation in Hannover statt. Der Verein aus Garbsen muss in die benachbarte Landeshauptstadt ausweichen, da das heimische Wilhelm-Langrehr-Stadion nicht den Vorgaben für die Dritte Liga entspricht. Allerdings geht es für RWE nicht in die große Hans-von-Heiden-Arena, sondern in das wesentlich kleinere Ellenriedestadion, wo sonst der Nachwuchs von Hannover 96 zu Hause ist. Von den 5000 Karten standen immerhin 2370 Karten für die Essener zur Verfügung, was deutlich mehr als die vorgegebenen 10 Prozent für Gästefans bedeutet. Die rot-weisse Truppe kann sich also auf eine ordentliche Unterstützung aus der Heimat verlassen.
Unter der Woche mussten die RWE-Fans eine ganz bittere Nachricht verdauen. Mit Frank Mill verstarb einer der besten Spieler, die seit der goldenen Zeit der fünfziger Jahre seine Karriere an der Hafenstraße beginnen durfte. Leider hatte der ehemalige Stürmerstar aus dem Weltmeisterkader 1990 die Folgen seines Herzinfarktes, den er auf einer Italienreise im Mai dieses Jahres erlitten hatte, nicht überlebt. Die RWE-Gemeinschaft trauert um einen tief in Essen verwurzelten Menschen, der seine Bodenhaftung niemals verloren hatte. Wenn im nächsten Spiel an der Hafenstraße ausgerechnet mit dem RWE und BVB zwei wichtige Stationen in Frank Mills Vita aufeinandertreffen, wird es laut offizieller Bekanntgabe des Vereins einen würdigen Rahmen für einen Abschied geben.
Das Personal
Vor dem Spiel gegen 1860 musste Trainer Uwe Koschinat kurzfristig auf Jakob Golz (Entzündung in Folge eines Mückenstichs) und Luca Bazzoli (krank) verzichten. Beide befinden sich mittlerweile wieder im Mannschaftstraining und es wird geschaut, ob ein Einsatz für Beide in Hannover möglich ist. Dafür mussten die beiden Rechtsverteidiger Michael Kostka und Jannik Hofmann unter der Woche das Training wegen Beschwerden abbrechen. Ausfallen werden noch der Innenverteidiger Schulte-Kellinghaus und der Stürmer Jaka Cuba Potocnik, Jimmy Kaparos und Dion Berisha spielen in den Überlegungen des Trainers sowieso keine Rolle mehr.
Während ein weiterer Ausfall von Jakob Golz für keine Schweißperlen auf den Stirnen der RWE-Anhänger sorgt, da mit Felix Wienand ein exzellenter Vertreter bereitsteht, machen die möglichen Ausfälle auf der rechten Abwehrseite mehr Sorgenfalten. Hier würde aber in der viel diskutierte Möglichkeit auf den Wechsel zur Viererkette, der ein defensiv agierenden Gegner mehr unter Druck setzen könnte, auch eine Chance liegen.
Auch wenn Rios Alonso größere Stärken in der Innenverteidigung hat, kann er auch auf rechts aushelfen. Sollte Bazzoli fit sein, könnte er in der Innenverteidigung bei einer Fünferkette mit oder bei einer Viererkette neben Schultz/Kraulich eingesetzt werden oder Klaus Gjasula, der ein sehr gutes Spiel gegen 1860 ablieferte, auf der Position des defensiven Mittelfelds ersetzen. Auf der linken Seite wird vermutlich bei entsprechender Fitness Lucas Brumme beginnen, obwohl Franci Bouebari ein starkes Pflichtspieldebüt gab. Im zentralen Mittelfeld sind keine Veränderungen zu erwarten, Tom Moustier und Ahmet Arslan sind unumstritten. Sollte es zu einer Umstellung auf einer Viererkette kommen, wäre ein Platz für Marvin Obuz auf der rechten offensiven Flanke geschaffen.
Auch eine Herausnahme von Ramien Safi ist trotz seiner vergebenen Großchance am letzten Freitag kaum vorstellbar. Spannender wird es in der Sturmspitze. Neben Ramien Safi konnte Kaito Mizuta nicht vollends überzeugen, so dass Dominik Martinovic starten könnte. Doch überraschenderweise musste der kroatische Stürmer trotz starker Vorbereitung auf der Bank Platz nehmen, gegen den Aufsteiger aus Havelse wäre aber eine Chance aufgrund einer offensiveren Ausrichtung durchaus gegeben.
Das Gegnerportrait: TSV Havelse (Meister der Regionalliga Nord 24/25 mit 74 Punkten davon 24 Siege, 5 Remis und 6 Niederlagen bei 67:34 Tore, Differenz +33)
Bereits zum zweiten Mal wagt sich die TSV Havelse in das Abenteuer der eingleisigen Dritten Liga. Doch der erste Auftritt endete in einem Desaster. Schwache 23 Punkte holte das Team am Ende der Saison 21/22 nach Garbsen, nur fünfmal verließ das Team den Platz als Sieger. 28 eigene Treffer konnten die Niedersachen erzielen, dafür klingelte es 71-mal im Kasten der Havelser. Die Zahlen aus der Hölle bedeuteten allerdings nicht den letzten Tabellenplatz, dank der Einstellung des Spielbetriebs von Türkücü München blieb der Mannschaft diese Schmach wenigstens erspart. Jetzt soll alles besser werden.
Nach einer starken Regionalligasaison konnte in der Relegation der Nord-Ost-Gewinner Lok Leipzig (Meister müssen übrigens immer noch aufsteigen!) unter dem Strich verdient geschlagen werden, wobei die Leipziger mit drei Platzverweisen im Rückspiel ordentlich mithalfen. Damit verhinderten die Mannschaft aus Havelse eine schöne Auswärtstour nach Sachsen und lädt in das sehr biedere Hannover ein. Mit dem Aufstieg soll aber die Reise des Teams aus Garbsen nicht enden. Auf der Homepage wird die „Mission 2030“ angepriesen, bei der am Ende der Aufstieg in die zweite Bundesliga stehen soll. Dort war die TSV tatsächlich schon und traf auch auf unseren RWE, blieb aber in beiden Partien chancenlos. Beim 1:4 in Garbsen trafen Dirk „Putsche“ Helmig und der als Fußballprolet bekannte Mario Basler doppelt, an der Hafenstraße gab ein klares 3:0, wo unter anderem Ralf Regenbogen traf.
Die Voraussetzungen für einen dauerhaften Erfolg in Garbsen stehen auch diesmal nicht besonders gut. Die letzten drei Aufsteiger aus dem Norden der Republik (VfB Oldenburg, VfB Lübeck und die Zweitvertretung aus Hannover) stiegen nach nur einem Jahr wieder in die Regionalliga ab. Vor allem der VfB Lübeck sollte ein warnendes Beispiel für die TSV sein, denn dem Verein gelang das Kunststück, gleich zweimal aus der Dritten Liga wieder abzusteigen. Trotz der Erfahrungen aus dem ersten Drittligajahr muss Havelse wieder umziehen, das Wilhelm-Langrehr-Stadion wurde in dieser Zeit nicht profitauglich umgerüstet. Zudem musste das Team teilweise heftige Klatschen in der Vorbereitung hinnehmen.
Besonders weh tat das 2:7 gegen die Zweitvertretung aus Paderborn. Immerhin gab es mit einer knappen 3:2-Niederlage ein Achtungserfolg gegen Hertha BSC, sonst wurden nur im Pokal zwei Regionalligsten und im Test ein Oberligist knapp geschlagen. Am Transfermarkt konnte Havelse nur mit der Verpflichtung von Nassim Boujellab für etwas Aufsehen erregen. Der Marokkaner, der für Helsinki, der Truppe aus der verbotenen Stadt und Bielefeld spielte, durfte auch schon in europäischen Wettbewerben mitspielen. Zudem gelang es den Verantwortlichen, Säulen wie Marko Ilic zu halten.
Auch bei der Organisation zum Beginn der Saison zeigte der Verein noch nicht, dass dieser wieder im Profifußball angekommen ist. Der Dauerkartenverkauf startete erst am 01. August, auch die Karten für die Gäste konnten in Essen sehr spät ab dem vergangenen Samstag erworben werden. Außerdem gab es eine Panne, die erworbenen Tickets mussten noch einmal elektronisch versendet werden, weil nicht alle relevanten Informationen auf den Eintrittskarten vorhanden waren. Vielleicht ist dies auch nur ein Ausdruck niedersächsischen Humors.
All dies trägt dazu bei, dass Havelse von vielen Betrachtern der Liga als Absteiger Nummer Eins hoch gehandelt wird. Genau hier liegt die Gefahr, die Truppe maßlos zu unterschätzen. Dabei ist dem Verein klar, das einzige Ziel kann nur der Klassenerhalt sein. Wie ein möglicher Plan dafür umgesetzt werden soll, hat die Mannschaft gegen die Zweitvertretung aus Hoffenheim gezeigt. Es wurde gar nicht erst versucht, die Ballkontrolle gegen das spielstarke Team aus dem Kraichgau zu übernehmen.
Ferner besannen sich die Elf aus Garbsen auf knallhartes Verteidigen und weiten Abschlägen von Torwart Tom Opitz auf die offensiven Außenbahnen, die den Ball direkt in die Sturmmitte weitergaben. Hier hatte der bereits erwähnte Nassim Bouejellab die Chance, den Spielverlauf auf den Kopf zu stellen. Auf dieses Spiel wird sich auch RWE vorbereiten müssen, wobei im Kader der Essener mehr Qualität zu finden ist als bei Hoffenheim II. Dennoch werden die Mannen von der Hafenstraße in bestimmten Spielphasen Geduld beweisen müssen, bis sich mögliche Chancen für Tore eröffnen werden.
Der Blick über den Tellerrand und Fazit
Der zweite Spieltag wird mit der Partie zwischen dem Aufsteiger Schweinfurt 05 und Energie Cottbus eröffnet. Während der Neuling aus Franken in Köln zum Auftakt viel Lehrgeld bezahlen musste, nahmen die Lausitzer trotz starker Leistung gegen den FC Saarbrücken nur einen Punkt auf die Habenseite. Beide Mannschaften sollten also höchst motiviert sein, einen Dreier einzufahren. Am frühen Samstagnachmittag treffen neben RWE und Havelse unter anderem der Topfavorit 1860 München auf den VfL Osnabrück, der gegen einen Rumpfkader aus Aachen keinen Heimsieg erringen konnte.
Außerdem muss der 1. FC Saarbrücken gegen die Viktoria aus Köln bestehen, die gegen den Aufsteiger aus Schweinfurt einen guten Eindruck hinterließen. Nach der klaren Niederlage in Wiesbaden und dem bitteren Verlust des Kapitäns Reichelt hofft der SSV Ulm auf ein Erfolgserlebnis gegen Erzgebirge Aue, die den Favoriten aus Rostock ordentlich Paroli geboten haben. Die Alemannia aus Aachen, die den Druck in Osnabrück standgehalten haben, spielen zu Hause gegen die Zweitvertretung aus Hoffenheim, die einen Dreier gegen Havelse liegengelassen haben.
Eine Entspannung der Kadersituation in Aachen ist im Übrigen kaum zu erwarten. Um 16:30 Uhr treffen aus der letzten Saison der Topscorer Taz für Verl auf den Torschützenkönig Kaya für Wehen-Wiesbaden aufeinander. Gerade die Wehener hinterließen gegen Ulm einen starken Eindruck, die Verler holten immerhin trotz langer Zeit in Unterzahl gegen den Waldhof aus Mannheim ein Unentschieden.
Am Sonntag kehren zunächst Bulic und Viet, die mittlerweile für den MSV Duisburg spielen, zu ihrem Ex-Klub nach Regensburg zurück. Während der MSV einen Auftaktsieg gegen die Zweitvertretung aus Stuttgart feiern konnte, tat sich der Jahn in Ingolstadt sehr schwer. Weiter geht es mit der Partie zwischen Hansa Rostock und Waldhof Mannheim, wobei die Favoritenrolle bei der „Kogge“ liegt, vor allem, wenn sie den Mannheimer Stürmer Felix Lohkemper in den Griff bekommen. Den Abschluss des zweiten Spieltags bestreiten der Nachwuchs des VFB Stuttgart gegen den FC Ingolstadt. Beide Mannschaften wollen die Enttäuschung des ersten Spieltags vergessen machen und als Sieger vom Platz gehen.
Keine Frage, RWE ist nach ganz langer Zeit im Kampf gegen den Abstieg klarer Favorit gegen den TSV Havelse. Angesichts der Personalsituation kann die rot-weisse Mannschaft nur durch eine Unterschätzung des Gegners in ernsthafte Probleme geraten. Bislang macht der Führungsstil von Uwe Koschinat sehr deutlich, dass diese Mannschaft stets mit dem gebotenen Respekt für den Gegner gepaart mit einer ordentliche Portion Selbstbewusstsein in jedes Spiel geht. Dies wird auch in Hannover der Fall sein. Es bleibt nur die Frage, ob Koschinat und sein Stab sich für eine offensivere Variante entscheidet oder die defensive Grundausrichtung mit leichten Anpassungen beibehalten wird. Vielleicht wäre es an der Zeit für die Mannschaft, viel Spaß am Toreschießen zu entwickeln. Frank Mill jedenfalls würde dies bestimmt sehr gefallen.
In diesem Sinne:
NUR DER RWE!

Spielbericht
Punkteteilung in Hannover – RWE kann trotz Feldüberlegenheit den TSV Havelse nicht besiegen
In der noch sehr jungen Spielzeit gibt es für die ambitionierte Mannschaft von der Hafenstraße die erste kleinere Enttäuschung. Zwar war die Truppe von Uwe Koschinat auf einen sehr tiefstehenden Gegner aus Garbsen vorbereitet, doch über die gesamte Partie gelang es zu wenig, den Abwehrriegel der Niedersachsen vor Probleme zu stellen. Am Ende war dann doch der Sieg greifbar nahe, doch Unkonzentriertheiten in der Nachspielzeit brachten das rot-weisse Team um den verdienten Lohn.
Am Ende muss aber auch Respekt gegenüber der Mannschaft von TSV Havelse gezollt werden, die ohne sichtbaren konditionellen Einbruch ihr Spiel bis zum Ende durchgezogen hat. Die gewählte Taktik hätte sogar, wenn es richtig schlecht gelaufen wäre, am Ende noch einen Sieg bringen können. Auch wenn der anschließende Jubel über den Ausgleichstreffer etwas sehr übertrieben anmutete, hatte sich Havelse diesen Punkt hart arbeitet. Ob sich dauerhaft der Erfolg einstellen wird, kann durchaus bezweifelt werden, soll aber hier nicht das Problem der Mannschaft von RWE sein, die an diesem Nachmittag zwei Punkte verloren hat.
Das Personal
Bei der Startaufstellung überraschten Uwe Koschinat und sein Team alle Spekulanten völlig. Was auf dem Papier so aussah, als wäre es eine Rückkehr zu Viererkette, entpuppte sich als Anpassung an das bewährte System. Vor Felix Wienand, der den immer noch an den Folgen eines Insektenstiches leidenden Jakob Golz vertreten musste, betraten Tobias Kraulich, Michael Schultz und Rios Alonso wie gewohnt das Feld als Dreierkette. Francis Bouebari erhielt den Vorzug gegenüber Lucas Brumme auf der linken Außenbahn, was sich vermutlich durch die Entscheidung auf der Gegenseite erklären lässt. Hier sollte Ramien Safi mit seinem Tempo die rechte Flanke mit der Absicherung durch Rios Alonso komplett bespielen, während Bouebari die defensivere Rolle gegenüber dem etwas offensiveren Brumme auf links erhielt.
In der defensiven Zentrale musste Luca Bazzoli den Vortritt Klaus Gjasula überlassen, davor reihten sich wie üblich Tom Moustier und Ahmet Arslan ein. Zum großen Erstaunen vergaben Koschinat und sein Team den frei gewordenen Mittelfeldplatz an Torben Müsel, so dass eine „Doppelzehn“ aufgeboten wurde. Wahrscheinlich wollten die Verantwortlichen, dass der gelernte Stürmer auch in die gefährlichen Räume eindringen und damit den Gegner vor ungeahnte Schwierigkeiten stellen sollte. Im Sturmzentrum bekam Dominik Martinovic eine neue Chance, sich zu beweisen, dafür musste Kaito Mizuta auf der Bank Platz nehmen.
Zur Halbzeit musste der ordentlich auftretende Francis Bouebari seine Position räumen, mit Lucas Brumme sollte mehr Druck auf der linken Außenbahn erzeugt wurden. Als die Beine des TSV Havelse immer müder wurden, wünschten sich die Verantwortlichen mit den Einwechselungen von den Dribbelkünstlern Marvin Obuz und Kaito Mizuta für Torben Müsel und Dominik Martinovic in der 63. Minute neue Impulse für das Spiel. In der 78. Minute durfte Marek Janssen für Ahmet Arslan in der Sturmspitze sein Pflichtspieldebüt für Rot-Weiss Essen begehen. Fünf Minuten vor Ende der regulären Spielzeit war dann auch Schluss für Ramien Safi, seine Aufgabe durfte Kelsey Owusu übernehmen.
Die Pluspunkte
Die rot-weisse Mannschaft war von Beginn an darauf eingestellt, die Favoritenrolle als bestimmendes Team anzunehmen. Im Spielaufbau war das Team von Uwe Koschinat sehr ballsicher und gewann nahezu jeden Zweikampf bis vor dem gegnerischen Strafraum. Bis zur Grundlinie sah es so aus, als ob der Plan der Bergeborbecker aufgehen würde. Der TSV Havelse hatte durchaus Probleme, mit den flinken Außenspieler Ramien Safi und Francis Bouebari klarzukommen. Konterversuche der heimischen Mannschaft wurden schnell im Keim erstickt. Da der Strafraum der Gastgeber voll besetzt war, zeigte Tobias Kraulich in der elften Minute, wie es gehen kann. Sein frecher Schuss von der linken Strafraumkante hätte beinahe Torwart Opitz völlig überrascht. Auch in der Folge versuchten es die Essener, mit Schüssen knapp außerhalb des Strafraums ein Tor zu erzielen, doch Müsel (12.) und zweimal Arslan (per Freistoß in der 31. und ohne Freistoß in der 45.) verpassten einen Treffer knapp.
Auch in der zweiten Halbzeit blieb RWE trotz ausbleibender Chancen vorne geduldig und hinten größtenteils sicher. Nachdem die Einwechselungen von Kaito Mizuta und Marvin Obuz, welche die Abwehr von Havelse ein paar Mal kräftig durcheinanderwirbelten, erste Erfolge zeigten, war es in der 89. Minute endlich so weit. Tobias Kraulich blieb nach einem langen Einwurf von Tom Moustier vorne stehen und köpfte den Ball zur Freude der mitgereisten Fans nach Flanke von Mizuta in die Maschen. Auch wenn sich RWE bis dahin sehr mühte, wäre an dieser Stelle der Plan gegen einen unangenehmen Gegner vollends aufgegangen.
Die Minuspunkte
Bei einem solchen Spiel können manchmal kleine Fehler entscheidend sein. In der 28. Minute kam ausgerechnet Havelse zur besten Chance der ersten Halbzeit, als Michael Schultz auf Abseits spekulierte und Ilic nach freiem Geleit nur den Außenpfosten traf. Trotz der hohen Ballbesitzquote waren die Essener kaum in der Lage, den Abwehrriegel im Strafraum der Hausherren zu durchbrechen. Dies lag zum einen daran, dass RWE es nicht schaffte, mit zielgenauen Flanken bzw. Dribblings über außen die Hausherren unter Druck zu setzen.
Safis Einsatz auf der rechten Außenbahn war hier verschenkt, bekannterweise ist er ein Spieler, der die langsamen Innenverteidiger beschäftigen muss, aber seine Spielkameraden selten bedienen kann und auch im direkten Duell mit dem Gegenspieler noch nicht die Fähigkeiten hat, sich durchzusetzen. Gepaart mit dem zweiten Problem, die fehlende Strafraumbesetzung, kam es zwangsläufig dazu, dass Havelse mit der Verteidigung der rot-weissen Angriffe kaum Mühe hatte.
Dominik Martinovic deutete seinen Mitspielern immer an, wo er die Bälle in den Lauf gerne haben möchte, aber hier passte die gegnerische Abwehr immer gut auf. Dafür tauchte er zu wenig in die gefährlichen Räume auf, gelang ihm dies doch einmal, wie in der 28. Minute, kam das Zuspiel nicht genau genug. Wieder ärgerte sich Martinovic sehr über seine Auswechslung in der zweiten Halbzeit, doch die Argumente für einen Startelfeinsatz werden allmählich immer weniger. Vielleicht wäre hier ein passender Grund für weitere Einsätze, dass Uwe Koschinat und sein Team anscheinend kaum Vertrauen in andere Spieler setzt, diese Position auszufüllen. Nach seiner Auswechselung wurde Ahmet Arslan ins Sturmzentrum beordert, der sich dort überhaupt nicht wohlfühlte. Erst fünfzehn Minuten später erlöste er Arslan mit der Hereinnahme von Marek Janssen, der immerhin andeutete, dass ein solcher Spielertyp in dieser Situation gefragt gewesen wäre. Warum das Trainerteam nicht Torben Müsel, der ursprünglich ein gelernter Stürmer ist, diese Aufgabe übertragen hat, bleibt eine offene Frage.
So mühte sich RWE weiter, immer durch das Zentrum zu kommen, welches von Havelse dichtgehalten wurde und zudem auch durch die gewählte Aufstellung mit der „Doppelzehn“ auch von Essener Seite bis ca. dreißig Minuten vor Schluss überfüllt wurde. Der langsame Spielaufbau aus der Dreierkette tat da sein Übriges. Statt am Anfang der zweiten Halbzeit auf das Gas zu drücken, plätscherte das Spiel vor sich hin und die Zuschauer richteten sich auf ein torloses Unentschieden ein.
Die verdiente Führung kurz vor Ende der Partie gab den Gästen leider keine Sicherheit. Es wirkte eher so, als konnten sich die Köpfe der Spieler vom permanenten Anrennen auf das gegnerische Tor nicht auf das bedingungslose Verteidigen einstellen. Dennoch ergab sich plötzlich die Chance auf das 0:2, als Kelsey Owusu zusammen mit Marvin Obuz und Kaito Mizuta auf das Tor zulaufen konnte. Doch statt den etwas weiter freistehende Mizuta, der etwa knapp unterhalb der Höhe von Owusu geblieben war, anzuspielen, entschied er sich für den Pass auf den höher postierten Obuz, so dass die Abseitsfalle von Havelse im richtigen Moment zuschlagen konnte.
Kurz darauf musste Marek Janssen verletzt vom Platz, ohne die Möglichkeit auf Auswechselung wegen der Erschöpfung des Kontingents verlor RWE völlig die defensive Ordnung. So kam es, wie es kommen musste. Nach einer Flanke von rechts nahm Lorenzo Paldino den Ball gekonnt an und setzte das Spielgerät mit einem traumhaften Fallrückzieher in das Tor. Auch wenn der sehenswerte Treffer in den Saisonrückblicken immer wieder gezeigt werden wird, hätte seine Entstehung verhindert werden können, wenn z. B. Wienand den Ball länger gehalten hätte oder Mizuta nicht auf Höhe der Mittellinie zuvor in das Dribbling gegangen wäre. Am Ende muss RWE mit zwei verlorenen Punkten leben.
Der Aufreger des Tages
Ohne den Auftritt der Gastgeber schmälern zu wollen, ist es unter dem Strich ein Ärgernis, dass eine solche Mannschaft in der Dritten Liga antreten darf. Hiermit ist weniger die sportliche Qualifikation gemeint, denn am Ende war Havelse nicht nur verdient Meister der Regionalliga Nord, sondern hat sich auch in der Relegation durchsetzen können. Aber die Organisation rund um das Ausweichstadion ist für einen Auswärtsfahrer eine nicht angenehme Erfahrung. Gästetickets konnten am Zaun erworben werden, durch den die Tickets von einem angrenzenden Parkplatz durchgereicht wurden, was eher den Anschein von Geschäften ganz anderer Art war.
Freute sich der Zuschauer nach der Einlasskontrolle auf eine kulinarische Erfahrung der besonderen Art, gab es auch hier direkt eine Enttäuschung. Die Bratwurst hatte ein paar Wendungen zu viel auf dem Rost gemacht, Horst Lichter würde wohl sagen, die Wurst hätte ordentlich „Patina“ bekommen. Immerhin gab es für schlappe 30 Euro Sitzplätze, die nach Spielbeginn in der Sonne lagen und die Besitzer so brutzelten, dass sie von der bereits erwähnten Wurst kaum zu unterscheiden waren. Wem das zu teuer war, konnte immerhin für günstigere 20 Euro einen Stehplatz im Schatten erwerben. Für diese selbstlose Geste gab es von der aktiven Szene den passenden Gruß: „Fußball muss bezahlbar sein!“. Es kann irgendwo nicht sein, dass so das Abenteuer „Dritte Liga“ für einen Klub, der in den letzten Jahren trotz bereits gemachter Erfahrung nicht in der Lage war, sich der Liga entsprechend tauglich aufzustellen, finanzierbar zu machen. Hier kann der DFB auch gerne ein Auge draufhaben, wenn die Dritte Liga noch eine Profiliga sein soll und nicht noch mehr Mannschaften mit Spielstätten auf dem Niveau wie Wiedenbrück oder Lippstadt zugelassen werden.
Immerhin gibt es ein Lob für Schiedsrichter Felix Grund und sein Team, der das Spiel laufen gelassen hat, obwohl die Havelser oft versuchten, nach Kontakt mit einem RWE-Spieler für Unterbrechungen zu sorgen. Leider konnte Mannschaft aus Essen diese entgegenkommende Spielführung des Unparteiischen nicht für sich nutzen.
Die Lage in der Liga und Fazit
Eine ähnliche Situation wie RWE hatte auch die Mannschaft von Energie Cottbus zu bewältigen, die sich gegen defensiv eingestellte Schweinfurter lange sehr schwertat und dank zwei Platzverweise nach guter alter bayerischer Holzfällerart in der Nachspielzeit zwei Treffer erzielen konnte. Das Traditionsduell am Samstagmittag gewann 1860 München mit Hilfe ihres Topsturms Volland und Niederlechner gegen den VfL Osnabrück souverän mit 3:1.
Der FC Saarbrücken bezwang mit Mühe die Viktoria aus Köln mit 2:1 und kann damit für etwas mehr Ruhe im Umfeld sorgen. Der Absteiger aus Ulm konnte die Auftaktniederlage mit einem 1:0-Erfolg gegen Erzgebirge Aue wett machen, während die Aachener Alemannia gegen die Zweitvertretung aus Hoffenheim mit 2:4 baden ging. Im sogenannten Topspiel des Abends führte Wehen Wiesenbaden schon mit zwei Treffern, doch mit einer starken Aufholjagd sicherte sich der Sportclub noch das Unentschieden. Topscorer Taz vergab für die Ostwestfalen mit freier Sicht auf das entblößte Hinterteil des Wiesbadener Capos erst einen Elfmeter, drehte aber vermutlich wegen dieses unangenehmen Erlebnisses danach so richtig auf.
Will RWE am Ende oben mitspielen, muss die Erfahrung den Negativerlebnisses aus Hannover schnell verdaut und richtig aufgearbeitet werden. Zunächst einmal bleibt es für das Trainerteam eine entscheidende Aufgabe, ihre Truppe mit einer defensiven eingestellten Grundordnung auch auf Spiele gegen tiefstehende Gegner vorzubereiten. Die Partie in Havelse hat gezeigt, dass dies noch nicht gänzlich der Fall ist. Hier sollten sich die Mannschaft und die Verantwortlichen auch nicht von den Rufen nach einer treffsicheren „Neun“ verunsichern lassen, was der Markt finanziell nicht hergibt, lässt sich halt kaum beeinflussen. Sollte sich dort trotzdem noch einmal eine Tür öffnen, werden die Verantwortlichen mit Sicherheit ihre Arbeit aufnehmen.
Bis dahin heißt es, auch für Situationen wie in Hannover alternative Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, Potential hat die Truppe dafür genügend. Zunächst aber wird es im Pokal gegen Borussia Dortmund und auch höchstwahrscheinlich in Wiesbaden gewohnte Spiele für die rot-weisse Mannschaft geben. Erst Ende August im Niederrheinpokal gegen den SV Solingen, wenn auch auf einem ganz anderen Niveau, und vermutlich im Heimspiel gegen Alemannia Aachen muss RWE wieder als ballführende Mannschaft auftreten. Bis dahin bleibt noch etwas Zeit, sich darauf vorzubereiten und vielleicht sogar mit Erfolgserlebnissen im Rücken diese Partien zu bestreiten.
In diesem Sinne: NUR DER RWE!