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2025/2026 – 3. Liga

Rot-Weiss Essen – FC Energie Cottbus

Nach der Länderspielpause meldet sich Rot-Weiss mit einem Spitzenspiel am Sonntagabend zurück. Energie Cottbus gastiert in Essen und in unserem Vorbericht erfahrt ihr alles zum RWE-Kader und wie dieser erneut gegen Cottbus bestehen will.

Vorbericht

Setzt sich RWE weiter ganz oben fest? – Cottbus kommt zum Spitzenspiel nach Essen

Besser könnte die Ausgangsposition für Rot-Weiss Essen kaum sein. Bei einem Sieg im Abschlussspiels des fünfzehnten Spieltags unter Flutlicht an der Hafenstraße könnte RWE bei einem Dreier mit dem Spitzenreiter aus Duisburg, der sein Spiel gegen die TSG Hoffenheim 2 verlor, gleichziehen. Selbst eine Niederlage würde nicht so weh tun, die Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen wäre immer noch da. Dennoch würde ein Sieg gegen Energie Cottbus möglicherweise die Euphorie im Umfeld entfachen, die sich bislang noch nicht flächendeckend einstellen will. Dieses Topspiel hat sich die Mannschaft von Uwe Koschinat mühsam erarbeitet und alle rot-weissen Akteure könnten sich jetzt dafür belohnen.

Im Vorfeld der Partie gab es aber auch rund um den Rasen ordentlich Diskussionsbedarf. Da waren zunächst die Nachwirkungen des Inhalts eines Flyers, der aus (Teilen) der aktiven Fanszene von der Westtribüne stammte. Während viele Punkte aus den „Grundsätzen“, welche fast exakt von einem Papier aus der Rostocker Szene übernommen wurde, inhaltlich noch in Ordnung gehen, sorgte der Ausschluss von Frauen in den „vorderen“ Reihen, wie im letzten Satz gefordert, sowohl in der Sache als auch von der Wortwahl her für Kopfschütteln. Die Frage, warum ausgerechnet Vorschriften von Menschen für andere Menschen gemacht werden, deren eigene Freiheit für Person und Gruppe kaum Grenzen haben soll, bleibt offen. Es wäre unabhängig von der Gründung einer „Initiative Stadion RWE“, deren Unterstützung jeder selbst entscheiden mag, sehr wünschenswert, wenn alle Besucher, insbesondere Frauen, sich an der Hafenstraße wohl fühlen können und dort stehen oder sitzen, wo sie es für richtig halten.

Außerdem musste die RWE-Gemeinde zwei Verluste in der vergangenen Woche verkraften. Der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Reiniger war in seiner Amtszeit maßgeblich daran beteiligt, dass RWE durch den Neubau einer neuen Heimat an der Hafenstraße eine Zukunft bekam. Andrej Polunin, ehemaliger rot-weisser Verteidiger Anfang der 2000er Jahre, führte einen weitaus härteren Kampf, nämlich den um die Zukunft seines Heimatlandes. Der Ukrainer starb in Folge eines Herzinfarkts, den er bei einem Benefizspiel erlitten hatte. An Beide soll am Sonntagabend gedacht werden.

Zu guter Letzt gab es aber auch ein schönes Ereignis unter der Woche, denn einer unserer besten Kicker der Vereinsgeschichte, Idol und Spaßmacher wurde am vergangenem Montag 80 Jahre alt! Lieber Willi Lippens, herzlichen Glückwunsch nachträglich und mögen uns Deine Geschichten noch viele weitere Jahre bei bester Gesundheit erheitern!

Das Personal

In den vergangenen Wochen hatte sich unter Trainer Uwe Koschinat allmählich eine Stammformation herauskristallisiert. Dazu gehört neben Stammtorhüter Jakob Golz auch Innenverteidiger Tobias Kraulich, der gegen Schweinfurt als „letzter Mann“ brenzlige Situationen vereiteln konnte. Jose Enrique Rios Alonso ist aus der Startformation in der Abwehrzentrale sowieso nicht wegzudenken. Lucas Brumme zeigte auf seiner linken Seite vor allem eine starke Defensivleistung, Franci Bouebari wird als Backup bereitstehen. Das Lob des Trainers bekam immer häufiger Neuzugang Michael Kostka, der im Zusammenspiel mit Marvin Obuz die rechte Flanke zu einer Essener Vorzeigeabteilung macht. Allerdings zeigte auch Jannik Hoffmann nach seiner Einwechselung gegen Schweinfurt, wie seine Dynamik in den Schlussminuten noch einmal für einen Belebung des Spiels sorgen kann.

Insgesamt muss auch ein Lob an die Kaderplaner in diesem Bereich angebracht werden, die Doppelbesetzung auf den defensiven Außenbahnen ist mehr als nur gelungen. Der eben schon erwähnte Obuz ist noch nicht am Limit seines Könnens, aber seine Formkurve nach zwei Vorlagen gegen Schweinfurt weist die richtige Richtung auf. Sein Gegenüber Kaito Mizuta hatte zuletzt weniger Scorerpunkte sammeln können als zu Beginn der Saison, war aber im Spiel gegen Ingolstadt wieder als Torschütze erfolgreich und ist durch seine quirlige Art für jeden Gegner schwer bespielbar.

In der Defensivzentrale ist Klaus Gjasula ein unumstrittener Faktor für die Mannschaft, doch trotz seines krankheitsbedingten Fehlens gegen den FCI brannte auf seiner Position kaum etwas an. Dies lag an dem Duo Torben Müsel und Tom Moustier, die den Laden zusammengehalten haben. Möglicherweise gibt Müsels Fähigkeiten, anders als üblich aus einer zurückgezogenen Position trotzdem offensiver agieren zu können, den Ausschlag für seinen Einsatz von Beginn an. Einen Klaus Gjasula könnte gegen das Spitzenteam aus Cottbus dennoch wertvoll sein. Hier muss Uwe Koschinat entscheiden, wer für dieses Spiel geeigneter in der Defensivzentrale wäre.

Umstrittener war zuletzt die Nominierung von Ahmet Arslan, der dem Spiel noch zu wenig seinen Stempel aufdrücken konnte. Doch in der zweiten Halbzeit in Ingolstadt ging Arslan als Leader voran und ist nach der Verdrängung von Michael Schultz aus der Startelf als Vizekapitän für die Hierarchie auf dem Platz kaum verzichtbar.

Nachdem sich die Diskussion um die Besetzung der Sturmspitze fast erledigt hatte, weil Jaka Cuber Potocnik eine sehr gute Leistung plus eigenen Treffer in Ingolstadt zeigte, fällt der junge Slowene leider wieder einmal mit einer Muskelverletzung aus. Jetzt hat Uwe Koschinat wieder die Wahl zwischen Ramien Safi, der aufgrund seiner Körpergröße eher für Umschaltmomente der richtige Mann wäre, Marek Janssen, der noch nie für RWE in einem Pflichtspiel von Beginn an auf dem Feld stand, und Jannik Mause, der als möglicher „Unterschiedsspieler“ zuletzt aufgrund seiner fehlenden Trainingseinstellung und mangelnder Grundkonsistenz nicht einmal mehr im Kader stand. Alle dürfen also gespannt sein, wer die besten Argumente für Uwe Koschinat auf seiner Seite hat.

Das Gegnerportrait: FC Energie Cottbus (Platz 2/ 26 Punkte/ 8 Siege, 2 Remis, 4 Niederlagen/ 30:22 Tore, Differenz +8)

Nicht wenige Betrachter der Dritten Liga glaubten, dass Energie Cottbus die letzte starke Saison nicht wiederholen könne. Die finanzstärkeren gleich- oder höherklassigen Klubs jagten bereits nach Spielern wie Elias Bethke, Tolcay Cigerci oder Lucas Copado. Das starke Kollektiv, welches von dem kontroversen Trainer Pele Wollitz zusammengestellt wurde, drohte völlig auseinanderzubrechen. Doch Wollitz, der nicht müde werdend die schwierige finanzielle Lage des Klubs gegenüber anderen Vertretern der Dritten Liga immer wieder erwähnt, gelang ein weiteres Husarenstück. Zwar entscheiden sich Säulen wie Maximilian Krauß (Hansa Rostock), Nico Bretschneider (1. FC Saarbrücken) oder Lucas Copado (nach Leihe vom Linzer ASK zum SC Paderborn transferiert) gegen ein weiteres Jahr in der Lausitz, dafür blieben andere Stammkräfte wie die bereits erwähnten Tolgay Cigerci und Elias Bethke dem Pele treu ergeben.

So musste Wollitz nicht tief in die Taschen greifen, um noch einmal ein gutes Team bilden zu können. Spieler wie Jannis Bozaris (FC Astoria Walldorf), Anderson Locoqui (1860 München) oder Justin Butler (SV Sandhausen) standen in den Notizbüchern der Scouts von Topklubs nicht weit oben, aber der Trainerfuchs aus Brandenburg weiß ganz genau, wie er diese Jungs in sein Kollektiv einbinden kann. Selbst der Ausfall von Stammtorhüter Elias Bethke konnte verschmerzt werden, sein Vertreter Marius Funk (1. FC Ingolstadt) macht seine Aufgabe bislang ausgezeichnet.

Mittlerweile reden die Experten anders über Cottbus und gehen sogar davon aus, dass die Mannschaft noch stärker sein könnte als in der letzten Spielzeit. Dafür spricht die Punkteausbeute. Die Cottbuser haben nach vierzehn Spieltagen zwei Punkte mehr als in der Vorsaison geholt. Übrigens war zu diesem Zeitpunkt der SV Sandhausen Tabellenführer, aber dies ist eine andere Geschichte. Neben der Arbeit auf dem Platz gelingt es Pele Wollitz auch wie kein Zweiter, Druck von der Mannschaft zu nehmen und die Aufmerksamkeit mit seinen teilweise kruden Äußerungen zu vielen Themen rund um den Fußball auf sich zu lenken. Dabei beweist Pele die Präzision eines Maschinengewehrs. Manche Salven treffen voll ins Ziel, einige Kugeln gehen aber auch daneben.

In der Sache Maximilian Krauß verfehlte der Coach das Ziel völlig. Er warf dem Mittelfeldspieler, dessen Wechsel Wollitz nach Hansa Rostock in der Folgesaison erst einmal ausplauderte, vereinsschädigendes Verhalten und Wortbruch vor. Krauß wurde während des Aufstiegskampfes in der Endphase der Vorsaison aus dem Team ausgeschlossen, am Ende ging Cottbus buchstäblich die Energie aus. Dies warf er aber nicht sich oder seinem Team vor, sondern gab die Verantwortung direkt an Krauß aufgrund seines angeblichen Vorgehens weiter. Ohne die genauen Beweggründe zu kennen, aber es sollte auch Wollitz klar sein, dass dies nicht die ganze Wahrheit über das Scheitern in einem Aufstiegskampf sein und seine Äußerungen möglicherweise auch Folgen für die Karriere eines Spielers haben kann. Bis heute weigert sich Wollitz, Krauß nach dem Spielen gegen seinen neuen Klub Hansa Rostock die Hand zu geben. In Zeiten, wo Spieler sich „wegstreiken“, ist es schwer vorstellbar, dass Krauß sich so falsch verhalten hat, was ein solches Verhalten seines Ex-Trainers rechtfertigt.

In anderen Themen hat Wollitz durchaus nicht Unrecht, zum Beispiel, wenn es um Anstoßzeiten am Sonntag um 19:30 Uhr, Reporterfragen zu Tolcay Cigerci Rolle in der Mannschaft oder rassistischen Äußerungen gegenüber Justin Butler im Spiel gegen 1860 München geht. Trotz seiner Ankündigung, irgendwann für den Verein in einer anderen Position tätig zu sein, bleibt Pele Wollitz nach seiner kürzlichen Vertragsverlängerung an der Seitenlinie der Cottbuser. Das kann man jetzt gut oder schlecht finden, langweilig wird es auf jeden Fall nicht.

Seinem Stil ist er auf dem Platz auch treu geblieben. Cottbus spielt nach vorne einen sehr mutigen, fast überfallartigen Fußball, der eine gute Boxbesetzung garantiert und über Flankenläufe immer wieder für Gefahr sorgt. Tolcay Cigerci ist dabei nicht nur Strippenzieher im Zentrum, sondern auch Mann für das Grobe, indem er auch jenseits des Sechzehners Tore erzielen kann. Mit Erik Engelhardt hat ein Rückkehrer in die Lausitz seinen Torriecher im Gegensatz zur letzten Rückrunde wieder entdeckt und konnte bislang achtmal einnetzen. Kommt diese Offensive erst einmal ins Rollen, wird es für jeden Gegner in der Liga schwer.

Zweimal in der letzten Saison gelang es aber der Essener Defensive, die Lawine aus der Lausitz zu stoppen. Dies wird auch diesmal sehr nötig sein. Die Spielweise von Energie Cottbus zollt aber auch ihren Tribut. Durch den risikoreichen Spielaufbau ergeben sich durch das Pressing auf die Cottbuser Abwehr, in der die Abstimmungen nicht immer sauber sind, Möglichkeiten auf Torchancen. RWE hat in der zweiten Halbzeit in Ingolstadt gezeigt, dass dieses Mittel von der Mannschaft genutzt werden kann.

Der Blick über den Tellerrand und Fazit

Frohe Kunde gab es, wie bereits erwähnt, schon für die RWE-Fans am Freitagabend. Der Tabellenführer aus Duisburg musste eine herbe Niederlage im Kraichgau (4:1) hinnehmen. Deutlich mehr Freude wäre allerdings aufgekommen, wenn die Zebras nicht ausgerechnet gegen eine personell aufgerüstete Zweitvertretung aus Hoppenheim verloren hätten. Am späten Samstagnachmittag nutzte dann der VfL Osnabrück die Gunst der Stunde, trotz eines schwachen Spiels mit einem knappen 1:0-Heimsieg gegen den FC Ingolstadt mit dem MSV punktemäßig gleich zu ziehen.

Dahinter reiht sich der SC Verl ein, der mit einem Kantersieg in Köln (1:5) vorerst auf Platz drei rückt. Die Viktoria bleibt mit 23 Punkten dennoch voll im Soll und könnte demnächst auch wieder oben anklopfen. Dennoch wurden die Kölner zunächst in der Tabelle von Hansa Rostock überholt, die nach einem schwachen Saisonstart langsam zu ihrer Favoritenrolle zurückfinden. Allerdings tat sich die Mannschaft von der Ostsee gegen mutige „Schnüdel“ lange schwer (2:0), am Ende müssen die 05er mit leeren Händen nach Unterfranken zurückkehren. Waldhof Mannheim kann sich dank der Unterstützung von 10.000 Freikarten und Terrence Boyd knapp gegen den SV Wehen Wiesbaden (1:0) durchsetzen.

Punktgleich zum SVWW ist die Alemannia aus Aachen, die nach drei Siegen in Folge ausgerechnet im Heimspiel gegen Jahn Regensburg Federn lassen musste (0:2). Damit zieht Regensburg an Aachen in der Tabelle vorbei. Ganz tief im Keller konnte der TSV Havelse gegen den SSV Ulm 1846 endlich den ersten Saisonsieg einfahren (2:1). Damit wurde Pavel Dotchevs Debüt ordentlich vermiest und die Ulmer bleiben im Abstiegssumpf stecken.

Am Sonntag wartet zunächst die spannende Partie zwischen 1860 München und den FC Saarbrücken. Beide Mannschaften sind mit hohen Zielen in die Saison gestartet und befinden sich derzeit im Krisenmodus. Die letzten Ergebnisse sprechen eher von die Sechziger, die ihre letzten Heimspiele gegen die Spitzenteams aus Duisburg und Cottbus gewinnen konnten. Möglicherweise könnte dies dann die letzte Partie für Alois Schwartz am Seitenrand der Saarländer sein. Danach folgt das Duell zwischen Erzgebirge Aue und dem VfB Stuttgart II. Aue braucht Punkte, um die Abstiegsplätze vorerst verlassen zu können, die jungen VfBler möchten die Heimniederlage gegen Aachen wieder wett machen. Sollte 1860 gegen Saarbrücken verlieren und Aue gegen Stuttgart II gewinnen, müssen sich die Löwen beim VfL Osnabrück bedanken, dass der FC Ingolstadt punktlos nach Hause fahren musste. Ansonsten wäre der Topfavorit nach fünfzehn Spieltagen auf einem Abstiegsplatz gelandet. Diese Dritte Liga bleibt nach wie vor völlig verrückt.

RWE erhält an diesem Sonntag eine große Möglichkeit, auf eine ganz enge Tuchfühlung zu Platz 1 zu gehen. Sicherlich wird dies nicht die letzte Chance sein, auf einen Aufstiegsplatz zu springen. Die gute Punkteausbeute in diesem Kalenderjahr lässt darauf schließen, dass die Mannschaft von der Hafenstraße noch nicht satt ist. Trotzdem sind die Voraussetzungen mehr als günstig. Cottbus konnte von den letzten vier Pflichtspielen nur im Landespokal gegen Babelsberg mühsam gewinnen. Es wird also Zeit, die Mitfavoritenrolle auch anzunehmen. Die rot-weissen Zuschauer werden unter dem Flutlicht wieder immer bereit sein, ihren Teil dazu beizutragen.

In diesem Sinne:

NUR DER RWE!

Pascal Druschke