Vorbericht
Derby mit dem Prädikat „Spitzenspiel“ – RWE muss an der Wedau bestehen
MSV Duisburg vs. Rot-Weiss Essen – Folgen wir der Berichterstattung, dann besteht der gesamte 12. Spieltag nur aus einer einzigen Partie. Dies hat gleich mehrere Gründe. Zuletzt konnte der MSV, der immerhin eine Saison außerhalb des Profifußballs verbringen musste, nach seiner Rückkehr für sechs Siege am Stück sorgen und grüßt immer noch von der Spitze der Dritten Liga. Auch wenn die Konkurrenz aus Essen vor der Saison als Favorit auf den Aufstieg in die Saison ging, wurde die Mannschaft den Vorschusslorbeeren nicht immer gerecht. Doch mit neunzehn Zählern ist die Truppe von Uwe Koschinat punktgleich mit dem dritten Platz voll auf Kurs. Unter solch günstigen Voraussetzungen haben sich diese beide Mannschaften schon lange nicht mehr begegnet.
Zuletzt ließ der Fahrtwind für den MSV Duisburg leicht nach, denn nach der Auftaktserie folgte nur noch ein weiterer Sieg und drei Unentschieden. Am vergangenen Wochenende musste sogar die erste Niederlage der Saison bei den Münchener Löwen hingenommen werden, allerdings sollte die Mannschaft von Uwe Koschinat gewarnt sein. Die Leistungen des MSV waren in den meisten Spielen weiterhin gut, gegen die letzten drei Gegner Rostock, Saarbrücken und 1860 können Punktverluste passieren. Vor einem ausverkauften Haus wird der Aufsteiger aus Duisburg alles mobilisieren, um den ersten Pflichtspielsieg gegen RWE seit acht Jahren einzufahren.
Das Personal
In der vergangenen Woche gab es einige besorgniserregende Nachrichten rund um den Essener Trainingsplatz. Während der Woche konnten Lucas Brumme, Tom Moustier, Ramien Safi und Jannik Mause einige Trainingseinheiten nicht absolvieren. Dafür ist Kapitän Michael Schultz wieder fit. Er könnte Tobias Kraulich wieder aus der Startelf verdrängen, obwohl der ehemalige Dresdener zuletzt starke Leistungen sowohl im Spielaufbau als auch in den Zweikämpfen zeigte. Gewiss ist nur, dass vor Torwart Jakob Golz in der Innenverteidigung Rios Alonso starten wird. Auf der rechten Seite könnte Michael Kostka nach seinem guten Auftritt gegen Viktoria Köln den Vorzug vor Jannik Hofmann bekommen.
Links droht der Ausfall von Lucas Brumme, der im letzten Heimspiel gegen Köln ausgewechselt werden musste und sich noch über die Woche noch nicht vollständig auskurieren konnte. So ergibt sich eine Startchance für Francis Bouebari, der gegen den MSV besonders gefordert sein wird. Bei der Besetzung des defensiven Mittelfelds wird die Entscheidung von Uwe Koschinat nicht so einfach sein. Gegen einen sehr kampfstarken Gegner wie dem MSV wird ein Spieler vom Typ Klaus Gjasula gefragt sein, der im Pokalfinale gegen die Zebras schon eine ordentliche Partie ablieferte. Aber Tom Moustier, der im Training am Freitag seine Einsatzbereitschaft signalisierte, und Torben Müsel gaben ein starkes Duo gegen Viktoria Köln ab, wären allerdings eher eine spielerische Lösung, die im Derby vielleicht nicht unbedingt gefordert ist. Die Tendenz geht zu einem Einsatz von Klaus Gjasula, der neben Moustier oder Müsel auflaufen darf. Im offensiven Mittelfeld gibt es kein Vorbeikommen an Ahmet Arslan, der endlich in den letzten beiden Pflichtspielen jeweils einmal aus dem Spiel heraus traf. Auch auf den beiden Angriffsseiten scheinen Marvin Obuz und Kaito Mizuta gesetzt zu sein. In der Sturmspitze waren wie bereits erwähnt Ramien Safi und Jannik Mause angeschlagen, möglicherweise ergibt sich hieraus eine Chance für Marek Janssen. Doch hier lässt sich Uwe Koschinat nicht in die Karten schauen, wahrscheinlich muss der Trainer sowieso kurzfristig entscheiden, welcher Stürmer den besten Fitnesszustand für Sonntag hat.
Das Gegnerportrait: MSV Duisburg (Platz 1/ 24 Punkte/ 7 Siege, 3 Remis, 1 Niederlage/ 23:12 Tore, Differenz +11)
Der MSV Duisburg ist nach einer Saison zurück im Profifußball. Für die Traditionalisten ist dies eine gute Nachricht. Allerdings nerven die Zebrasfans damit, dass ihr Verein keine vierzehn Jahre wie der Rivale aus Essen brauchte, um den Klauen der Bedeutungslosigkeit zu entkommen. Diese Sichtweise würde aber so gar nicht dem „Wunder von der Wedau“ entsprechen, welches das Duisburger Marketing nach allen Regeln der Kunst ausschlachtet. Aber „Die harte Arbeit von der Wedau“ oder „Das erzwungene Glück von der Wedau“ klingen nicht ganz so schön, entsprechen aber eher der Wahrheit.
Für die „harte Arbeit“ ist nicht ausschließlich, aber vornehmlich der Geschäftsführer Michael Preetz zuständig. Begonnen hatte er seine Aufgabe im Januar 2024, als die Würfel für die Rückrunde schon gefallen waren und der MSV dem Abstieg aus der Dritten Liga entgegentaumelte. Preetz blieb im Ruhrgebiet und baute im Sommer eine Mannschaft auf, die dem Wiederaufstieg nicht dem Zufall überlassen sollte. So kamen unter anderem Alexander „Ali“ Hahn und Gerrit Wegkamp aus Münster, die sich mit Feierlichkeiten auskannten und kurz zuvor die Preußen in Liga zwei begleiten durften. Mit Kilian Pagliuca, Franko Uzelac, Dustin Willms und Thilo Töpken bedienten sich die Meidericher gleich viermal aus der Kadermasse des Drittligisten aus Aachen, aus Bocholt wurde Topscorer Malek Fakhro verpflichtet. Der wichtigste Transfer kam aber von Dynamo Berlin. Patrick Sussek scheiterte bei seinem ersten Versuch als Profifußballer beim FC Ingolstadt, allerdings in Duisburg sollte er regelrecht explodieren. Darüber hinaus gelang es Preetz noch, wichtige Spieler wie Torhüter Maximilian Braune, Abwehrspieler Tobias Fleckstein und Mittelfeldspieler Jakob Bookjans vom Neuaufbau zu überzeugen.
Dirigiert wurde das Ganze von Trainer Dietmar Hirsch, der durch seine Duisburger Vergangenheit die Identifikation der Truppe zum MSV erhöhen und den weiß-blauen Geist innerhalb der Kabine hochhalten sollte. Diese Mannschaft war zum Aufsteigen verdammt, doch muss neidlos anerkannt werden, dass dies keine Garantien sind, um die Rückkehr in den Profifußball zu schaffen. Nach einer kurzen Schwächephase zum Beginn der Rückrunde gelang dem MSV ein Durchmarsch, die Niederlage im Derby gegen RW Oberhausen am 31.01.25 sollte die letzte Pleite in einem Ligaspiel bis zum 19.10.25 gegen 1860 München werden, was bekanntlich am 11. Spieltag in der Dritten Liga war.
Die gute Kaderarbeit wurde aber von Faktoren begünstigt, die Preetz und den Rest der Verantwortlichen weniger beeinflussen konnten. In der Regionalliga gab es kein weiteres Team mit einem absoluten Anspruch auf den Aufstieg, also keine hochfinanzierte Konkurrenz aus Lotte, Köln, Rödinghausen, Verl, Uerdingen oder Münster und keine starke Zweitvertretung z. B. aus Dortmund, die den Titel auf der Strecke streitig machen wollte oder konnte. Auch finanziell und strukturell erfuhr der MSV jegliche Unterstützung. Für die Stadt Duisburg wäre der weitere Absturz ihres Vorzeigevereins eine Katastrophe gewesen, schließlich gibt es nur wenige Aushängeschilder, mit denen sich die einstige Industriemetropole in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schmücken kann.
So wurde aus dem MSV im Sommer 24/25 kein normaler Aufsteiger, der sich zurück in die Dritte Liga spielte. Trainer Dietmar Hirsch und Michael Preetz gaben noch vollmundig bekannt, man bleibe bescheiden und setze auf die Mannschaft, die für Stadt und Verein ihre Herzen auf dem Platz gelassen habe. Dies ist aber einmal mehr nur die halbe Wahrheit. Mit Christian Viet und Rasim Bulic kamen zweitligaerfahrene Spieler aus Regensburg, die sich von den Marktwerten in der Dritten Liga gleich oben einreihten. Conor Noß konnte zuvor immerhin in Österreich Erstligaluft schnuppern, bei Florian Krüger bissen sich der letztjährige Relegationsteilnehmer aus Saarbrücken die Zähne aus, ihn aus Belgien dauerhaft loseisen zu können. Die Duisburger Verantwortlichen verfolgen eine kluge Strategie, die zum Durchmarsch in die Liga zwei führen soll.
Demut und Understatement erfolgen in wohl dosierten Portionen nach außen, nach innen dürfte der Ton ein anderer sein. Schließlich weiß Preetz, dass die derzeitigen Umstände so günstig wie nie sind. In Duisburg ist unter den Anhänger durch den souveränen Aufstieg eine Euphorie entfacht, zudem sind die Absteiger aus der zweiten Liga in dieser Saison keine ernsthafte Konkurrenz. Mit dem Schwächeln der Favoriten aus München und Rostock und dem durchwachsenen Verlauf in Essen und in Saarbrücken stößt der MSV passend in das Vakuum hinein. Der starke Saisonstart mit sechs Siegen am Stück fachen diese Euphorie noch an. Auch wenn noch viele Spiele zu absolvieren sind, der Traum vom Durchmarsch hat seine Berechtigung. Allerdings bedeutet dies, dass die bislang frei aufspielende Mannschaft von der Wedau irgendwann auch merkt, sie könne möglicherweise etwas verlieren.
Der MSV wird gegen RWE mit ordentlich Schaum vor dem Mund auflaufen. Dafür sorgt allein schon Trainer Dietmar Hirsch, der mit Niederlagen und Kritik nur schlecht umgehen kann, wie seine Äußerungen gegenüber das angebliche Fehlverhalten der Gästefans beim Niederrheinpokalfinale zeigt, die leider immer noch von der Presse unreflektiert übernommen werden. Die Mannschaft aus Essen muss diesem Druck standhalten und ein Rezept gegen die Flügelzange Symalla/Sussek finden, die das Herzstück der MSV-Offensive bildet. Hier kommt viel Arbeit auf Kostka/Hofmann und Brumme/Bouebari zu. Auch die Defensive ist sehr gut besetzt, dies sieht aber auf Essener Seite genauso aus. Die Chance ist hoch, da die Mannschaften doch recht ähnlich auf manchen Positionen besetzt ist (Defensives Mittelfeld: Bulic vs. Gjasula, Spielmacher: Viet vs. Arslan), dass es zu einem Abnutzungskampf kommt, bei dem die Bereitschaft, den einen Schritt mehr zu gehen, entscheidend sein kann. Die Zuschauer können sich auf einen echten Fight im Ruhrgebiet freuen.
Der Blick über den Tellerrand und Fazit
Im Spiel am Freitagabend verschafften sich die Aachener etwas Luft in ihrer Krise und gewannen in Wiesbaden mit 1:2. Dadurch rutscht die Alemannia zunächst auf einen Nichtabstiegsplatz, während der SV Wehen stetig den unteren Regionen näher kommt.
Am Samstag treffen zunächst Waldhof Mannheim auf 1860 München, beide Teams hoffen auf den zweiten Sieg in Folge und ein Klettern in der Tabelle. Aus einer leichten Krise möchte sich der FC Saarbrücken befreien, der nach Ingolstadt reisen muss. Das Team von Sabrina Wittmann holte allerdings in den letzten drei Spielen starke sieben Punkte. Der Tabellenzweite aus Cottbus möchte gerne einen Platz nach oben gehen und hat den TSV Havelse zu Gast, der immer noch auf seinen ersten Saisonsieg wartet.
Jahn Regensburg befindet sich nach einem schwachen Start in die Spielzeit leicht im Aufwind, allerdings wartet mit dem VFB Stuttgart 2 ein Gegner im Formhoch. Beim Spiel des SC Verl gegen den SSV Ulm 1846 scheint es auch eine klare Rollenverteilung zu geben, denn nur der Gastgeber konnte in den letzten Spielen überzeugen. Im späteren Verlauf des Tages muss der VFL Osnabrück nach Schweinfurt reisen und will nach einer herben Niederlage gegen die TSG Hoffenheim 2 wieder in die Erfolgsspur zurückkehren. Fälschlicherweise wurde in dem letzten Spielbericht behauptet, die Schweinfurter hätten bislang keinen Saisonsieg gehabt, was nachweislich falsch ist und der Autor sich aufrichtig entschuldigt. Allerdings sorgte der Sieg in Ingolstadt am fünften Spieltag noch für keine erfolgreiche Saison der Schnüdel, die dringend Punkte benötigen, um aus dem Tabellenkeller zu kommen.
Am Sonntag spielen vor dem Derby noch Hoffenheim 2 gegen Erzgebirge Aue gegeneinander. Während die Hoffenheimer sich aus der Minikrise an der Bremer Brücke herausschießen konnten, bleibt die Mannschaft aus Sachsen gefährlich nahe an der Abstiegszone. Die spätere Partie findet zwischen Viktoria Köln und Hansa Rostock statt, wobei die neutralen Beobachter gespannt sein dürften, ob die Kölner zu alter Stärke finden oder die Hanseaten einen weiteren Sieg feiern dürfen.
Eine Niederlage im Derby wären beim derzeitigen Saisonverlauf für beide Teams zu verschmerzen. Duisburg spielt bislang eine sehr erfolgreiche Runde, mit der Betrachter von außen nie gerechnet hätten. Auch RWE ist auf dem Weg, von den Punkten her eine starke erste Hälfte der Spielzeit zu zeigen und sich alle Optionen offen zu halten, in den Kampf um die Aufstiegsplätze eingreifen zu können. Dennoch täte es den Fanseelen beider Klubs gut, den Revierrivalen zu schlagen. Duisburg wurde dreimal in Folge von den Essener geschlagen, RWE hatte in den Prestigeduellen gegen Aachen und RWO das Nachsehen. Möge die Mannschaft von der Hafenstraße alles in die Waagschale werfen, um auch diesmal den Zebras zu zeigen, wo es lang geht!
In diesem Sinne:
NUR DER RWE!
Spielbericht
Im heißen Derbyfieber (lange) kühlen Kopf bewahrt – RWE punktet an der Wedau
Am Ende hieß es schiedlich friedlich 1:1 und an den TV-Mikrofonen und auch auf der späteren PK hatten sich die beim Niederrheinpokalfinale im Mai noch so streitsüchtigen Coaches Dietmar Hirsch auf Duisburger sowie Uwe Koschinat auf Essener Seite lieb und überhäuften einander mit Fairness und Respekt. Ihre beiden Teams hatten sich zuvor ein rassiges Derby mit einem am Ende leistungsgerechten für RWE aber auch leicht glücklichem Remis geliefert. Essen hatte eine Stunde die bessere Spielanlage und viel Kontrolle, im letzen Drittel des Spiels drängten die Duisburger die Gäste aber fast nur noch zurück. Duisburg war zuvor nach 23 Minuten durch Krüger in Front gegangen, Ramien Safi nahm fast im Gegenzug ein Gastgeschenk von Keeper Braune dankend an, der dem Essener ohne großen Druck den Ball in die Füße spielte.
Das Personal
RWE begann mit der nun etablierten Viererkette und mit Tobi Kraulich sowie Rios Alonso als zentrale Verteidiger vor Keeper Jakob Golz. Die rechte Defensivseite gehörte Michael Kostka während Essen auf der anderen Seite zu einem Wechsel in der Startelf gezwungen war. Für den immer noch angeschlagenen Lucas Brumme lief Franci Bouebari auf. Klaus Gjasula kehrte nach seiner Sperre auf die Sechs zurück und erhielt mit Torben Müsel einen ballsicheren Begleiter anstelle des dynamischen Tom Moustier an die Seite gestellt. Marvin Obuz, Ahmet Arslan und Kaito Mizuta waren der defensiven Reihe vorgeschaltet, ganz vorne agierte Ramien Safi.
In dieser Formation hatte RWE das Spiel lange Zeit unter Kontrolle, bis die Partie nach gut einer Stunde kippte. Essen wechselte erst spät und zog dabei auch nur drei der fünf möglichen Optionen. In der 74. Minute kamen Kelsey Owusu und Marek Janssen für Marvin Obuz und Ramien Safi. RWE stand zu diesem Zeitdruck gehörig unter Druck. Nach 81 Zeigerumdrehungen kam Tom Moustier für Torben Müsel. Ganz am Ende sollte noch Nils Kaiser aufs Feld, doch es gab in der rastlos wirkenden Schlussphase keine Spielunterbrechung mehr.
Die Pluspunkte
Wer befürchtet hatte, heißblütige Gastgeber würden RWE von Beginn an stark stressen und unter Druck setzen, sah sich angenehm getäuscht. Die Rot-Weissen bewahrten kühlen Kopf, ließen Ball und Gegner laufen, der MSV kam kaum einmal in Pressingmomente, weil RWE mit gutem Positionsspiel und starkem Spielaufbau aus der eigenen Deckung heraus immer wieder spielerische Lösungen fand.
Hierbei sind vor allem zwei Namen zu nennen. Tobias Kraulich avancierte zum besten Mann auf dem Platz zeigte sich ideen- und spielstark, fand immer wieder den gut postierten eigenen Mann bis hin im letzten Drittel. Ein Innenverteidiger, der den Takt angab. Was viele RWE-Fans schon länger wussten, dürfte nun auch Uwe Koschinat hoffentlich endgültig klar sein. Ein Kraulich gehört bei jedem Trainer, der ein Leistungsprinzip nicht nur behauptet, sondern auch umsetzt auf das Feld. Unfassbar, dass Koschinat durch die Verletzung von Michael Schultz quasi dazu gezwungen werden musste.
Vor Kraule waren die Ruhe, Übersicht und Zweikampfstärke von Klaus Gjasula im Zentrum herausragend. Im Zusammenspiel mit der Ballsicherheit von Torben Müsel garantierte Essen das lange Ballpassagen. Zudem spielten die Rot-Weissen in Hälfte eins ein sehr ansehnliches Pressing und zwangen den MSV immer wieder zu einfallslosen langen Schlägen über Keeper Braune, die leichte Beute der Essener wurden. Nach dem Rückstand, der sich nicht unbedingt angedeutet hatte, zeigte RWE die sofortige Reaktion, auch wenn Ramien Safi das Präsent vom MSV-Keeper Braune schlichtweg annehmen musste.
Auch der Beginn der zweiten Hälfte gehörte RWE, Safi luchste dem in dieser Situation indisponierten Fleckstein in der Duisburger Box das Leder ab, aber Müsel schoss die Ablage nur ins Fangnetz. Müsel hatte zuvor in Hälfte eins schon aus 30 Metern eine Fackel an die Latte des Duisburger Tores abgefeuert, der eigentlich einzige RWE-Torabschluss, der nicht durch Fehler der Duisburger begünstigt wurde. Ab Minute 67 hatte RWE nach vorne nicht mehr viel zu bestellen, die Duisburger Druckphase verteidigte die Gäste mittels seiner überragenden Innenverteidiger, neben Kraulich war auch Rios Alonso mal wieder bärenstark, einem wachsamen Jakob Golz und mannschaftlicher Geschlossenheit.
Die Knackpunkte
Wenn Defensivspezialisten namentlich als herausragend genannt werden, sagt das umgekehrt auch etwas über die Offensivbemühungen aus. Aus viel Ballbesitz machte RWE vorne wenig, für den Ausgleich musste ein Megapatzer des gegnerischen Torhüters herhalten und obwohl dieser auch danach nicht unbedingt Sicherheit ausstrahlte, wurde Braune nicht weiter durch die Essener gestresst.
In Hälfte eins brach häufiger der extrem agile Michael Kostka auf der rechten Seite durch, war aber ebenso wie sein Gegenüber Bouebari dann bei der Flanke sehr unpräzise. Auffällig, dass Kostka offensiv immer wieder Räume bespielte, in denen man sich eher Marvin Obuz vorstellte, den es aber eher in die Mitte zog. Zuweilen fragte man sich, ob RWE zu viel spielerische Güte habe, um auch einmal einfache Dinge zu machen. Essen kombinierte häufig lange und auch geduldig um den Strafraum herum, aber mit einer Ausnahme, Müsels Lattenschuss, gab es keinen Abschluss aus der zweiten Reihe und auch kaum einmal klare Bälle in die Box, welche die Gastgeber hätten stressen können.
Zudem sei die Frage erlaubt, ob Tom Moustier der einzige RWE-Spieler ist, der es vermag den Ball weit in die Box zu werfen. Moustier kam erst spät ins Spiel, RWE wirkte manchmal so, als wisse man nicht, wo der Ball bei Einwürfen hin solle. Die Gastgeber zeigten umgekehrt, wie es gehen kann. Nach einem Einwurf, in dessen Vorfeld Klaus Gjasula wegen Ballwegwerfens eine saublöde gelbe Karte bekam, tankten sich die Duisburger rechts durch, Müsel nahm zu spät den Laufweg von Bitter hinter die Kette auf und bei dessen Hereingabe kam Alonso zum einzigen Mal an diesem Abend gegen Krüger zu spät, der am kurzen Pfosten den Ball verwerten konnte.
Wer zudem geglaubt hatte, der MSV sei etwas zermürbt worden, weil er lange Zeit dem Essener Aufbauspiel viele Laufwege entgegensetzten musste, sah sich gründlich getäuscht. Am Ende spielte nur noch der MSV und stresste Essen mit stetigen Bällen über Außen in die Box, die zu insgesamt 10 Duisburger Eckstößen führten. Auf der Gegenseite blieben es nur 2, auch das zeugt davon, dass RWE die Zielstrebigkeit abging.
Bezeichnend, dass Kelsey Owusu und Marek Janssen mehrere Minuten am Spielfeldrand zur Einwechslung bereit standen und nicht hereinkommen konnten, da der Essener Abwehr Duisburger Eckstöße von links und rechts nur so um die Ohren flogen. RWE muss sich fragen lassen, warum man sich derart zurückdrängen ließ und zudem den einzigen vielversprechenden Konter in Person von Kelsey Owusu, der den besser postierten Janssen übersah und den Ball fahrlässig vertändelte, kläglich vergab. Eine Antwort darauf könnte lauten, der MSV hatte mehr Kraft im Tank und die vielen späten Duisburger Siege in dieser Spielzeit waren keine Produkte des Glücks, sondern harter Arbeit. Über den Schlusspfiff war Essen am Ende glücklicher als die Duisburger.
Die Aufreger
Auf dem Feld war das Derby hart umkämpft, am Ende siegte RWE bei den Gelben Karten aber nur mit 4:3, sodass es stets robust aber fair blieb. Warum Schiedsrichter Richard Hempel ein klar absichtliches Handspiel von Bulic, der an der Mittellinie einen Essener Konter damit unterband, nicht mit einer Strafkarte bedachte, blieb ebenso sein Geheimnis wie die RWE-Proteste über den Duisburger Führungstreffer, bei dem keine Regelwidrigkeit erkennbar war. Nach dem Schlusspfiff verirrte sich noch MSV-Handballer Bulic in den RWE-Spielerkreis um Uwe Koschinat, der Essener Coach leistete aber fürsorglich umgehend Orientierungshilfe und geleitete Bulic heraus.
Für die Ränge galt das Gebot der Fairness nicht. Verbal ging es von beiden Seiten hart zur Sache, ein Umstand, den vor allem Uwe Koschinat nachher kritisierte und sich wünschte, man solle eher das eigene Team supporten anstatt den Gegner und den Berufsstand des horizontalen Gewerbes zu diskreditieren. Uwe war sich bewusst, damit womöglich einen Shitstorm zu ernten.
Die Spielqualität, die Dramatik und die tolle Stimmung hätten zu einem rundum gelungenen Derby passen können, wenn nicht beide Fanlager zutiefst verachtenswerte Tiefpunkte gesetzt hätten. Dabei geht es weniger um die von Uwe Koschinat zu Recht angesprochenen Unappetitlichkeiten oder andere Beleidigungen, die ja zum Teil zum Geschehen dazugehören. Es geht vielmehr um Grenzüberschreitungen, die auch in einem Fußballstadion nichts verloren haben.
Einige MSV-Anhänger hissten in der zweiten Hälfte ein Plakat, auf dem den RWE-Fans vorgeworfen wurde, dass sie gefeiert haben, während ein Mensch um sein Leben gerungen hat. Diese Meldung wurde bereits kurz nach dem Pokalfinale als Falschmeldung entlarvt, da auch die RWE-Anhänger den Support einstellten, bis der Sanitätseinsatz beendet wurde und man nach der Stadiondurchsage den Eindruck hatte, der Anhänger sei außer Lebensgefahr. Diesen Tod Monate danach noch auf diese Weise zu instrumentalisieren, lässt einen fassungslos zurück.
Auch das Werfen von Gegenständen mit dem Ziel Akteure auf dem Feld zu verletzen, lässt auf eine Verwahrlosung schließen, die mit gar nichts zu rechtfertigen sind. Diese Kandidaten kennen wir allerdings auch in den eigenen Reihen zu Genüge.
Bei den eigenen Reihen soll es dann auch weitergehen. Im Vorprogramm wurde ein Gespräch mit einem 15-jährigen Mädchen geführt, die dem MSV die Daumen hält und die einen Kampf gegen ihre Krebserkrankung führt. In diesem Fall waren es einige RWE-Anhänger, die hier ernsthaft den Gesang „Halt dein Maul!“ anstimmten. Wer sehen wollte, wie weit die Abstumpfung mancher Menschen geht, der hat das Extrem in dem Moment vorgeführt bekommen. Auch wenn vielleicht nicht jeder mitbekommen haben sollte, warum das Interview geführt wurde, machte es die Sache kaum besser. Wenn der Hass selbst vor Kindern nicht mehr halt macht, dann befindet man sich definitiv weit außerhalb des akzeptablen Bereichs.
Man möchte den Beteiligten all dieser Aktionen zurufen: „ES IST NUR FUSSBALL!“ Dieser überbordende Hass ist inakzeptabel, widerlich und hat nirgendwo etwas zu suchen.
Und an die junge MSV-Anhängerin seien stellvertretend für die große Mehrheit der RWE-Fans folgende Worte gerichtet: Wir wünschen dir alles erdenklich Gute in deinem Kampf gegen diese Scheißkrankheit, wir wünschen dir ein langes und erfülltes Leben mit vielen tollen Momenten auch mit deinem MSV!
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Seit dem Wiederaufstieg in den Profifußball liegen die Zebras den Essenern. Nur Joachim Llambys Großvater war noch Zeuge eines Duisburger Sieges über Essen. Spaß beiseite, auch im sechsten Anlauf, fünfmal in der Liga und einmal im Pokal, seit 2022 blieb der MSV sieglos gegen RWE, obwohl die Meidericher in gleich vier dieser Spiele in Front gegangen waren. Das spricht umgekehrt für die Essener Derbymoral und obwohl RWE zuletzt die Zebras dreimal in Serie besiegt hatte, nahm man den Punkt aufgrund des Spielverlaufs am Ende gerne mit. RWE bleibt damit als Fünfter mit 20 Zählern immer noch 5 Punkte hinter den Duisburgern, denen das vierte sieglosen Spiel in Serie allerdings die Tabellenführung gekostet hat.
Die hat nun Pelé Wollitz Cottbuser inne, die in einem unterhaltsamen Spiel den trapferen TSV Havelse mit 4:3 besiegten. Das Ausrufezeichen des Spieltages setzte der SC Verl, der den SSV Ulm mit 5:0 an der Poststraße wegfegte und dabei mit hoher Spielkultur beeindruckte. So langsam wird klar, dass nicht der nun mit mäßigem Erfolg in Münster tätige Alexander Ende der Vater des Verler Erfolgs gewesen war, sondern dass dieser kleine Klub auch unter Tobias Strobl seine eigene Philosophie durchsetzt. Lohn ist Platz 3 in der Tabelle, 2 Zähler vor RWE.
Rostock siegte souverän mit 4:2 bei Viktoria Köln, Waldhof Mannheim ist weiter im Aufwind und versetzte 1860 München einen 3:1-Rüffel und der VfL Osnabrück feierte einen 2:1 Arbeitssieg in Schweinfurt, das weiterhin das Tabellenende ziert. Gegen genau diese Schweinfurter tritt die Mannschaft von Uwe Koschinat am kommenden Sonntag an der Hafenstraße an und hat dabei eine gänzlich andere Aufgabe zu erledigen als noch gegen den MSV. Alle werden von einem Pflichtsieg sprechen, diese Aufgaben sind traditionell aber nicht einfach. Erkennbar ist ein positiver Trend einer stabil auftretenden Essener Mannschaft, die vor allem nun kompakt verteidigt. Gegen Schweinfurt geht es allerdings um offensive Lösungen.
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Mitarbeit: Hendrik Stürznickel
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