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2023/2024 – 3. Liga

NRP-Finale Rot-Weiss Essen – Rot-Weiß Oberhausen (3:0)

RWE gewinnt in einem unspektakulären Niederrheinpokal-Finale mit 3:0 gegen Oberhausen und zieht in die erste Runde des DFB-Pokals ein. Unsere Fotos und die Spielanalyse sind online.

Vorbericht

Schuss, Tor, Hurra, wir holen den Pokal!

Vor fast genau 30 Jahren war dieser Smash-Hit in Essen in aller Munde und Ohren. Im Mai 1994 stand Rot-Weiss Essen im DFB-Pokalfinale in Berlin und vor dem Match gegen Werder Bremen (1:3) legte ein heute unbekannter Interpret den ein Jahr zuvor für die Hertha-Amateure gedichteten Song rot-weiss gefärbt textgetreu wieder auf. Denn 1993 hatten ausgerechnet die Herthaner „Amateure“, wie man zweite Mannschaften damals noch nannte, das Kunststück geschafft, das Finale im eigenen Stadion zu erreichen. Wobei auch das nicht ganz stimmte, denn eigentlich spielte man nur anlässlich des Endspiels dort und ansonsten in einem kleinen Stadion irgendwo im großen Berlin. Den Hertha Profis blieb es übrigens bis heute verwehrt, im Olympiastadion ein Endspiel zu spielen. Die denkbar knappe 0:1 Niederlage der Amateurmannschaft gegen Bayer Leverkusen gilt noch immer als Symbol dafür, dass auch die „Kleinen“ es weit bringen können. Davon träumt auch RWE.

Zum Jubiläum des letzten eigenen großen Endspiels muss der Drittligist daher erst einmal das Finale um den Verbandspokal Niederrhein gewinnen, um zur neuen Spielzeit im Hauptfeld des DFB-Pokals starten zu dürfen. Gegner am kommenden Samstag im Stadion an der Hafenstraße ist Regionalligist Rot-Weiß Oberhausen. In der Neuauflage des Vorjahresendspiels, das RWE mit 2:0 für sich entscheiden konnte, geht es für beide Klubs um das Prestige und im Duell zweier Revierklubs natürlich um viel Kohle. Neben diversen Akteuren, die RWE nun verabschiedet, ist es auch das letzte Spiel für Marcus Uhlig als Vorstandsvorsitzender von Rot-Weiss Essen.

Rund um die Hafenstraße, das Personal und die taktischen Optionen

Die Vorzeichen sind anders als vor 12 Monaten. Nachdem sich RWE in seiner ersten Saison im Profifußball nach 14 Jahren Durststrecke erst am vorletzten Spieltag vor dem Abstieg retten konnte, galt das Match gegen Oberhausen als durchaus offen. So offen, dass Coach Christoph Dabrowski auf der Pressekonferenz von einer 50:50 Partie sprach. Essen setzte sich mit 2:0 durch, nicht glanzvoll, aber Fußball ist halt Ergebnissport. Und diese Ergebnisse stimmten in den letzten Wochen nicht mehr so ganz bei RWE. Nach einem überzeugenden 4:0 Heimerfolg über Ingolstadt holten die Rot-Weissen aus den drei Restpartien nur noch einen Zähler. Anstatt gegen Wehen-Wiesbaden die Relegation zum Aufstieg in die zweite Bundesliga zu spielen, fiel RWE auf Platz 7 zurück. Mit dem 0:1 gegen 1860 München am vorletzten Spieltag waren die Träume ausgeträumt.

Und nicht nur das, Essen verpasste auch den Einzug in den DFB-Pokal über die Ligaplatzierung, Vierter hätte man hierfür werden müssen. Coach Christoph Dabrowski wollte nach dem letzten Saisonspiel in Lübeck, das beim Tag des offenen Tores 3:3 endete, aber keine Enttäuschung zulassen und lobte seine Mannschaft und im Grunde alle bei Rot-Weiss Essen inklusive der Fans für eine gute Saison. Intern dürfte man angesichts der mageren Schluss-Ergebnisse des Jahn aus Regensburg aber dennoch etwas zerknirscht sein über eine verpasste Großchance. Gerne hätte man zudem das Niederrhein-Pokalfinale gegen den langjährigen Rivalen aus Oberhausen zum Freundschaftsspiel degradiert und sich bereits über die Liga für den Pokal qualifiziert.

Nicht weil man Oberhausen fürchtet, aber jede erlangte Planungssicherheit lässt die Verantwortlichen ruhiger schlafen. Vor dem Finale Daheim hat RWE daher die Bürde des dieses Mal eindeutigen Favoriten und damit auch die Fallhöhe eines Scheiterns zumindest im Hinterkopf. Es geht um viel Geld und damit um eine Aufstockung des Saisonetats für die kommende Spielzeit. Auf Nachfrage beim scheidenden RWE-Boss Marcus Uhlig wurden hier 250.000 € als sogenannter Rohertrag nach Abzug aller Kosten genannt, die Essen dann zusätzlich in seinen Kader investieren könnte. Die darf man sich nicht durch die Lappen gehen lassen. Auch das Umfeld erwartet zu 1907% einen Sieg von seiner Mannschaft. Ansonsten könnte die zuletzt so positive Stimmung doch noch einmal kippen.

Die Rollen sind klar verteilt. Rot-Weiss Essen hat sich in der Tabelle der Dritten Liga im Vergleich zum Vorjahr um 8 Plätze verbessert und holte 17 Zähler mehr als damals. Auf den letzten Metern der Liga verpasste Essen aber neben dem Aufstieg, der freilich eine Sensation gewesen wäre, auch die gesetzten kleineren Ziele, zusätzlich zum versäumten Platz 4 auch eine etwas bessere Rückrunde als Hinrunde zu spielen.

Holte die Dabrowski-Elf 30 Zähler aus der ersten Halbserie, so blieb sie mit 29 Punkten aus der zweiten Halbserie etwas darunter. Das Ziel Niederrheinpokalsieg muss jedoch realisiert werden. Somit gilt nun die volle Konzentration der „Pflichtaufgabe“ gegen Rot-Weiß Oberhausen, das sich weitaus klarer in der Underdog-Rolle befindet als beim letzten Endspiel in Essen, denn RWE hat sich fußballerisch seitdem deutlich weiterentwickelt.

Essens Personalsituation enthält einen Wermutstropfen. Leider fehlt den Rot-Weissen Marvin Obuz, dessen Oberschenkelprobleme in Lübeck zurückkehrten. So wird die Leihgabe vom 1. FC Köln, dorthin wird Obuz nun zurückkehren, keinen Abschied von der Hafenstraße im Trikot auf dem Feld erleben. Schade, denn mit 21 Scorerpunkten war MO11 ein Unterschiedsspieler in der dritten Liga, der mit Oberhausens Deckung sicherlich gerne seinen Spaß gehabt hätte. Auf dem Rasenrechteck wird aber ein anderer scheidender Schlüsselakteur stehen. Sein letztes Heimspiel, auch wenn RWO offiziell das Heimrecht genießt, wird Felix Götze absolvieren. Er war der große Stabilisator der Essener Abwehr, alle Zahlen, Daten und Fakten belegen, mit Götze ging alles besser bei Essen. Lange Zeit kämpfte RWE daher um den Verbleib des Blondschopfs, doch der entschied sich nach dem verpassten Aufstieg final für einen Wechsel. Ab der kommenden Spielzeit wird FG24 beim Zweitligisten SC Paderborn auflaufen. Von daher möchte er sicherlich auch gerne noch ein vorläufig letztes Mal eine stimmungsvolle Heimkulisse mitnehmen wollen, denn mit der ist es dann zukünftig Essig in der Bischofsstadt.

Götze wird mit Rios Alonso das Innenverteidigerduo vor Gigant Golz bilden. Dort werden sie wohl weniger defensiv im Feuer stehen als in der Liga und im Spielaufbau gegen einen wahrscheinlich tief stehenden Kontrahenten gefordert sein. Auf den Außenpositionen ist mit Lucas Brumme und Nils Kaiser zu rechnen. Andy Wiegel fehlt noch verletzt. Im Mittelfeld wird es da spannender. Vinko Sapina und Torben Müsel sind gesetzt. Cedric Harenbrock wird nach seiner Blessur am Sprunggelenk offenbar wieder auflaufen können. Das letzte Mal für Rot-Weiss Essen, Cedis Ziel ist noch unklar. Erster Ersatz wäre Thomas Eisfeld. Für Marvin Obuz lief zuletzt meistens Sandro Plechaty auf. Auch für Plech ist es das letzte Spiel im RWE-Trikot. Sein Vertrag wird nicht verlängert. Das gilt nun auch offiziell für Isi Young. Eine Luftveränderung wird dem sympathischen US-Boy womöglich guttun. Auf einen Startplatz als linker Flügelspieler darf er hoffen. Die Alternative wäre Sascha Voelcke, dessen Essener Zukunft noch ungeklärt ist. Im Sturm wird kein Weg an Leonardo Vonic vorbeiführen. Leo wurde beim Rolli-Hüttenabend kurz zuvor offenbar durch nette Gespräche besonders motiviert, denn beim Liga-Abschluss in Lübeck gelang ihm sein erster Profi-Hattrick. So müssen Ron Berlinski, ein weiterer scheidender Akteur, und Moussa Doumbouya mit der Jokerrolle vorliebnehmen.

Auf RWE wird eine ganz andere Anforderung zukommen als in den Matches der Dritten Liga. Anders als in den Punktspielen ist die echte Augenhöhe beider Teams nun nicht gegeben. Während RWE einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht hat, stagnierte Gegner RWO in Liga 4 (siehe Gegnerportrait).  Essen wird gegen einen tiefstehenden Gegner das Spiel machen müssen, hohes Pressing und die Chance auf ein schnelles Überbrücken der Zwischenräume wird Oberhausen den Essenern wahrscheinlich nicht anbieten.

Womöglich wartet ein zähes Ringen, in dem RWE dem Gegner keine guten Umschaltmomente gönnen darf und kritische Situationen überstehen muss, wenn Moritz Stoppelkamp offensive Standards bekommt. Kann Essen sein gutes Kombinationsspiel aufziehen, wird RWO aber viel laufen und zulaufen müssen, was einem Viertligisten durchaus stärker zusetzen wird, als einem Ligakonkurrenten. RWE ist der Favorit, war eines der heimstärksten Teams der vergangenen Saison und muss die anstehende Aufgabe mit der notwendigen Energie, aber auch Konzentration lösen, die im Liga-Endspurt abhandengekommen schien. Am Ende des Tages gab es trotz einer sehr guten Saison der Dabrowski-Elf eben doch etwas zu verlieren und die viel zitierte Lockerheit fehlte. Nun gibt es aber kein Lamentieren mehr. Der Verbandspokalsieg, es wäre Essens Elfter an der Zahl, muss her.

Der Gegner: SC Rot-Weiß Oberhausen (Regionalliga West/ 7. Tabellenplatz/51 Punkte/56:36 Tore)

Am Ende der Saison gab es ein extrem ungewohntes Daumendrücken aus Oberhausen in die östliche Nachbarstadt Essen. Arbeitet man sich bei RWO ansonsten beinahe im Endlosmodus gerne am rot-weissen Rivalen ab, so hätte es nun auch RWO gefreut, wenn RWE sich bereits über die Liga für die erste Hauptrunde des DFB-Pokals qualifiziert hätte. Gönnt man Essen im Grunde nicht das Schwarze unter dem Fingernagel, so hätte das für RWO bedeutet auch selber sicher dabei zu sein im Wettbewerb, denn dann wäre man auch im Falle eines verlorenen Finales an der Hafenstraße als Vertreter des Verbandes Niederrhein qualifiziert gewesen.

Dafür muss man nun einen dicken Bock umstoßen und das Finale beim selbst erklärten Erzfeind gewinnen. Dass man erneut im Stadion an der Hafenstraße antreten muss, erfreut die Oberhausener nachvollziehbarerweise nicht. Schon im Vorjahr hatte RWE Heimrecht. Da das Stadion an der Hafenstraße neben der Schauinsland-Arena in Duisburg jedoch die modernste Arena im Dunstkreis des FVN ist, entschied man sich auch für die besten Einnahme-und Vermarktungsmöglichkeiten, schließlich kassiert der Verband mit. Zudem muss Oberhausen sich zumindest insgeheim eingestehen, im Finale 2018, als RWO unseren RWE im Stadion Niederrhein empfangen hatte, vorsichtig gesprochen in der Organisation wenig bis gar nichts im Griff gehabt zu haben. Man muss das nicht wieder aufwärmen.

So reist der klassentiefere Verein erneut in die Nachbarstadt, wo er offiziell Heimrecht genießt, was freilich nur von der Papierform so sein wird. RWE behält weitestgehend seine traditionellen Heimbereiche, die auch schon lange ausverkauft sind. Für RWO wird die gesamte Gottschalk-Tribüne zur Verfügung stehen, hier gibt es aktuell noch Resttickets. Ganz grundsätzlich weiß man auch beim Kontrahenten, dass die Einnahmen im Finale im Stadion an der Hafenstraße signifikant höher ausfallen als im Stadion Niederrhein.

Der Trainer der Kanalstädter ist einmal wieder der ewige Mike Terranova. Der löste Jörn Nowak ab. Der ehemalige sportliche Leiter der Essener, der zuvor diesen Posten an der Landwehr innehatte, war sehr überraschend auf den Trainerstuhl der Oberhausener berufen worden. Wer Oberhausens pathologisch zu nennende Besessenheit von Rot-Weiss Essen kennt, hielt diese Personalie von Beginn an für eine gehörige Schnapsidee, die man am Kanal ausgebrütet hatte. Die Fanseele kochte, aber kein Dreisterne-Menü, sondern einen Wut-Sud. Schon bevor der erste Ball rollte, gab es klare Ansagen der aktiven Szene an Nowak und seine Mannschaft. Man müsse liefern, oder es krache. Nun, es krachte. Nur 19 Ligaspiele durfte Jörn Nowak das Zepter schwingen.

In diesen holte RWO 32 Zähler und einen Schnitt von 1,68 Punkten. Das war nicht überragend, aber immerhin stand man auf Platz 3 der Tabelle. Der spätere Aufsteiger Alemannia Aachen war zwar 9 Punkte entfernt, aber man hatte noch ein Nachholspiel in Velbert in der Hinterhand. Die Hypothek seiner Essener Vergangenheit war jedoch zu groß, nach dem enttäuschenden 1:1 gegen den SV Lippstadt lieferte sich der Trainer auch verbale Duelle mit der Kurve und flog bereits vor dem Spiel in Velbert nur wenige Tage später. Am Ende der Mesalliance zwischen Nowak und Oberhausen musste man den Eindruck gewinnen, des Trainers Kopf habe man den dortigen Ultras auf dem Silbertablett präsentieren müssen. Anders als der FC Bayern, der partout keinen neuen Übungsleiter aufzutreiben vermag, hat Rot-Weiß Oberhausen aber eben die treue Seele Mike Terranova, dem es trotz zahlreicher Versuche nur partiell zu gelingen scheint, sich vom Trainersessel bei RWO zu lösen.

Eine Aufholjagd in Richtung Aachen sollte nicht gelingen. Zwar feierte der Rückkehrer sofort einen 3:0 Erfolg in Velbert, aber Terranovas Gesamt-Bilanz war nicht unwesentlich schlechter als die seines Vorgängers. In noch 15 Partien nach Jörn Nowak wanderten nur noch 19 weitere Zähler aufs Punktekonto und der Schnitt des ewigen Mike betrug nur 1,26 Zähler. Da man in Oberhausen nicht in die Oper geht, hat man auch keine Operngläser. Die hätte man aber benötigt, um das enteilende Alemannia Aachen in der Tabelle überhaupt noch erkennen zu können. Am Ende waren es satte 24 Punkte Differenz zum Aufstiegsplatz, Oberhausen hatte seinen Rückstand zur Spitze nach der Demission des Ungeliebten JN somit vervielfacht.

RWO landete am Ende genau wie in der Vorsaison auf Platz 7 und holte sogar 2 Punkte weniger, enttäuschend für einen Verein, der der Regionalliga entkommen möchte jedoch genau wie RWE in vielen Jahren aktuell nur die goldene Ananas jagt. So hofft man weiterhin auf bessere Zeiten. Patrick Bauder wurde dafür vom Amt des Sportlichen Leiters weggelobt und übernimmt künftig andere Aufgaben im Verein. Chefplaner der sportlichen RWO-Geschicke ist nun Dennis Lichtenwimmer-Conversano, ein neues Gesicht, der es immerhin auf eine zweistellige Anzahl von Silben im Namen bringt, sodass Reviersport zukünftig viele klangvolle Headlines über ihn veröffentlichen kann. Ein neuer Cheftrainer für 2024/25 wurde noch nicht vorgestellt. Bleibt abzuwarten, wer zur neuen Saison auf unbestimmte Zeit interimsweise den Sessel des dann wiederkehrenden Interimstrainers Terranova besetzen wird. Dessen aktuelle Bilanzen sind sicherlich keine, die unseren Verein vor Ehrfurcht vor Oberhausen erstarren lassen. Wie will RWO neben dem Motto, dass der Pokal seine eigenen Gesetze habe, an der Hafenstraße die Überraschung schaffen?

 
Mike Terranovas Fußball sprüht selten vor Esprit. In der Vergangenheit sah man in den Matches der beiden Revierrivalen häufig ein körperlich sehr robustes RWO, das lange Bälle spielte, mit Macht auf die zweiten Bälle davon ging und bei Standards gefährlich war. Für dieser Art Fußball war der für oder besser von Jörn Nowak zusammen gestellte Kader eher nicht gedacht. Mit Oguzhan Kefkir, Michel Niemeyer und Marius Kleinsorge wurden gleich drei Spieler verpflichtet, die unter Nowak als sportlichem Leiter bereits in Essen aktiv gewesen waren. Kefkir erzielte noch im Vorjahresfinale per Elfer das 2:0 für RWE, um kurz darauf seinen Wechsel zu RWO bekannt zu geben. Ein Schelm, wer da denkt, das seien Personalentscheidungen des sportlichen Leiters Patrick Bauder gewesen.

Nowak wollte Oberhausen mit konsequentem Flügelspiel spielstärker machen, was unter dem Strich nicht gelang. Kefkir, Niemeyer und Kleinsorge spielten kaum eine Rolle, alle drei Akteure werden zur nächsten Saison nicht mehr bei RWO auflaufen. Zumindest Kefkir und Niemeyer nicht. Kleinsorge besitzt allerdings noch ein gültiges Arbeitspapier bis 2025, das er zu erfüllen gedenkt, wenn sich keine für ihn reizvolle, sprich lukrative Alternative auftut. Jörn Nowaks Neuzugänge atmeten auch ansonsten nicht gerade Kreativität. Er setzte auf schon aus früheren Zeiten bekannte Namen. Das gilt auch für seinen Königstransfer Moritz Stoppelkamp.

Die alternde Diva wurde vom MSV Duisburg im Sommer 2023 aussortiert. Man wollte ohne den in die Jahre gekommenen langjährigen Leader eine neue Mannschaft aufbauen. Beim MSV ging das gnadenlos schief. Dafür erfreute sich RWO des begnadeten Kickers Stoppelkamp. Mittlerweile ist er 37 Jahre alt und noch immer im Saft. Stolze 15 Tore verbuchte der offensive Mittelfeldmann in der vergangenen Spielzeit in der Regio West, darunter gleich 6 verwandelte Strafstöße. Stoppelkamp ist der einzige Spieler bei Oberhausen, der aus einer ziemlichen Tristesse klar herausragt. In der Vorsaison spielte er noch für den MSV Duisburg gleich zweimal groß auf gegen RWE und erzielte jeweils ein Tor. Die Kulisse an der Hafenstraße wird Stoppelkamp zweifelsohne motivieren. In grauer Vorzeit trug Stoppel auch schon das Trikot von Rot-Weiss Essen, die Hafenstraße war seine erste Profistation.

Auch Sven Kreyer schnürte seine Schuhe schon für RWE. Oberhausens Neuner, dessen Antritt wirkt, als zögen zwei Ochsen einen mit einem Bauernschrank beladenen Karren aus der Lagerhalle von Möbel Kröger, ist immer noch relativ treffsicher, 10 Tore standen für ihn in der Regio West zu Buche. Genauso viele wie für Sturmpartner Cottrell Ezekwem, dessen Quote bei aber nur 26 Ligaspielen und diversen Jokerrollen durchaus gut ist. Der 2,02 Meter-Mann wurde ursprünglich als Innenverteidiger ausgebildet und verkörpert Lufthoheit. Dass RWO mit dieser Offensivachse die Essener hoch anläuft, ist nicht zu erwarten. Man wird sich eher auf seine stabile Abwehr verlassen, die in 34 Partien nur 36 Gegentreffer hinnehmen musste. In dieser Kategorie hat man sich enorm verbessert, im Vorjahr klingelte es 20mal öfters in der RWO-Kiste.

Obwohl mit Nico Klaß ein für die vierte Liga Hochkaräter verletzungsbedingt schon lange ausfällt, macht der Defensivverbund mit Tim Stappmann, Pierre Fassnacht oder Routinier Tanju Öztürk vor Stamm-Keeper Robin Benz seine Sache gut. Essens ehemalige Nummer 1 Daniel Davari übrigens ist bei RWO als graue Eminenz nur noch die Nummer 3 unter den Schlussleuten. Je mehr man sich mit Oberhausens Kader und Möglichkeiten beschäftigt desto mehr kommt man auf die Idee, Terranovas Konzept würde dem des lange beim MSV Duisburg praktizierten „Alles auf Moritz Stoppelkamp“ am Samstag sehr ähneln. Obwohl zuletzt nur in der Reservistenrolle darf man Wandspieler Sven Kreyer erwarten, er soll vorne Bälle festmachen können und Freistöße erzwingen, dann kommen Stoppelkamps gefürchtete Momente.

Und hinten wird Beton angerührt, wohl wissend, dass RWE gegen sehr tief stehende Gegner Probleme mit der Durchschlagskraft bekommen könnte. Und je länger die Null hinten steht desto mehr könnte RWO die Essener verunsichern und Nadelstiche setzen. Vielleicht klingt das arrogant, aber irgendwo fehlt die Phantasie, einen völlig anderen Auftritt zu erwarten. Immerhin hat Oberhausen mit 7 Punkten aus den letzten 3 Saisonspielen seine mäßige Bilanz aufbessern können, während RWE zeitgleich in ein kleines Loch fiel. Was aber auch umgekehrt bedeutet, dass RWO in den 12 Spielen zuvor im Schnitt genau ein Zähler gelungen war. Der Druck für Oberhausen ist in diesem Finale geringer als der für RWE. Andererseits könnte eine Sensation den Saisonetat von RWO relativ gesehen noch viel weiter aufstocken. Übrigens gibt es dadurch auch im Finale ein Daumendrücken für Rot-Weiss Essen von ungewohnter Adresse.

Der MSV Duisburg hofft darauf, dass dem zukünftigen Ligarivalen aus Oberhausen kein Coup in Essen gelingt. Denn in diesem Fall wäre das Säckel des Konkurrenten deutlich besser gefüllt. Neben dem Prestige in diesem Revierderby gibt es also durchaus etwas zu verlieren für den westlichen Nachbarn. Oberhausen muss zudem die innere Spannung für dieses Highlight erst erneut aufbauen, denn in der Meisterschaft war der Zug schon sehr lange ab- und am Bahnhof Sterkrade vorbeigefahren.

 
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Der Finaltag der Amateure
Am Samstag tragen die insgesamt 21 Landesverbände ihre Landespokalendspiele aus. Ab 11:45 Uhr gibt es jeweils gestaffelt Fußball satt. Die Ouvertüre zum DFB-Pokalfinale am Abend. Dann trifft in Berlin der krasse Underdog 1.FC Kaiserslautern auf das zumindest national unbesiegbar erscheinende Bayer Leverkusen. Die Werkself, jüngst erstmals in der Vereinsgeschichte Deutscher Fußballmeister geworden, kann dann das Double schaffen. Beim Stichwort DFB-Pokal denken wir unwillkürlich zurück an ein Spiel im Februar 2021, als der krasse Außenseiter Rot-Weiss Essen das hoch favorisierte Bayer Leverkusen im Achtelfinale des Wettbewerbs mit 2:1 an der Hafenstraße besiegte. Das ist Ansporn aber auch Warnung zugleich. Denn wenn RWE trotz damaligen drei Klassenunterschieds triumphieren konnte, muss man sich umgekehrt natürlich hüten, wenn man mit RWO auf ein klassentieferes Team treffen wird. Dennoch sollte es das klare Ziel der Essener sein und auch ihrem Selbstverständnis entsprechen, Rot-Weiß Oberhausen mit einer Niederlage auf den Heimweg zu schicken, um dann umgekehrt als Außenseiter für Furore im großen Wettbewerb zu sorgen.

Mit Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue sowie Arminia Bielefeld und dem SC Verl sind auch am Finaltag der Amateure Profivereine unter sich. Im sächsischen Finale hält sich die Spannung in Grenzen, denn Gastgeber Dresden machte die Qualifikation für den Wettbewerb bereits über die Liga klar. Am Mittelrhein bekommt es Drittligaaufsteiger Alemannia Aachen mit dem Bonner SC zu tun. Die drei klassentiefsten Mannschaften entstammen der fünftklassigen Verbandsliga. Die SG Schneifel tritt im Pokal des Rheinlands bei Regionalligist TuS Koblenz an, in Südbaden empfängt der SC Lahr den Oberligisten FC Villingen. In Baden geht mit dem 1. FC Mühlhausen der dritte Fünftligist an den Start und das auch noch gegen den Profiklub SV Sandhausen. Nirgendwo ist der Klassenunterschied der Teams größer.

Großpokalschreck Saarbrücken, in dieser Spielzeit Halbfinalist des DFB-Pokals, drängt im Saarland-Finale gegen den FC Homburg erneut ins Hauptfeld. Der Hallesche FC ist zwar frisch abgestiegen, tritt aber in Sachsen-Anhalt noch offiziell als Drittligist bei Oberligist Germania Halberstadt an. Letzter Profiklub im Finalreigen ist der SV Ingolstadt, der in Würzburg bestehen muss. Eine noch recht namhafte Begegnung findet in Brandenburg statt. Nachdem der FC Energie Cottbus am letzten Wochenende die Rückkehr in Liga 3 perfekt gemacht hat, möchte Pelé Wollitz nun einen weiteren Erfolg gegen den ehemaligen Zweitligisten Babelsberg erringen.

In Hessen steht mit Kickers Offenbach ein weiterer ehemaliger Bundesligist unter Druck. Ex-RWE-Coach Christian Neidhart war vor Saisonbeginn angetreten, um nach Essen einen weiteren gefallenen Fußball-Engel aus den Niederungen des Amateurfußballs zurück ins Profilager zu führen. Bislang scheiterte das Unternehmen kolossal. Noch nicht einmal die obere Tabellenhälfte erreichte Offenbach und wurde 11. Christian Neidhart appelliert vor dem Finale bei Oberligist Türk Gücü Friedberg an die Ehre seiner Spieler. Selten ein gutes Zeichen, wenn eine solche Karte gezogen werden muss.

Ansonsten komplettieren folgende Begegnungen den Finaltag:

Berlin: FC Viktoria 1889 (RL) – TuS Makkabi (OL)

Bremen: SV Hemelingen (OL) – Bremer SV (RL)

Hamburg: USC Paloma (OL) – FC Teutonia Ottensen (RL)

Mecklenburg-Vorpommern: Greifswalder FC (RL) – TSG Neustrelitz (OL)

Niedersachsen: VfV Hildesheim (OL) – Atlas Delmenhorst (OL)

Schleswig-Holstein: SV Todesfelde (OL) – 1. FC Phönix Lübeck (RL)

Südwest: TSV Schott Mainz (RL) – SV Gonsenheim (OL)

Thüringen: ZFC Meuselwitz (RL) – FC Carl Zeiss Jena (RL)

Württemberg: SG Sonnenhof Großaspach (OL) – VfR Aalen (RL)

Die Namen einiger der oben genannten Vereine genießen bundesweit wohl nur an dem Finaltag der Amateure Aufmerksamkeit. Das Finale des Fußballverbands Niederrhein zwischen RWE und RWO ist als das Match zweier ehemaliger Bundesligisten die namhafteste Finalpaarung des Tableaus. Für RWE gilt es 30 Jahre nach dem großen Pokalfinale in Berlin als ersten Schritt das Verbandspokalfinale für sich zu entscheiden. Und nicht zuletzt auch Marcus Uhlig nach fast 7 Jahren an der Spitze des Vereins sowie unter den scheidenden Spielern insbesondere Cedric Harenbrock einen erfolgreichen und würdigen Abschied zu bereiten.

In diesem Sinne

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Spielbericht

RWE vergoldet die Saison mit dem Niederrheinpokalsieg

Überall im Stadion an der Hafenstraße blickte man in zufriedene Gesichter, nachdem Rot-Weiss Essen mit einem ungefährdeten 3:0-Erfolg über Oberhausen den Niederrheinpokal errungen hatte. Für den Verein hing eine Menge von dem Pokalsieg ab. So kann die sportliche Leitung sich über eine kleine Erhöhung des Etats der Profimannschaft freuen und damit ein wenig mehr Luft bei der Kaderzusammenstellung erreichen.

Aber auch für die Zuschauer bedeutet dies, dass wir im August erneut mindestens ein Highlight in der ersten Pokalrunde bestaunen dürfen. Auch wenn RWE leider nicht gewinnen konnte, haben wir das dramatische Spiel gegen den Hamburger SV noch alle vor Augen und die leise Hoffnung, dass es vielleicht eine Wiederholung der tollen Pokalrunde der Saison 2020/21 mit uns Fans im Stadion geben könnte.

Ein letztes Tor für Rot-Weiss erzielte Ron Berlinski.

Das Personal

Christoph Dabrowski musste insbesondere auf der rechten Seite einige Ausfälle kompensieren, da Marvin Obuz und Andreas Wiegel ausfielen. Hier bekam Isaiah Young sein Abschiedsspiel und Nils Kaiser half erneut auf ungewohnter Position aus. Insbesondere Kaiser schreibt in dieser Saison noch eine Erfolgsstory, die ein wenig unter dem Radar läuft. Vor der Saison bereits angezählt, wurde im Vorfeld des Spiels die Vertragsverlängerung mit dem Mittelfeldspieler aus der eigenen Jugend verkündet. Das sind enorme Nehmerqualitäten und es ist toll, diesen Charakterzug einmal mehr in der kommenden Saison im Team zu haben.

Ansonsten gab es in der Aufstellung wenig Überraschungen. Cedric Harenbrock und Felix Götze bekamen jeweils ihren Auftritt zum Abschluss. Leider blieb Harenbrock nach einer Muskelverletzung angeschlagen in der Kabine und wurde durch Thomas Eisfeld ersetzt. Dieser riss das Spiel sofort an sich und sorgte maßgeblich dafür, dass RWE in der zweiten Hälfte auf die Siegerstraße einbog.

Ansonsten bekamen Sandro Plechaty, Eric Voufack, Björn Rother und Ron Berlinski Einsatzminuten. Rührend war hier insbesondere Ron Berlinski, der sich wie ein Schneekönig darüber freute, die Hafenstraße mit einem eigenen Treffer zu verlassen.

RWE hatte in Halbzeit 1 Probleme, offensive Akzente zu setzen.

Die Pluspunkte

Zunächst einmal präsentierte sich die Rot-Weisse Defensive sattelfest und ließ zugegebenermaßen sehr bieder auftretende Oberhausener wenig zur Geltung kommen. Offensiv startete RWE furios, indem Sascha Voelcke direkt draufhielt und leider nur den Pfosten traf, um dann sogleich in einen Sonntagsspielmodus zu wechseln. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte. Mit Thomas Eisfeld kam direkt sehr viel mehr Konsequenz in den Spielfluss der Mannschaft und der Routinier leitete selbst viele der Angriffe mit ein. So bediente er Sascha Voelcke mit einem Traumpass, den dieser zum 1:0 einschob.

Der junge Voelcke, der kurz vor dem Spiel seinen Abschied verkündete, avancierte schließlich zum Matchwinner. Am 2:0 war er wesentlich beteiligt, da er nur durch ein Foul im Strafraum gestoppt werden konnte, wonach Vinko Sapina den fälligen Elfmeter locker verwandelte. Beim 3:0 passte er uneigennützig auf Ron Berlinski, der so den dringend gewünschten Treffer erzielen konnte. Auch Sascha Voelcke ist eine der Erfolgsgeschichten des Saisonendes.

Einen Pluspunkt setzten die Fans am Schluss, denn mit viel Fingerspitzengefühl wurden die Spieler, die den Verein verlassen, am Schluss einzeln gewürdigt. Dieser Dank von den Tribünen war vielleicht nicht so brachial, wie es mit koordniniertem Support möglich gewesen wäre. Es war aber überaus authentisch und die Spieler wussten es zu schätzen.

Isi Young wurde mit Applaus verabschiedet.

Die Knackpunkte

Nach der ersten Halbzeit waren vereinzelt Pfiffe zu vernehmen und man muss zugestehen, dass diese nicht zu Unrecht kamen. RWE hatte mit dem Stadtnachbarn wenige Probleme, konnte allerdings nach dem Pfostenknaller zu Beginn kaum zwingenden Druck ausüben. Gerade aus der Mittelfeldzentrale kam wenig. Die Außenspieler mühten sich zwar redlich, doch wurde offensichtlich, dass Rot-Weiss ohne Marvin Obuz wenig Gefahr kreieren konnte. Hier wird es die zentrale Arbeit der Kaderplaner sein, dass Marvin Obuz ansatzweise ersetzt werden kann.

Wenn Oberhausen Gefahr ausstrahlte, dann meist über die Außenpositionen und Moritz Stoppelkamp setzte der Essener Verteidigung zu. Rund zehn Minuten vor dem Schlusspfiff entstand aus seiner Flanke auf Cottrell Ezekwem ein Pfostentreffer für die Kleeblätter. Insgesamt ist die Defensivarbeit auf den Flügeln – hierbei sind auch die offensiven Kräfte mitgemeint – noch ausbaufähig, denn auch in den Drittligaspielen lässt RWE zu viele Flanken zu. Auch dies ist ein Auftrag an Thomas Steegmann und Christian Flüthmann.

Der Schiedsrichter qualifizierte sich nicht für unsere Aufreger-Kategorie.

Der Aufreger

Schiedsrichter Jonah Besong ist ein junges Talent ohne höherklassige Erfahrung und man merkte, dass er Probleme hatte das Spiel in der Hand zu halten, wenn es schnell oder hitzig wurde. Allerdings konnte sich keiner der beiden Vereine beschweren, denn zweifelhafte Entscheidungen waren niemals spielentscheidend und beide Vereine sahen einzelne Situationen anders. Spannend wird sein, ob man den jungen Duisburger zukünftig auch in der Vierten Liga sehen wird.

Umgekehrt wurde und wird über den fehlenden organisierten Support diskutiert. An der Stelle werden und wollen wir uns nicht an den teilweise wirren Spekulationen über die Gründe beteiligen. Allerdings war dieses Spiel allein aus finanziellen Gesichtspunkten besonders wichtig, weswegen Thomas Steegmann in der Halbzeit noch einmal versuchte, die Fans zu animieren. So war es einfach schade, dass dieses Team nicht die Unterstützung bekam, die möglich gewesen wäre.

Fazit

Mit dem 3:0-Erfolg wurde die Saison 2023/24 für RWE offiziell beendet. Diese Spielzeit entschädigte für viele Jahre Trostlosigkeit an der Hafenstraße und viele besondere Momente werden unwiderruflich in den Köpfen bleiben. Mit dem Sieg gegen Oberhausen wurde dazu noch ein Grundstock gelegt, um auch in der nächsten Saison wieder tolle Spiele in Essen und ganz Deutschland mitzuerleben.

Dafür soll an dieser Stelle ein großes Dankeschön an die fleißigen Kräfte in der Geschäftsstelle, an die sportliche Leitung, an Christoph Dabrowski und sein Team sowie natürlich an die großartige Mannschaft von Rot-Weiss Essen ausgesprochen werden. Dieser Verein lebt.

Nur der RWE!

Hendrik Stürznickel

Fotos by Marcel