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2022/2023 – 3. Liga

RWE-Kaderanalyse

Bald startet die neue Saison der 3. Liga und unser Herzensverein ist nach mehreren vergeblichen Anläufen endlich mit dabei. Jawattdenn.de wagt einen Vorausblick auf die Spielzeit, blickt auf den RWE-Kader, den neuen Trainer und die zu erwartenden wichtigsten Neuerungen im Spiel der Rot-Weissen. Selbstverständlich gehört auch ein kleiner Blick über den Tellerrand dazu.

Liga 3, Essen bleibt dabei!

Bald startet die neue Saison der 3. Liga und unser Herzensverein ist nach mehreren vergeblichen Anläufen endlich mit dabei. Nach 14 Jahren im Fußball-Niemandsland ist RWE wieder auf der Fußball-Landkarte sichtbar und stellt gerade auf vielen Ebenen, genannt seien Mitgliederzahlen und Dauerkartenverkäufe, neue Vereinsrekorde auf. War in den letzten Jahren immer klar, dass nur der Aufstieg für den damaligen Viertligisten das Ziel sein kann, wird die Vorausschau in diesem Jahr deutlich komplexer und eine Liga höher werden wir deutlich kleinere Brötchen backen müssen.

Jawattdenn.de wagt einen Vorausblick auf die Spielzeit, blickt auf den RWE-Kader, den neuen Trainer und die zu erwartenden wichtigsten Neuerungen im Spiel der Rot-Weissen. Selbstverständlich gehört auch ein kleiner Blick über den Tellerrand dazu, um eine prognostische Antwort auf die Frage zu erhalten, wie sich Rot-Weiss Essen im Haifischbecken 3. Liga behaupten können wird.

Personaletat

Zahlen sind sprichwörtlich bekanntlich wie Schall und Rauch, doch gewisse Rückschlüsse lassen sich aus ihnen ziehen. Zum Beispiel, dass RWE in Bezug auf die Finanzkraft und eingesetzten Mittel nach Jahren als Ligakrösus der Regio West in der Dritten Liga diesen Rang natürlich ganz und gar nicht inne hat, sondern sich „nur“ im scheinbar gesicherten Mittelfeld einordnet.

Für die Gehälter seiner ersten Mannschaft wird Rot-Weiss in dieser Saison ca. 50 % mehr zahlen als im Vorjahr, als man um die 3 Millionen € investierte. Das gab Marcus Uhlig schon vor einigen Wochen öffentlich zu Protokoll. So sind es nun roundabout 4,5 Millionen €. Das unterscheidet sich deutlich von den insgesamt 8 Millionen €, die Essen generell in Personalkosten investiert. Hier sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle, des Nachwuchsleistungszentrums inklusive aller Spieler, der gesamte Trainer-Staff sowie die Ordnungsdienste inkludiert. Um Essens Ranking in der Liga einordnen zu können, müssen also die 4,5 Millionen € für das kickende Personal der Drittligamannschaft heraus gepickt werden, hierin sind ebenfalls die Beiträge für die Berufsgenossenschaft, weitere Sozialabgaben sowie das Budget für die Punktprämien abgebildet.

In der Regionalliga-West hätte diese Summe jeden Rahmen gesprengt. Über den Tellerrand in der dritten Liga geschaut wird schnell deutlich, hier sind noch ganz andere Kaliber unterwegs. Die jeweiligen Werte lassen sich jeweils nur abschätzen, doch haben diese entsprechend den ermittelten Kaderwerten (siehe transfermarkt.de) sowie den formulierten Zielen der Vereine viel Fleisch.

Die drei Zweitligaabsteiger schreiben sich wenig überraschend den direkten Wiederaufstieg auf die Fahnen. Dynamo Dresden (10 Millionen), der SV Ingolstadt (9,5 – 10 Millionen) sowie Erzgebirge Aue mit bereits deutlichen Abstrichen (6,5 – 7 Millionen) wollen ganz oben angreifen. Von den etablierten Mannschaften der Liga bricht der TSV 1860 München weit in diese Gruppe ein (ca. 8 Millionen) und zählt für die Trainer der 3.Liga gemäß der üblichen Umfragen zu den absoluten Topfavoriten. Gut situiert ist traditionell auch der SV Wehen Wiesbaden, der zusammen mit dem VFL Osnabrück und dem 1. FC Saarbrücken (ca. 5 – 6 Millionen) dahinter rangiert.

Danach brechen wir bereits ins breit zu nennende Mittelfeld auf, wo sich die Abstände der Vereine deutlich minimieren. Mit Etats von etwa gut 5 Millionen € dürften Waldhof Mannheim, Viktoria Köln oder der MSV Duisburg aufwarten. RWE rangiert mit einer Gruppe anderer Vereine, hierzu zählt auch der Mitaufsteiger SV Elversberg, zu den Klubs die 4,5 Millionen und etwas weniger in die Hand nehmen. Hier sind zudem der SC Verl und der Hallesche FC zu nennen. Der SV Meppen (3,5 Millionen), der FSV Zwickau (3 Millionen) sowie die Aufsteiger Oldenburg (3 Millionen) und Bayreuth (2,5 – 3 Millionen) bewegen sich am unteren Ende.

Die zweiten Mannschaften des SC Freiburg und von Borussia Dortmund II nehmen eine Sonderstellung ein. Zwar ist der BVB II nicht aufstiegsberechtigt, hat aber unter den zehn als wertvollsten gelisteten Spieler gleich 6 Akteure und toppt mit seinem geschätztem Kaderwert von 14 Millionen € alles in der Liga. Unsere Meinung zu solchen Auswüchsen haben wir häufig genug kundgetan und sie bleibt unverändert. Zweite Mannschaften gehören in einen eigenen Spielbetrieb.

Fazit, geht es nur um den schnöden Mammon, dann ist alles klar, die Favoriten steigen auf, der BVB muss zwar drin bleiben, wird aber hochklassiges Schaulaufen demonstrieren, während der Rest der Liga hofft, sich schnell hinter der Spitzengruppe einzuordnen, in ruhigen Fahrwassern zu fahren oder den Abstieg vermeiden zu können. Angesichts der finanziellen Schwergewichte, die weit vor unseren Rot-Weissen stehen, sowie der Vielzahl an Mannschaften, die mindestens ebenso potent wie Essen sind, wird klar, die Liga wird ein echtes Brett und nicht gegen den Abstieg zu spielen und den Klassenerhalt möglichst sicher zu erreichen, sollte das Primärziel darstellen.

Kaderanalyse

Kurz vor Saisonstart wartet RWE mit einem immer noch 31 Mann starkem Kader auf. Das Beste daran, keine einzige Stammkraft hat Essen verlassen, nicht einmal der bei vielen Vereinen sehr hoch gehandelte Isi Young. Vom Aufstiegskader nicht mehr am Start sind Daniel Davari (zurück zu RW Oberhausen), Zlatko Janjic (Ziel unbekannt), Felix Heim und David Sauerland (beide Alemannia Aachen) sowie Nils Kaiser (Leihe an den SC Wiedenbrück). Einige Spieler stehen aber auf der Kippe, vor allem für Felix Schlüsselburg und Yannick Langesberg hofft Rot-Weiss noch auf Abnehmer.

Die namhaften Neuzugänge im Sommer 2022 sorgten für viel Zuversicht.

Es gibt bislang insgesamt zehn Neuzugänge, von denen drei mit den zu den Profis beförderten Youngstern Mustafa Kourouma, Nico Haiduk und Timur Kesim vereinsintern sind und die bereits letztes Jahr punktuell mitwirkten. Sieben Spieler kommen bisher extern zur Hafenstraße. Torhüter Felix Wienand (Gelsenkirchen II), Rechtsverteidiger Meiko Sponsel (Leihe vom 1. FC Köln II), Linksverteidiger Moritz Römling (Leihe vom VFL Bochum), der neue Mittelfeldchef Björn Rother (Hansa Rostock), die offensiven Außenspieler Lawrence Ennali (Leihe von Hannover 96) und Aurel Loubongo (FC St. Pauli II), Loubongo kann auch im Zentrum spielen, sowie Mittelstürmer Ron Berlinski (SC Verl), der gebürtiger Bochumer ist und den Pott somit kennt. Die Kaderveränderungen halten sich somit insgesamt in Grenzen, auch wenn es bis zum Ende des Transferfensters am 31.08 sicherlich noch ein paar Ab- oder Zugänge geben wird.

RWE war es wichtig, seiner Aufstiegsmannschaft auch Perspektiven in der höheren Liga zu bieten, auch wenn aktuell eine Kaderverkleinerung angestrebt wird. Was in den einzelnen Mannschaftsteilen zu erwarten ist und welche Rolle die Neuzugänge spielen sollen, erfahrt ihr in unserer Kaderanalyse.

Torhüter

Zu jedem Kader gehören standardmäßig drei Torhüter. In der Regel eine klare Nummer 1, ein Stellvertreter sowie ein Mann für alle Fälle. So ist es auch bei RWE. Diese Rollen gebühren Jakob Golz, Felix Wienand und Raphael Koczor.

Starke Besetzung auf der Torwartposition

Jakob Golz (24 Jahre) geht bereits in seine vierte Saison bei Rot-Weiss Essen, es ist seine erste Spielzeit, in der er als Nummer 1 starten wird. Jakob Karl Gerhard Golz, wie Essens Torsteher mit vollem Namen heißt, saß hinter Daniel Davari fast zwei Jahre lang auf der Essener Bank und kam nur zu 11  Ligaeinsätzen. Das nahm der Filius von Ex-HSV-Keeper Richard Golz ohne Wehklagen hin, obwohl er in der Spielzeit 2019/20 zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs bereits die Nummer 1 gewesen war. In der Aufstiegssaison wurde er das wieder 9 Spieltage vor Schluss und rechtfertigte das Vertrauen des Trainerteams vollends.

Was Jakob Golz auf der Linie und in Eins gegen Eins Situationen hält, ist zum Teil atemberaubend und es ist kein Wunder, dass er bei Essens Anhang sehr beliebt ist. Entwicklungsbedarf hat der 1,87 Meter große gebürtige Hamburger noch beim Spiel mit dem Ball am Fuß. Hier darf er abgezockter und sicherer werden, erst recht, weil in der dritten Liga in Sachen gegnerischem Pressing und dem Zustellen der Räume ein deutlich härterer Wind weht als in der Regio West. Dennoch war im Grunde schon länger klar, dass Golz mit seinem Riesenpotenzial Essens neue Nummer 1 werden wird und das Zeug hat, eine Ära zwischen den Pfosten zu begründen.

Die Nummer 2 ist Felix Wienand, zugleich ein Neuzugang. Der 20 Jahre alte Schlussmann soll nun die vorherige Rolle von Jakob Golz einnehmen und von einem erfahreneren und etabliertem Schlussmann lernen. Wienand wurde in der Gelsenkirchener Knappenschmiede ausgebildet und macht nach Einsätzen für die Zweite in der Regio West nun im Seniorenbereich seine ersten Schritte bei einem seriösen Verein. Die Nummer 3 im Bunde bleibt Raphael Koczor, den man im Grunde mitten in der Nacht wecken könnte und er würde trotzdem seinen Mann auf dem Feld stehen.

Abwehr

Zwei Akteure im Mannschaftsteil Abwehr sind Neuzugänge, beide für die Außen, in der Zentrale  wähnte sich RWE offenbar bereits gut aufgestellt. Meiko Sponsel kommt als Leihgabe vom 1. FC Köln, wo der Zwanzigjährige einen Profivertrag besitzt. Sponsel fungiert auf der rechten Abwehrseite und soll dort Sandro Plechaty Konkurrenz machen. Körperlich ist er quasi das Gegenteil, ein deutlich größerer und wuchtigerer Spieler als Plechaty, dennoch gut zu Fuß. Man darf gespannt sein, wer hier die Nase vorne haben wird. Als zusätzlicher Backup dient hier noch Enrique Rios Alonso.

Neuzugang Meiko Sponsel soll die rechte Abwehrseite beackern

Gewisse Probleme hatte RWE auf der anderen Abwehrseite. Die Hoffnungen auf eine Genesung von Michel Niemeyer scheinen vergeblich gewesen zu sein. Niemeyer hinterließ bei Coach Dabrowski zunächst einen sehr starken Eindruck, dann traten wieder Beschwerden auf. In der letzten Saison war Felix Bastians hier der Dominator, nun soll Bastians allerdings im Zentrum agieren. Auch Youngster Nico Haiduk ist aktuell verletzungsgeplagt, ebenso stand  Sascha Voelcke aus privaten Gründen lange nicht auf dem Trainingsplatz. Voelcke zählt allerdings weiterhin zum RWE-Kader und wird eine Alternative darstellen können, wenn er den Trainingsrückstand aufgeholt hat.

Leihe vom VfL Bochum -Moritz Römling

Verblieben waren somit Felix Herzenbruch und Fabian Rüth für diese Position. Dann zog RWE aber eine weitere Leihoption und verpflichtete Moritz Römling (21) vom VFL Bochum. Also noch ein junger Spieler, dem hohes Tempo nachgesagt wird. In der Abwehrzentrale steht ein Überangebot an gleich sechs Innenverteidigern zur Verfügung. Christoph Dabrowski wird das Zentrum anders besetzen als sein Vorgänger, Kapitän Daniel Heber und Felix Bastians sind gesetzt. Mit Bastians soll wohl mehr Coolheit bei gegnerischem Pressing und Kopfballstärke in die Box kommen, mit 1,88 Meter ist Bastians Essens größter Spieler.

Somit muss sich auch Senkrechtstarter Rios Alonso zunächst dahinter einordnen, Mentalitätsmonster Felix Herzenbruch tauchte zuletzt eher als Linksverteidiger auf. Mustafa Kourouma ist ein Perspektivspieler und möglicherweise auch ein Kandidat für eine Leihe zu einem Regionalligisten. Yannick Langesberg gehört noch immer zum Kader, verhält sich einwandfrei und ist hoch engagiert. Trotz dieser Tugenden ist und bleibt „Langer“ im Ranking der Innenverteidiger das „Schlusslicht“ und darf auf Vereinssuche gehen.

Auf Essens Deckung wird im Liga-Alltag einiges zukommen. Aggressiv pressende Gegner und höhere individuelle Qualität rollen auf RWE zu. Zudem soll Essen unter Christoph Dabrowski selber aktiv spielen und wird deutlicher ins Gegenpressing gehen als zuletzt, weswegen man keineswegs nur kompakt und tief stehen wird. Für Essen besonders als Liga-Neuling ein anspruchsvoller Balanceakt. Dazu mehr in der Abteilung Mittelfeld.

Mittelfeld

RWE hat einen neuen Mittelfeldchef, Björn Rother (25) soll im System von Christoph Dabrowski der Aggressive Leader sein und Essens Zentrale kompakter machen. In der Aufstiegssaison war man hier sehr offensiv aufgestellt und meistens war Pferdelunge Niklas Tarnat der einzige Sechser, der Dürholtz, Eisfeld oder Harenbrock den Rücken freihalten sollte. Eine Liga höher muss hier defensiver gedacht werden. Tarnat und Rother werden wahrscheinlich eine Doppel-Sechs bilden. Das wird auch wichtig für die Spieleröffnung, wo nun ein abgezockter Spieler mehr zu finden ist, der den Ball unter Druck aufnehmen und weiterleiten kann. Vor und innerhalb der letzten Spielzeit maß sich Essen in Vorbereitungsspielen mit insgesamt drei Drittligisten und kassierte in den Partien gegen den SC Verl (4:4), den SV Meppen (1:2) und bei Viktoria Köln (2:4) satte zehn Gegentore. Diese waren nicht selten Ballverlusten gegen stark pressende Gegner geschuldet, die nach der Spieleröffnung im Zentrum entstanden.

Hier setzt Dabrowski nun auf zwei Ballschlepper und Rother, der für den 1. FC Magdeburg und Hansa Rostock 170 Einsätze in der dritten und 40 in der zweiten Liga hatte, soll natürlich auch der Taktgeber im Spiel gegen den Ball sein, weswegen er in den Testspielen auch offensiver als Tarnat fungierte, und im manchmal zu lieb agierenden RWE-Team eine gehörige Prise Härte und Aggressivität beisteuern. Rother trägt auch als nummerisches Signal die 6, Niklas Tarnat weiterhin die Nummer 31, die Nummer seines Vorbilds Bastian Schweinsteiger.

Für die offensiveren Parts hat RWE nach wie vor Luca Dürholtz, Thomas Eisfeld und Cedric Harenbrock zur Verfügung. Insbesondere Dürholtz wird bei der zu erwartenden Körperlichkeit in der neuen Liga zulegen müssen, in der Vergangenheit konnte man dem Edeltechniker mit Robustheit zu schnell den Zahn ziehen. Dass Thomas Eisfeld dritte Liga kann, daran dürfte angesichts seiner bereits gezeigten Performance bei RWE und zuvor höherklassigen Vereinen keinerlei Zweifel bestehen. Bei Eisi besteht eine gewisse Verletzungsanfälligkeit, in fittem Zustand ist der gebürtige Greifswalder auch in Liga drei ein potenzieller Spitzenspieler.

Der lachende Dritte im Bunde könnte somit Cedric Harenbrock sein. Harenbrock hat den Status des Talents längst hinter sich gelassen und ist als Spielerpersönlichkeit gereift, aber sicherlich noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Jörn Nowak nahm Cedi jedenfalls schon einmal namentlich in die Verantwortung und erwartet von Essens nun dienstältestem Spieler, der in seine sechste RWE-Saison geht, eine weitere Entwicklung. Von allen diesen Akteuren wird nach Ballverlust schnelles Umschalten und die Transformation in die Kompaktheit verlangt. Das fängt bereits beim Sturm an, ist in der Zentrale aber besonders wichtig, da der Gegner sonst mit zu viel Raum auf Essens Deckung zupreschen können wird.

Mittlerweile der dienstälteste Spieler – Cedi Harenbrock

Felix Schlüsselburg ist ein offizieller Streichkandidat und soll bis zum Ende der Transferperiode bei einem anderen Klub fündig werden. Auch für Erolind Krasniqi wird es schwer werden, eine größere Rolle zu spielen. Da Ero in den Augen der RWE-Verantwortlichen dennoch das gewisse Etwas hat, was er öfters zeigen muss, böte sich bei ihm womöglich auch eine vorzeitige Vertragsverlängerung, die zunächst eine Jahres-Leihe zu einem anderen Klub inkludiert, an.

Sturm

Essens Angriff hat ein ordentliches Face-Lifting erhalten. Neben Ron Berlinski als klassischem Mittelstürmer kamen Aurel Loubongo und Lawrence Ennali als Highspeed-Spieler für die Außenpositionen. Da RWE auch zum Glück immer noch Turbospieler Isi Young an Bord hat und den aktuell in Galaform befindlichen Oguzhan Kefkir sein Eigen nennt, wird eine deutliche Fokussierung auf ein schnelles Flügelspiel deutlich, eine Veränderung zum zuvor oftmals zentrumslastigen Essener Spiel. Dabrowski war es sehr wichtig, seine Flügelzangen jeweils doppelt und variabel zu besetzen. Da Essen es nicht mehr mit so vielen nur auf das Verteidigen konzentrierten Gegner zu tun hat und mehr Räume bekommen wird, die es zudem durch aggressives Pressing erzwingen möchte, macht das auch Sinn.

Ron Berlinski zeigte bereits in der Vorbereitung seinen Torriecher

Ron Berlinski wird im Zentrum zu finden sein und macht durch sein kaum enden wollendes Anlaufen und Bedrängen der gegnerischen Deckung den Eindruck, Kraft für zwei Spiele in Serie zu haben. Die Dienste des gebürtigen Bochumers sicherte sich RWE bereits im Februar, damals hatte Berlinski für seinen Arbeitgeber SC Verl noch sehr wenig gespielt und kaum gestochen. Am Ende der Serie war Essens neuer Neuner mit 10 Toren der Garant für den Klassenerhalt der Ostwestfalen, darunter viele Tore im klassischen Gerd-Müller-Stil. Daher war man an der Poststraße nicht amused, als Berlinski seine Zelte dort abbrach.

Da er mit seiner Power und Aggressivität den Dabrowski-Fußball förmlich verkörpert, ist Berlinski auch eine Stammplatzgefahr für die rot-weisse Aufstiegsgarantie Simon Engelmann, der zukünftig womöglich eher von der Bank kommen wird. Engel muss sein Spiel deutlich umstellen, mehr laufen und Defensivarbeit verrichten. Das hat er verstanden. Bereits im Testspiel gegen Mönchengladbach sah man einen bis zum eigenen Strafraum zurückpowernden Engelmann, wo er letzte Saison noch gemütlich durch des Gegners Hälfte gejoggt wäre. Beim Test in Aachen (3:1) zeigten beide Stürmer ihre Treffsicherheit. Berlinski packte doppelt und kaum war er durch Engelmann ersetzt worden, schenkte Engel den Alemannen sofort einen ein. Berlinski und Engelmann können zudem auch eine Doppelspitze bilden, auch Loubongo ist ein Einsatz im Sturmzentrum nicht fremd. Da wird es schwer für Youngster Timur Mehmet Kesim, für den sich eine Leihe anbietet, um Spielpraxis zu erhalten. Nicht zu vergessen, auch ein Kevin Holzweiler ist wieder da. Holz kommt nach seinem Kreuzbandriss und der Reha langsam wieder in Schwung und ist ein weiterer Akteur, der auf die Flügel aber insbesondere auf die Zehn gehen und die Gegner mit seiner Wuseligkeit vor Probleme stellen kann.

Trainer und Taktik

Christoph Dabrowski ist der Neue auf Essens Bank. Dabro ist 44 Jahre alt, blickt bei den Vereinen Werder Bremen, Arminia Bielefeld, Hannover 96 und dem VFL Bochum auf 17 Jahre als Spieler im Profifußball zurück und war seit 2014 für verschiedene Mannschaften bei Hannover 96 als Trainer verantwortlich, zuletzt auch für die Zweitligamannschaft. Er erfüllt die Erwartungen der Verantwortlichen bislang vollauf. Dabro, selber als Aktiver massiv profierfahren, genießt bereits jetzt hohes Ansehen bei seinen Spielern und lässt es dabei keineswegs an klaren und unmissverständlichen Ansagen vermissen.

Cheftrainer Christoph Dabrowski und sein Team haben einen klaren Plan

Diese klare Linie tut den RWE-Akteuren offensichtlich gut. Obwohl die Belastungen im Trainingslager deutlich über das hinaus gingen, was Essener Kickerbeine aus den Vorjahren gekannt hatten, zogen alle Spieler voll mit und gaben Vollgas. Seine Truppe auf ein körperliches Topniveau zu bringen ist sehr wichtig für Christoph Dabrowski und sein Spiel. Auf dem Feld wird es einen Paradigmenwechsel geben. Das bekannte Ballbesitzspiel der vergangenen Jahre soll deutlich dynamischeren Pressing und Gegenpressing weichen, zudem möchte RWE weg vom zentrumslastigen Spiel und auf den Flügeln mit überfallartigem Tempofußball stechen.

Ist das Pressing nicht erfolgreich und die ersten Linien überspielt oder verliert Rot-Weiss im Vorwärtsgang die Kugel muss sofort auf Gegenpressing und in zweiter Konsequenz auf Kompaktheit gesetzt werden. Dann müssen sich möglichst viele RWE-Spieler hinter den Ball bringen und dafür wird auf dem Feld nicht viel Zeit bleiben, denn von nun an wird alles deutlich schneller gehen. Das wird allen Spielern deutlich mehr abverlangen, mentale und körperliche Stärke müssen auf ein höheres Niveau gehoben werden.

Dazu haben Dabrowski und Jörn Nowak das RWE-Team auch nennenswert verjüngt. Im Vorjahr bot RWE den ältesten Kader der Regionalliga West auf. Im Durchschnitt war der RWE-Spieler 27,87 Jahre alt, nun ist er im Schnitt um gut drei Jahre jünger, denn jetzt beträgt das Durchschnittsalter nur noch 24,5 Lenze. Dass die beiden U-Mannschaften aus Dortmund (21,2 Jahre) und Freiburg (21,3 Jahre) die jüngsten Kader der Liga aufbieten, liegt in der Natur der Sache. Im Schnitt ist ein Spieler der dritten Liga 25 Jahre alt. Essen sortiert sich mit 24,5 Jahren da etwas unter dem Durchschnitt und auf Platz 9 der Liga.

Allerdings haben gleich 12 Spieler, allerdings inklusive des auf dem Absprung stehenden Felix Schlüsselburg, einen U23-Status. Da diese sich auch bunt durch die einzelnen Mannschaftsteile verteilen, könnte Christoph Dabrowski zumindest nominell mit einem U23 Team in der Liga auflaufen. Die Verjüngung verfolgt nach den Eindrücken der Vorbereitung ganz eindeutig das Ziel, das deutlich höhere Tempo der dritten Liga mitgehen und durchhalten zu können. Dabrowski fordert von seinem Team Aktivität und Power und weiß, was körperlich verlangt werden wird.

Von daher bilden die Transfers junger Spieler wie Aurel Loubongo (21), Lawrence Ennali (20 Jahre) oder Maiko Sponsel  (20 Jahre) und Moritz Römling (21) dieses ab, die eigenen Youngster Kourouma, Haiduk und Kesim erhielten Profiverträge und auch der neue Mittelfeldchef Björn Rother zählt mit 25 Jahren noch nicht zum alten Eisen. Es war Teil des Anforderungsprofils an den neuen Trainer, dass dieser stärker die Entwicklung junger Akteure in den Fokus nimmt.

Deshalb wird Essen auch interessanter für Leihspieler, drei an der Zahl stehen im aktuellen RWE-Kader. Zumindest für ein Jahr können sie helfen, die Ziele zu erreichen und wären in der Regionalliga West wohl nicht nach Essen gekommen. Da auch weiterhin sehr erfahrene Spieler wie Felix Bastians, mit 34 Jahren der Alterspräsident, Simon Engelmann (33 Jahre) sowie viele Kicker im besten Fußballeralter in der zweiten Hälfte der 20er dem Essener Kader angehören, scheinen Jörn Nowak und Christoph Dabrowski eine gesunde Mischung aus jung und älter gefunden zu haben. Generell gilt für alle Spieler im Kader, dass sie bereit sein müssen, körperlich an ihre Grenzen und manchmal darüber hinaus zu gehen.

Dass Dabro daran massiv gearbeitet hat, können Trainingskiebitze bestätigen. Überhaupt lebt der neue RWE-Trainer diese Werte vor und besticht mit enormen Fleiß und Hingabe. Das höhere Tempo und den größeren Mut im Essener Spiel sah man bereits im Test gegen Bundesligist Borussia Mönchengladbach, als man ein aktives und hohes Pressing spielendes RWE erlebte, das freilich hinten verwundbar war und 2:4 unterlag. Gegen Zweitligist Eintracht Braunschweig lief vieles bereits besser bei Essen, dass im XXL-Test über viermal 30 Minuten nach 90 Minuten 2:0 führte und erst im letzten Viertel den Sieg herschenkte. Obwohl man reichlich Arbeit in den Knochen stecken hatte. Der finale Test bei Alemannia Aachen wurde 3:1 gewonnen und das relativ sicher. Hier hatte RWE allerdings eher ein Spiel zu bestreiten, das nicht der 3. Liga entspricht, denn die Alemannia verteidigte kompakt und ließ Rot-Weiss den Ball.

Der Coach zeigte sich trotz des ungefährdeten Erfolges konstruktiv kritisch und zeigte, dass er nicht so schnell zufrieden zu stellen ist und die Latte für seine Spieler herausfordernd hoch hängt. Dabrowski macht den RWE-Anhängern jedenfalls Mut, dass mittels klarem taktischen Verhaltens und hohem Spirits die Qualitätsunterschiede zu den Schwergewichten der Liga, die zum Teil mehr als doppelt so hohe Etats aufbieten können, RWE nicht zum Kanonenfutter machen werden. Seine Qualitäten im Umgang mit seinen Spielern werden vor allem wegen des noch großen Kaders und vorprogrammierten persönlichen Enttäuschungen bei den Jungs, deren Erwartungen an Spielzeiten nicht erfüllt werden können, sehr wichtig werden und gehörten bei Dabrowskis Verpflichtung zum Anforderungsprofil an den neuen Chef.

Das Umfeld (und Internas)

Rot-Weiss Essen boomt! Nach dem Aufstieg in die dritte Liga und der Rückkehr in den bezahlten Fußball nach 14 langen Jahren hat RWE einen Mitglieder- und Dauerkartenrekord aufgestellt. 8353 bekennende Rot-Weisse sind als Mitglieder beim Verein von der Hafenstraße registriert (Stand: 17.07.2022), mehr als 9.200 Dauerkarten erwarben die Anhänger. Das ist phänomenal. Übrigens hatte RWE trotz zeitweilig harter Zuschauerbeschränkungen durch Corona in der Aufstiegssaison im Schnitt 9403 Zuschauer im Stadion an der Hafenstraße. Natürlich war das der beste Wert aller Regionalliga-Vereine der Republik, aber Rot-Weiss stellte damit auch 17 (!) der letztjährigen Dritt- und sogar 8 der Zweitligisten in den Schatten. Nun hat man also bereits nahezu so viele Dauerkarten verkauft, zudem wird es endlich wieder Vereine geben, die eine stattliche Schar an Away-Fans nach Essen mitbringen werden. Neue Zuschauerrekorde sind somit vorprogrammiert. Eine tolle Sache für RWE und ein Beleg für den enormen Stellenwert, den der Verein trotz aller Rückschläge der letzten Jahrzehnte hat.

Rot-Weiss hat auch wieder den Fuß bei den jüngeren Fans fest in der Tür und die Befürchtungen, die Anhängerschaft werde vergreisen, haben sich als völlig unbegründet erwiesen. Ein Pfund, mit dem man wuchern kann und das zudem sehr gutes Geld in die ohnehin solide bis gut zu nennenden Vereinsfinanzen spülen wird. Dazu zählen nun auch stark vermehrte Marketing- und Sponsoreneinnahmen, denn RWE ist wieder überregional und bundesweit präsent und somit auch deutlich attraktiver für Geldgeber geworden, die in einer nur regionalen Liga nicht investieren.

Zum 75. Vereinsjubiläum im Jahre 1982 brachte RWE eine Marmortafel mit der Aufschrift „RWE war wer – RWE ist wer – RWE bleibt wer“ im Treppenaufgang zur damaligen Geschäftsstelle an. Genau 40 Jahre später ist dieses damals fast trotzig gewählte Motto aktueller denn je. Rot-Weiss wird wieder wahrgenommen, in Essen sowieso, aber auch bundesweit und insbesondere natürlich im Revier. Der MSV Duisburg spürt die Hafenstraßen-Power als Ligakonkurrent bereits ziemlich unmittelbar, aber selbst der VFL Bochum, aktuell Erstligist, hat Respekt vor dem erwachten Riesen. Ilja Kaenzig, der Finanzchef der erfolgreichen Bochumer, nimmt RWE jedenfalls bereits als echten Konkurrenten um die Zuschauergunst sowie im Buhlen um Sponsoren wahr. Alles in Butter, möchte man da sagen.

Aber neben Begeisterung und Euphorie, die die Mannschaft extrem beflügeln kann, gibt es wie üblich eine Kehrseite der Medaille. Es bleibt zu hoffen, dass das stets nicht nur enthusiastische, sondern auch ausgesprochen unruhige Umfeld an der Hafenstraße seine Erwartungen nicht überdreht und glaubt, RWE würde die Liga rocken und wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllt, in Unruhe und Unzufriedenheit umschwenken. Wie bereits dargestellt ist Rot-Weiss Essen in der kommenden Saison nur ein mittelgroßer zwischen sehr vielen dicken Fischen in der Liga.

Erlitt RWE in den letzten zwei Spielzeiten nur 6 sportliche Niederlagen in 78 Partien, so werden wir das nicht so gute Gefühl einer Schlappe nun voraussichtlich wieder öfters erleben müssen. Gerade dann wird man die Fans in einer Liga, die traditionell sehr eng ist und in der jeder Punkt wertvoll werden wird, besonders brauchen. Als Motivator und Unterstützer, der seiner Mannschaft auch mal zwei oder auch drei Niederlagen in Serie gestattet, ohne alles in Frage zu stellen.

Auch vereinsintern ist es wichtig, dass Ruhe und Loyalität herrschen. In der Vergangenheit drangen recht häufig Internas, die nur in den Vereinsgremien besprochen worden waren, nach draußen und erschwerten die weitere Arbeit an diesen Themen. Jüngstes Beispiel war die Vertragsverlängerung von Isi Young. Diese war noch lange nicht in trockenen Tüchern, als sie in Social Media bereits gefeiert wurde. Zwischen informeller und offizieller Meldung lagen gut drei Tage. Als es bei RWE zeitweise schlecht lief, kochten die Gerüchteküchen nahezu über und kurz nach der Neidhart-Entlassung reihte sich eine Fake-News über Abgänge oder Suspendierungen von Schlüsselspielern an die nächste. Dass RWE das heil überstand und die Nerven zum Glück in Münster mehr flatterten, kommt fast einem kleinen Wunder gleich. Warum aber zu diesem Zeitpunkt wieder einmal ein Wettbewerb darum ausgebrochen war, wer, wann und wo die heißeste und skandalöseste News in Social Media streuen dufte, wirft einmal mehr die Frage auf, ob einige Zeitgenossen ihre Birne eigentlich nur dafür haben, um zum Stoffwechsel anregende Produkte in diese hinein zu schaufeln und zu kippen. Einfach mal die Klappe zu halten oder die Finger von der Tastatur zu lassen kommt offenbar nicht in Frage, auch wenn man gerade nur eins tut, und zwar dem eigenen Verein massiv zu schaden.

Manchmal war die Quelle von derlei Behauptungen leider auch im Verein selbst zu finden und wie bereitwillig das dann auf allen Kanälen gestreut wird, ist erschreckend. Allein deswegen hätte der Aufstiegsshowdown auch gegen uns ausfallen können und es bleibt zu hoffen, dass man daraus gelernt hat. Die harte und sehr gute Arbeit, die Marcus Uhlig und Jörn Nowak für den Verein leisten, sollte vor allem intern unterstützt und nicht erschwert werden. Ein erstes ermutigendes Zeichen in dieser Hinsicht war, dass die Verpflichtung des neuen Cheftrainers Christoph Dabrowski tatsächlich sehr lange unter der Decke blieb und einer konstruktiven Zusammenarbeit in einer „Trainer-Findungs-Kommission“ geschuldet war. Es geht doch.


Fazit

Wir stehen vor einer sehr spannenden Saison. Mindestens bis zum 31.08. und dem Ende der Sommer-Transferperiode wird es dauern, bis sich der rot-weisse Kader endgültig zumindest bis zum Winter formiert haben wird. Hoffen wir, dass RWE sich in diesen ersten Wochen schnell findet und sich etablieren kann. Man verfolgt anspruchsvolle Ziele, und zwar möglichst nicht nach unten schauen zu müssen und zugleich attraktiven und schnellen Fußball zu spielen. Es geht keineswegs um das sofortige Vorstoßen in die erweiterte Spitzengruppe.

Trotz aller Euphorie im Umfeld muss klar sein, dass Rot-Weiss nichts mit dem Aufstieg zu tun haben wird, zu deutlich heben sich die finanziellen Einsätze von vielen Teams von denen der Essener nach oben ab. Nach unten sind die Abstände deutlich geringer, sodass in sicheren Fahrwassern zu schwimmen bereits schwer genug sein wird. Obwohl die Einnahmebasis beim Sponsoring und Ticketverkauf sich für Rot-Weiss deutlich verbessert hat, wird wie gewohnt finanziell nicht All-In gegangen. Das heißt ganz und gar nicht, dass wir vor einer spaßbefreiten Saison des sportlichen Existenzkampfes stehen werden. Gerade in der jüngeren Zeit wurde häufiger der Ruf nach mehr Leidenschaft und Tempo auf dem grünen Rasen laut. Setzt Chefcoach Dabrowski mit seinem Team seine Vorstellungen von mutigem und schnellem Fußball um, könnte der RWE-Fan viel Freude an seiner Mannschaft bekommen.

Mut zu zeigen birgt aber auch Risiko, zumal Fehler auf diesem Niveau konsequenter bestraft werden. Zudem wird es in der dritten Liga nie langweilig, die Zeiten des Kampfes um eine goldene Ananas, wenn der Aufstiegsplatz entrückt war, sind jedenfalls vorbei. Selbst kleine positive oder negative Serien können einen in dieser Liga sehr schnell nach oben oder unten spülen. Genießen wir also unsere erste Profisaison nach 14 Jahren. Es gibt gute Gründe, realistisch aber auch selbstbewusst in die Spielzeit zu gehen. Primär geht es darum, drin zu bleiben und Fuß zufassen, die genaue Platzierung ist dann zweitrangig.

NUR DER RWE!

Sven Meyering