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2021/2022 – Regionalliga West

Preußen Münster – Rot-Weiss Essen (2:3)

Was eine Aufholjagd. Nach einer desaströsen ersten Halbzeit inklusive eines 0:2-Rückstandes drehten die Rot-Weissen die Partie und gewannen am Ende 3:2 bei Preußen Münster. Wir sind noch immer begeistert. Fotos, Spielbericht und Videos sind online.

Vorbericht

Münster rasselt mit den Säbeln, RWE will es sportlich regeln!

Nur vier Tage nach dem Flutlichtfest gegen den VFB Homberg steht für RWE der vermeintlich schwerste Auswärtsgang der Saison an. Am Dienstagabend tritt die Neidhart-Elf im Preußenstadion bei den Adlerträgern aus Münster an. Diese sind aktuell Tabellenführer bei einem mehr ausgetragenen Spiel gegenüber RWE, das bei einem Dreier in Westfalen seinerseits an die Spitze klettern könnte. Während der Fußball-Boulevard mit seinen ausgebildeten Journalisten schier jede Anekdote herausholt, die die Rivalität der beiden Vereine unterstreichen und die eigenen Klickzahlen pushen soll, versuchen wir uns hier an einer Vorausschau, welche den Sport in den Mittelpunkt stellen möchte.

Die rot-weisse Personallage und die taktischen Optionen

Weiterhin auf unbestimmte Zeit werden Michel Niemeyer und David Sauerland ausfallen. Ansonsten kann Christian Neidhart aus dem Vollen schöpfen. Gegenüber dem Homberg-Spiel, das die Rot-Weissen überzeugend für sich entscheiden konnten, dürften zwei Startpositionen intern heiß diskutiert werden. Erstens, ob Felix Bastians von Beginn an für Vornamensvetter Herzenbruch als Linksverteidiger auflaufen wird. Essens neue Nummer Vier war nach seiner Einwechslung an beiden noch folgenden RWE-Treffern beteiligt und zeigte eine beeindruckende Präsenz. Gut möglich, dass Neidhart diese im Spitzenspiel früher zur Geltung bringen möchte. Im offensiven Mittelfeld hat RWE die Qual der Wahl zwischen Cedric Harenbrock und Erolind Krasniqi. Letzterer glänzte in der Jokerrolle als Vorbereiter und Torschütze gegen Homberg.

Überhaupt aber wird in dieser Spielzeit deutlich, dass Essen aus der zweiten Reihe viel Power reinwerfen kann. Egal, wer zuletzt von der Bank auf das Feld kam, stets brachten die Einwechselungen neues Leben ins Essener Spiel. Obwohl der eigentliche Goalgetter Simon Engelmann zuletzt glücklos war und ihm ein schwacher Schiedsrichterassistent gegen den VFB einen regulären Treffer verweigerte, dürfte Engel erneut ganz vorne beginnen. Gegen Homberg zeichnete ihn eine schöne Torvorbereitung im Zusammenspiel mit Luca Dürholtz aus, ansonsten arbeitete Essens Nummer 11 für Zwei. Die Fans honorierten es mit Gesängen, das dürfte Engel gutgetan haben. Apropos Dürholtz, der Neuzugang aus Elversberg wird immer stärker und weiß auch, wo das Tor steht. Vor ihm wird wahrscheinlich wieder Kevin Holzweiler auflaufen dürfen. Die Ballsicherheit des Essener Wirbelwindes zwischen tief stehenden gegnerischen Ketten war zuletzt beeindruckend.

Wie aber wird RWE sein schweres Spiel beim wohl bislang stärksten Gegner angehen? Auch in Münster wird Essen seine Qualitäten ins Spiel bringen wollen, verstecken wird die Neidhart-Elf sich sicherlich nicht und kann das gemäß ihrem Selbstverständnis auch gar nicht. In den letzten Partien ist auch deutlich geworden, dass die Essener das frühe und konsequente Pressing für sich entdeckt haben. Fraglich ist eher, wie der Tabellenführer aus Münster das Match anzugehen gedenkt.

Der Gegner Preußen Münster
(1. Platz/ 14 Punkte/ 4 Siege/ zwei Remis/ keine Niederlage)

Im Vorjahr befanden sich die Münsteraner in einer Übergangsspielzeit nach dem Abstieg aus der Dritten Liga. Satte 16 Zähler waren die Adlerträger am Ende der letzten Hinrunde von dem Aufstiegsplatz entfernt. Das kann allerdings auch eine Handbremse lösen. Befreit von nahezu allen Aufstiegschancen spielte Preußen Münster eine starke Rückrunde und büßte erst am letzten Spieltag den inoffiziellen Titel der besten Mannschaft der zweiten Serie ein. Vier Zähler besser als RWE waren die Adlerträger dabei und gewannen auch das direkte Duell mit den Essenern in einer Phase, als Rot-Weiss insgesamt verwundbar erschien.

In diese Spielzeit ging Preußen Münster von vorneherein als ein sportliches Schwergewicht. Die Umbruchsaison ist jedenfalls vorbei. Die Ansprüche am Berg Fidel und dessen Umfeld sind gewachsen und damit auch der Druck auf Trainer Sascha Hildmann und die Seinen. Das intern hoch ambitionierte Preußen Münster betont in Persona seines sportlichen Leiters Peter Niemeyer gerne und häufig, dass man nicht die Mittel der Essener habe. Das nervt. Denn es suggeriert in etwa, dass Rot-Weiss Essen der FC Bayern der Regio West sei, der sich nur selbst schlagen könne. Nur so viel, RWE hat sich seine Mittel erarbeitet, geht seriös damit um und verfügt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht über im Vergleich zur Konkurrenz gigantische Möglichkeiten. Das Understatement von Herrn Niemeyer ist somit nichts Anderes als unglaubwürdig. So stellte sich die Frage, wie wird das generell um flotte Sprüche Richtung Essener Hafenstraße nicht verlegene Münster in dieser Saison mit der eindeutigen und trotz der Bemühungen nicht wegzuwischenden Mitfavoritenrolle umgehen? Bislang sehr gut. Ungeschlagen steht Preußen an der Tabellenspitze. Ein Trumpf ist die eingespielte Mannschaft.

Das hat Preußen Münster auch einer starken Jugendarbeit zu verdanken. Zahlreiche Eigengewächse stehen im Kader von Sascha Hildmann, allen voran Sturmjuwel Deniz Bindemann. Mit Joel Grodowski haben die Preußen nur einen Stammspieler der Vorsaison verloren und zeigten sich auf dem Transfermarkt zurückhaltend. Für die Sturmzentrale holten sich die Münsteraner als Backup für Gerrit Wegkamp den 1,94 Meter Hünen Jan Dahlke, der in der Oberliga für Wormatia Worms kaum zu bremsen war. Überhaupt wird robuste Körperlichkeit großgeschrieben. Dass Wolfsburgs neuer Trainer Mark van Bommel die Regularien des DFB-Pokals nicht so gut kannte und mittels eines Wechselfehlers den Münsteranern den Einzug in die zweite Hauptrunde des DFB-Pokals am grünen Tisch beschert hat, stärkte auch die finanzielle Situation des Vereins und machte ihn handlungsfähiger. Zuletzt holte man kurz vor Schließung des Transferfensters sowohl den zweitligaerfahrenen Außenverteidiger Luke Hemmerich als auch den ausgesprochen gestandenen Drittligaspieler Manuel Pulido, der Münsters offensives Mittelfeld beleben soll. 
 
Auf das Duell mit RWE freut man sich in Münster. Das Preußenstadion an der Hammer Straße ist ausverkauft, was unter Corona-Bedingungen 7.500 Zuschauer bedeutet. RWE hat also zur Abwechslung einmal ein echtes Auswärtsspiel, bei denen es natürlich nicht auf seine Anhänger verzichten muss. Sämtliche 800 Karten, welche den Essener Gästen zur Verfügung standen, waren binnen weniger Stunden ausverkauft. Es knistert also in beiden Fanlagern. Münsters Mittelfeldmann Joshua Holtby rasselte am Wochenende mit den Säbeln Richtung Hafenstraße und betonte, für Preußen zähle nur ein Sieg. Ob das Ausdruck eines großen Selbstbewusstseins oder eher das Zusprechen von Mut ist, sei dahingestellt.

Denn möglicherweise sind die Adlerträger nicht so bärenstark wie der Tabellenplatz es ausdrückt. Fakt ist, alle 6 Ligaspiele bestritt Preußen Münster gegen Mannschaften, die in der Tabelle ab Platz 11 abwärts angesiedelt sind. Beim hart umkämpften 1:1 im Westfalenderby bei RW Ahlen benötigten die Preußen jedenfalls gleich zwei aus Ahlener Sicht dumme und vermeidbare Strafstöße, um zumindest einen Treffer zu erzielen. Fußballerisch, das ist keine Überheblichkeit, sondern die Lehre der letzten Wochen, ist RWE im Vorteil. Die Gastgeber werden den Essenern mit hoher Aggressivität und Zweikampfhärte den Schneid abkaufen wollen, die Robustheit der Preußen-Mannschaft zeigt sich auch vermehrt in langen hohen Bällen und Griffigkeit bei Standards. Hier wird RWE auf der Hut sein müssen und neben seiner spielerischen Qualität auch den unbedingten Kampfeswillen in die Waagschale werfen müssen. Körperlich scheint das Neidhart-Team absolut fit genug dafür zu sein, wie die laufintensiven Spiele gegen Fortuna Köln und Homberg offenbarten. Taktisch wird das Ganze sicherlich eine Herausforderung, denn ein offener Schlagabtausch, in welchem die Gastgeber voll auf Sieg spielen werden, erscheint trotz ihrer Ankündigungen als eher unwahrscheinlich. RWE wird vorbereitet sein.

Fazit

Es steht ein Spiel zwischen zwei Mannschaften bevor, die auf ihre jeweils eigene und zum Gegner konträre Weise die Premiumqualität der Regionalliga West darstellen. Beide haben die Qualität, das Match mit einer einzigen guten Aktion für sich zu entscheiden. So wie der Boulevard aufdreht, könnte man meinen, es ginge bereits um alles oder nichts. Die Saison ist jung, aber unsere Rot-Weissen haben sich kontinuierlich gesteigert und haben absolut das Zeug, die sportliche Antwort auf das Säbelrasseln aus dem Münsterland zu geben. Auch wir Anhänger sind bereit dazu!

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Spielbericht

Wechselbad der Gefühle in Münster Geschockt, euphorisiert, erneut geschockt!

Eine Achterbahn der Emotionen und Gefühle für Rot-Weiss Essen und seinen Anhang. Der 3:2 Erfolg bei Erzrivale Preußen Münster nach einem 0:2 Rückstand zur Pause hat sportlichen Legendenstatus. Nach dem Spiel mischte sich ein ganz bitterer Beigeschmack in den rot-weissen Siegescocktail. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Problemfans beider oder womöglich gar mehrerer Lager erhalten am heutigen Tag bundesweite mediale Aufmerksamkeit, das fantastische Fußballspiel zweier echter Spitzenmannschaften ist dabei allerhöchstens eine Randnotiz wert. Wir versuchen einen denk- und leider auch in Teilen fragwürdigen Abend aufzuarbeiten.

Das Personal

Christian Neidhart überraschte mit gleich drei Änderungen in der Startformation. Wie Jawattdenn.de im Vorbericht spekuliert hatte, begann Neuzugang Felix Bastians auf der Linksverteidigerposition anstelle von Felix Herzenbruch. Die Frage, ob Cedric Harenbrock oder Erolind Krasniqi auflaufen werde, beantwortete der Coach mit Oguzhan Kefkir. Zusammen mit Bastians, Plechaty, Heber und Alonso sollte Ötzi in einer Fünferkette wirken, etwas, das RWE bislang noch nicht in der Meisterschaft gespielt hatte und offensichtlich noch nicht kann. Dazu später mehr.

Statt Harenbrock oder Krasniqi durfte Oguzhan Kefkir von Beginn an ran.

Die größte Überraschung war aber wohl, dass Simon Engelmann zum ersten Mal, seit er das RWE-Trikot trägt, in einem Spiel der Regionalliga West nur die Jokerrolle hatte. Zuvor hatte Engel satte 45 Startelfeinsätze in Folge zu verzeichnen. Für Engelmann startete Zlatko Janjic. Umstellungen waren im Laufe des Spiels notwendig und führten zur irren Wende. Zur Pause ersetzte Engelmann Oguzhan Kefkir, RWE ging zurück auf die vertraute Dreierkette und agierte vorne nun mit einer Doppelspitze. Nach dem 2:2 Ausgleich ersetzte Neidhart Janjic durch Harenbrock und Holzweiler durch Krasniqi, sodass Essen im Zentrum wieder kompakter agieren konnte. Es sollte sich auszahlen. Ganz am Schluss kam noch Kämpferherz Herzenbruch für Dürholtz in die auf das Härteste umkämpfte Partie.

Die Pluspunkte

RWE drehte ein fast schon verloren geglaubtes Spiel mittels einer ungeheuren Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte und holte sich die Tabellenführung. Nahezu die gesamte zweite Halbzeit zeigte sich Essen nach der Umstellung auf Dreierkette und zwischenzeitlich zwei Spitzen so, wie die Anhänger sich ihre Mannschaft wünschen. Griffig, zielstrebig, durchaus effektiv im Abschluss und cool in der extrem heißen Schlussphase. Isi Young war der Vater der Wende und an allen drei Essener Treffern beteiligt. Die Entwicklung des US-Boys, der auf dem linken Flügel nun sein Zuhause gefunden hat, ist atemberaubend und konterkariert unqualifizierte Aussagen, Christian Neidhart könne keine jungen Spieler entwickeln. Zunächst bediente Isi Kevin Holzweiler zum Anschlusstreffer, dann besorgte er den Ausgleich mit einer bislang von ihm nicht gekannten Entschlossenheit vor dem gegnerischen Tor und legte dann Engelmann zum 3:2 auf.

Mann des Tages war Isaiah Young.

Apropos Engelmann. Er funktioniert auch in der Jokerrolle und baute „Ladehemmungen“ ab. So emotional wie nach seinem Treffer zum 3:2 hat man Engel selten jubeln gesehen. Gern mehr davon. Hing RWE in der ersten Hälfte noch wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen, der den KO-Schlag des Gegners erwarten musste, landete Rot-Weiss direkt mit dem Anschlusstor einen Wirkungstreffer, der Münsters Gefüge nachhaltig erschüttern sollte. Der Sieg war am Ende kein Lucky Punch, sondern der verdiente Lohn für eine Mannschaft, die nach dem Ausgleich auch den Sieg wollte und sich diesen holte. Symptomatisch für den am Ende unbedingten Siegeswillen war, wie sich Kapitän Dennis Grote in der Manier eines Eishockeyspielers in den Schuss eines Münsteraners warf und den erfolgreichen Abschluss zum Ausgleich verhinderte. RWE wollte nun mit jeder Faser des Körpers den Erfolg.

Die Knackpunkte

Eine große Wende in der zweiten Halbzeit braucht eine entsprechende Ouvertüre in der ersten Halbzeit. Die war jedoch mit Sicherheit so nicht vorgesehen. RWE wurde in der ersten Hälfte von enthusiastisch zu Werke gehenden Gastgebern förmlich überrollt, verlor das Gros der Zweikämpfe und ließ teilweise jegliche Ordnung vermissen. Der Treffer zum 0:1 war symptomatisch, nach einem Einwurf und einem nachfolgenden weiten Ball war das Feld für Torschütze Deters weit offen, der Plechaty im eins gegen eins entkam und vollstrecken konnte. Die Frage hier, warum steht RWE so früh im Spiel beim Stande von 0:0 so hoch und offen?

RWE scheinbar am Boden – In Hälfte 1 funktionierte der Matchplan nicht.

Vor dem 0:2 trennte Preußen Janjic brachial von der Kugel und konnte unbehelligt von RWE, das offenbar auf den Pfiff des Schiedsrichters wartete, nach vorne spielen. Zum Glück verpassten die Gastgeber das durchaus mögliche 3:0. Das wäre wohl der Knockout für Rot-Weiss gewesen. In der Zentrale mühte sich Dennis Grote lange aufopferungsvoll aber ergebnislos, Luca Dürholtz ging zunächst unter. Das aggressive Pressing der Preußen bekam dem Edeltechniker nicht. Er konnte sich erst später wie alle anderen steigern. Christian Neidhart konstatierte zurecht, dass die erste Hälfte zu 100% an Preußen Münster gegangen sei.

Der sportliche Aufreger

Die Schlussphase eines ohnehin schon denkwürdigen Spitzenspiels hielt Emotionen noch und nöcher parat. Auch und vor allem, weil die gastgebenden Preußen auf dem Feld und an der Seitenlinie zum Teil weit über das Ziel hinausschossen. Münsters Trainer Sascha Hildmann beschuldigte Schiedsrichter Timo Gansloweit, die Spielleitung völlig aus den Händen gegeben und nur noch absurde Entscheidungen gefällt zu haben. Richtig ist viel eher, dass Hildmanns Mannschaft inklusive ihm jegliche Kontrolle über sich und das Spiel verloren hatte. Symbolisch dafür das Verhalten der Münsteraner kurz vor, während und kurz nach dem Treffer zum 2:3 aus ihrer Sicht.

Harte Zweikämpfe bestimmten das Spitzenspiel.

Isi Young hatte einen weiten Ball von Davari im Zweikampf behauptet, irregulär, wie die Münsteraner fanden. Gansloweit sah kein Foul, so griff Preußens Scherder zur Selbstjustiz und säbelte den mittlerweile am Ball befindlichen Erolind Krasniqi brutal um und pöbelte zur Krönung unterstützt von Münsters Kapitän Schauerte und dem ohnehin für jegliches Scharmützel grundsätzlich zu habenden Alexander Langlitz auf Gansloweit ein. Dieser zeigte Scherder Gelb, was man in Addition der Vorfälle auch härter hätte ahnden können. Münster kämpfte sichtbar um Beherrschung. Julian Schauertes weit aufgerissene Augen und übertriebene Gestik hätten diesen eigentlich zu einem Kandidaten für ein Drogenscreening gemacht. Zu Sportsfreund Langlitz später noch mehr.

Den folgenden Freistoß von Grote verteidigten die Preußen grottenschlecht oder besser überhaupt nicht. Der Ball wurde auf den eigenen Elfmeterpunkt geklärt, an dem sich Isi Young meterweiter Freiheit erfreuen konnte, seinen Abschluss konnte Simon Engelmann zum Essener Siegtor verwerten, weil Preußen auch weiterhin im Kollektiv schlief und nicht herausrückte, um Engel Abseits zu stellen. Kaum war der Ball im Tor, erwachten Schauerte und Co wieder aus der Lethargie und bestürmten Gansloweit im halben Dutzend, wiederum ging es um Youngs angebliches Foulspiel im Vorfeld des Essener Freistoßes. Mit den eigenen Fehlern wollte man sich offenbar nicht beschäftigen.

Im direkten Gegenzug brachen dann nach einer von Münster so gesehenen Elfmetersituation alle Dämme. Ein Preußen-Angreifer kam in der Essener Box zu Fall, die Videobilder legten dabei eher nah, dass er über den Ball getreten hatte. Preußen tobte wieder und Hildmann so laut und energisch, dass er den Weg auf die Tribüne antreten musste, als der Ball dann zur Ruhe gekommen war. Linksverteidiger Thiel kopierte zu diesem Zweck Scherder und wemste den nächsten Essener, der an den Ball kam, einfach mal weg. Während sich Cedric Harenbrock vor Schmerzen am Boden krümmte, setzte Thiel zur Schimpfkanonade auf den Schiedsrichter an, in dem die Münsteraner nun die Wurzeln allen Übels sahen. In den letzten Minuten war Alexander Langlitz schier vogelwild. In mehreren Situationen war ein Nachtreten des Preußen-Spielers erkennbar, geahndet wurde es nicht.

Wie man Emotionen hingegen positiv bündeln kann, zeigte dann Rios Alonso. Nach einem gewonnenen Zweikampf sprintete der Spanier mit der Kugel am Fuß los und wurde von Deniz Bindemann von hinten umgesäbelt, die nächste Entgleisung der Preußen, die den Kopf verloren. Wie von der Tarantel gestochen sprang Alonso auf und feierte den folgenden Freistoß und den damit verbundenen Zeitgewinn mit den Essener Anhängern. Wenn man sich den gesamten Spielverlauf anschaut, konnte man jedenfalls erkennen, dass der Schiedsrichter seine Linie für beide Mannschaften konsequent durchzog. Ein vermeintliches Foul vor einem Tor und ein vermeintlich nicht gegebener Elfer? Hatten wir bereits in der ersten Hälfte. Vor dem zwischenzeitlichen 2:0 durch Deters war Zlatko Janjic unsanft von hinten umgestoßen worden, das Spiel lief weiter, das Tor fiel. Kurz danach kam Dennis Grote nach einem Gegnerkontakt im Preußen-Strafraum zu Fall, die Pfeife blieb stumm. Fazit, Gansloweits großzügige Spielführung war zum Teil fragwürdig, jedoch profitierten beide Mannschaften zu gleichen Teilen davon. Die Adlerträger wurden eher Opfer ihrer eigenen Emotionalität, die sich erst positiv auswirkte und dann nach hinten losging. Wer derart die Ordnung und Kontrolle verliert wie Preußen Münster, sollte sich an die eigene Nase packen. Dennoch, das soll ausdrücklich festgestellt werden, zeigten die Adlerträger insgesamt einen Fußball, der Respekt abnötigt und der ihre Ambitionen unterstrichen hat.

Leider gab es nicht nur diese Bilder, friedlich unterstützender RWE-Fans.

Der absolut unsportliche Aufreger

Der Jawattdenn-Vorbericht hatte es im Vorfeld des Spiels angesprochen, das Sportliche sollte im Mittelpunkt stehen. Wir meinten das zunächst eher als Ermahnung in Richtung einer nicht nur aus unserer Sicht unseriös agierenden Boulevardpresse, die 20 Jahre alte Haudraufstories wiederbelebte und somit ganz klarmachte, dass die Täter auch nach Jahrzehnten ihren fragwürdigen Ruhm medial genießen können. Nach dem Spiel aber sind wir einfach nur geschockt, dass ein großartiger sportlicher Erfolg des Vereins Rot-Weiss Essen mittels einer Bande von Kriminellen weit in den Hintergrund gerückt worden ist. Uns steht sozusagen die Schamesrotweissröte im Gesicht.

Nach Schlusspfiff stürmte eine Horde aus den Essener Blöcken, offenbar unterstützt von Teilen der Dortmunder Hooliganszene, Münsteraner Fanbereiche, in denen man Gleichgesinnte vermutete und fand, jedoch auch völlig unbeteiligte Fußballfans. Dass Münsters „Szene“, laut Polizeieinschätzung rund 120 Leute, die auf satte 200 Personen bezifferte anwesende Problemszene der Essener sowie etwaige Unterstützer zuvor mächtig provoziert haben soll, relativiert die Vorfälle, die u.a. zwei Schwerverletzte forderten, nicht. Auch wenn Preußen Münster ebenfalls sehr gut beraten wäre, die Rolle der eigenen Fans genauer unter die Lupe zu nehmen, als das bislang mittels eines simplen Täter-Opfer-Schemas geschehen ist. Aber das ist das wie üblich schal schmeckende Fiege-Bier der Westfalen. Die Strafverfolgungsbehörden, der Verein Rot-Weiss Essen und alle seine vernünftigen Fans und friedfertige Unterstützer aus anderen Lagern, das ist nach wie vor die überwältigende Mehrheit, dürfen das nicht tolerieren und müssen aktiv werden. Dazu gehört auch eine ganz klare Abgrenzung von Gewalttätern.

Es müssen u.a. Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:

Wie kann im Vorfeld eines solchen Spiels verhindert werden, dass Eintrittskarten an einschlägig bekannte Leute der Szene gehen? Datenschützern ist es zwar ein Gräuel, aber es sieht leider so aus, als bräuchte es entweder personalisierte Tickets oder ein noch deutlich stringenter durchdachtes System bei der Ticketvergabe. Ohnehin standen nur 800 Eintrittskarten für RWE zur Verfügung, dieses knappe Kontingent war binnen kürzester Zeit vergriffen. Umso erschreckender, wenn ein nicht unerheblich zu nennender Teil von Karten echten RWE-Fans vorenthalten werden musste, weil „Erlebnisorientierte“ auch aus anderen Fanlagern im RWE-Kontingent zugegriffen hatten.

Welche unheiligen Allianzen bestehen zur Dortmunder Hooliganszene? Offenkundig hängen Fahnen dieser Leute in unserem Stadion und auch auswärts. Hoffentlich ab jetzt nicht mehr. In Essener Fanblöcke gehören Essener Fans. Keine Schläger, egal welcher Vereinscouleur.

Ist auch die eigene „aktive“ Fanszene bereit, sich vom Dogma „Gegen alle Stadionverbote“ zu lösen und auf die Anwesenheit gewisser Personen und Kreise zu verzichten, ohne dass Zeter und Mordio geschrien wird?

Die unrühmlich zu nennende Rolle der Polizei, die nur zögerlich und viel zu spät eingriff, sollte dort an Ort und Stelle aufgearbeitet werden. Generell muss die Frage gestellt werden, wie insgesamt 320 sogenannte Problemfans überhaupt zum Spiel und ins Stadion gelangen konnten. Gewisse Medien sollten zudem den Unterschied zwischen notwendiger und transparenter Berichterstattung und reißerischem Klickjournalismus begreifen. Hier kann der echte Fan auch mit Klickverweigerung erzieherisch tätig werden.

Eines muss ganz klar sein. So etwas darf sich nie wieder wiederholen. Wer genau das war und woher diese Leute kamen ist für die Außenwirkung unerheblich. Das schadet allein unserem Verein, bei dem insgesamt von den Verantwortlichen großartige Arbeit geleistet wird, die man sich nicht kaputtmachen lassen darf.

Rot-Weiss Essen ist ein Verein, bei dem auch das soziale Engagement großgeschrieben wird. Seien es die Projekte um Roland Sauskat und die AWO oder Tani Capitain und seine Jugendhilfe und die Essener Chancen, wir Rot-Weissen haben uns bestimmten Werten verpflichtet, die von einigen am Dienstagabend roh mit den Füßen getreten worden sind. Diese Personen haben zukünftig in der RWE-Familie nichts mehr zu suchen. Das betont sehr zu Recht auch der Verein Rot-Weiss Essen. RWE reagierte in Persona des Vorstandsvorsitzenden Marcus Uhlig heute Nachmittag auf die Vorfälle. Uhlig entschuldigte sich ausdrücklich bei den Opfern der Gewalttäter und kündigte eine umfassende Aufbereitung der Vorfälle an, bei denen RWE die Strafverfolgungsbehörden unterstützen und die notwendigen Konsequenzen mit aller Härte ziehen werde.

Fazit

Ein fantastisches Spiel, eine Werbung für die Regionalliga West und drei Big Points für RWE. Alles hätte so schön sein können, vor allem, weil die Rot-Weissen zumindest vorübergehend von der Tabellenspitze grüßen und das, obwohl niemand sonst auch nur annähernd ein so hartes Auftaktprogramm hatte wie RWE, das mittlerweile in 6 Saisonspielen mit Wuppertal, Fortuna Köln und nun Preußen Münster bereits drei Mitkonkurrenten um den Titel geputzt hat. Schon am Freitagabend, wenn Gelsenkirchen II zu Gast sein wird, müssen alle das wahre Gesicht der Essener Rot-Weissen präsentieren. Die Mannschaft mit gutem Fußball auf dem Feld und die echten Fans mit friedlichem aber enthusiastischem Support auf den Rängen.

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Fotos by M.R.

Fotos by M.E.

Videos

Stimmungsvideo
Die Highlights vom offiziellen RWE-Youtube-Kanal