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2020/2021 - Regionalliga West

Rot-Weiss Essen – Rot-Weiß Oberhausen (3:0)

Es war nicht das beste Spiel der Rot-Weissen in dieser Saison. Allerdings ist es schon beeindruckend, wie souverän die Mannschaft ihren Stiefel auch gegen Oberhausen runterspielte. Und das mit Erfolg. Cedric Harenbrock, Marco Kehl-Gomez und Simon Engelmann schossen die Essener erst einmal an die Tabellenspitze. Weiter so, Jungs.

Vorbericht

Zugegeben, die Überschrift ist bemüht und möchte in diesen Tagen, in denen nach wie vor nichts normal ist, dennoch ein wenig Vorfreude auf ein Spiel wecken, das zwei Traditionsvereine des Reviers zusammenführt. Schließlich munden Derbypunkte stets noch ein bisschen mehr. Da stört die leider wieder einmal kleine und erlesene Kulisse von nur 500 Zuschauer, die ohne Corona-Beschränkungen wohl 30mal so viele wären. Der Großteil der Fangemeinde, der auf den Livestream von Soccerwatch angewiesen sein wird, hofft darauf, dass dieser so gut funktioniert wie zuletzt.

Eine Saison, die mit 40 regulären Pflichtspielen pro Team die eigentlich längste der Regionalligageschichte werden sollte, droht nun zudem im krassen Gegensatz dazu die womöglich kürzeste Spielzeit zu werden. Dann nämlich, wenn alle Teams mindestens die Hälfte ihrer Spiele absolviert hätten und aufgrund des Infektionsgeschehens erneut ein Saisonabbruch ins Haus stünde. Aktuell darf sich der Fußballfreund über jedes Spiel freuen, das in Liga Vier noch über die Bühne gehen darf. Unter der Woche fielen deren fünf Partien Corona zum Opfer, darunter auch das Spiel unserer Roten bei Mönchengladbachs U23, ebenso die Partie des Spitzenreiters BVB U23 beim SV Lippstadt. RWE empfängt nun als Dritter den alten Revierrivalen, da Fortuna Köln sich aufgrund des besseren Torverhältnisses bei einem Spiel mehr an den zwangsweise tatenlosen Essenern vorbeischieben konnte. Der Gast vom Kanal kommt als Tabellenvierzehnter und damit seit Jahren erstmals nur als Underdog an die Hafenstraße 97A.

Bei RWO wirkte sich Corona schon vor Saisonbeginn erkennbar stark aus, denn die Oberhausener mussten auch aus finanziellen Gründen relativ viele Leistungsträger ziehen lassen, weswegen sich der Nachbar als Wundertüte darstellte. In unserer Saisonprognose war Jawattdenn.de somit auch zurückhaltend und stellte folgendes fest:

„Auch Nachbar RWO hat einen enormen Aderlass zu verkraften, nur wenige Leistungsträger wie Maik Odenthal oder Raphael Steinmetz blieben am Kanal. Bei den Neuzugängen fällt zunächst der auch schon bei RWE tätige Mittelstürmer Sven Kreyer auf, der die letzten Jahre bei Viktoria Köln tätig war. Kreyer ist der Typ bulliger Strafraumspieler, sein Pendant Shun Terada das Gegenteil. Der pfeilschnelle Japaner kommt vom SV Straelen, für den er auch schon mal in der Regio West erfolgreich tätig gewesen ist. Prominentester Neuer ist Tanju Öztürk, der über breite Profierfahrung verfügt und das zentrale Mittelfeld bereichern soll.
Der Coach heißt nicht mehr Mike Terranova, sondern Dimitrios Pappas, der zuvor für den Nachwuchs verantwortlich gewesen ist. Das in den vergangenen Jahren meist relativ erfolgreiche RWO wird zeigen müssen, wie gut man diesen Umbruch vollziehen können wird. Die Vorbereitung lief jedenfalls gut, u.a. gelang ein 3:1 Erfolg gegen den Ligakonkurrenten Gladbach 2.“

Nach 10 Spielen der Jungs vom Emscherkanal sind einige Fragen beantwortet, aber ebenso einige Personalien hinfällig. Der schlechte Saisonstart mit 3 Niederlagen und vier Remis, RWO blieb sieglos, kostete den Trainer-Novizen Dimitrios Pappas frühzeitig den Job. Das ist in Oberhausen bemerkenswert, denn 4 Jahre lang wurde ein hauptamtlicher Cheftrainer dort nicht mehr seines Amtes enthoben. In derselben Zeit waren bei RWE fünf Coaches tätig, mit Christian Neidhart nun die Nummer 6. RWO-Boss Sommers begründete das schnelle harte Durchgreifen auch mit der Corona-Situation, da ein möglicher Saisonabbruch kaum Zeit ließe, um verlorene Punkte noch einzufahren. So kam der alte Chef zurück. Zumindest vorübergehend. Mike Terranova war nur kurze Zeit Leiter des RWO-NLZ und springt nun als Feuerwehrmann ein. Sogleich wurde es besser. RWO siegte mit 3:2 bei Wegberg-Beeck und holte sich unter der Woche mit einem 3:1 über die Sportfreunde Lotte den ersten Heimsieg. Dazwischen lag aber auch eine herbe 0:4 Klatsche bei der U23 des 1.FC Köln. Dennoch werden die Oberhausener mit etwas breiterer Brust zum Derby anreisen, als es noch vor kurzer Zeit der Fall gewesen wäre, und RWE einiges abverlangen wollen. Wiedercoach Mike Terranova mangelte es ohnehin noch nie an gesundem Selbstvertrauen, auch in Essen wolle er drei Punkte holen. Etwas, das Terra bislang als Trainer noch nie gelungen ist, alle 8 Ligapartien gegen Rot-Weiss bestritt Rot-Weiß unter Terranova bislang sieglos, in der letzten Saison blieb man gegen Essen beim 0:3 in Oberhausen und beim 0:1 im Rückspiel an der Hafenstraße punkt- und torlos. Da könnte es nun kaum schlechter laufen.

Unsere Rot-Weissen werden aber etwas dagegen haben, dass sich RWO im samstäglichen Derby, das erst zur Bundesligazeit von 15:30 Uhr angestoßen werden wird, Punkte einverleiben könnte. In seinen bisherigen 8 Saisonspielen ist RWE als eine von nur zwei Mannschaften der Liga weiterhin unbesiegt. Den fünf Siegen gesellen sich drei Remis hinzu, bei denen die Essener jeweils unter dem Strich die bessere Mannschaft und dem Sieg näher waren als die Konkurrenten. Dennoch gibt es keinen Grund sich zurückzulehnen. Auch im Essener Lager weiß man, dass man wegen des Damoklesschwertes Corona über den Köpfen der Liga keine Zähler leichtfertig verschenken darf und wird einen Sieg anstreben. Beim 1:0 Erfolg über Preußen Münster erfreuten die einzig wahren Roten ihren Anhang zuletzt nicht nur durch den Sieg, sondern auch mittels eines überzeugenden Auftretens. Auffällig ist die neu gewonnene taktische Flexibilität auf dem Rasen. Setzen die Rot-Weissen ihren Gegnern auch gerne mal mit präzise geschlagenen Diagonalbällen zu, so vor allem gesehen gegen Düsseldorfs U23, so kombinierten sie sich gegen die Preußen mehrfach vielversprechend mit direktem Kurzpassspiel durch das Mittelfeld Richtung gegnerischen 16er. Hinzu gesellen sich auch rustikalere Methoden wie weite Einwürfe in die Box. In Kombination mit kollektiv starkem Spiel gegen den Ball, wenn dieser sich mal beim Gegner befindet, mixt RWE derzeit einen wohlschmeckenden Fußball-Cocktail an. Vorne ist man immer für ein Tor gut, hinten steht man sehr stabil. Die Abwehr um Daniel Heber und Alex Hahn, aber auch das vorgelagerte Mittelfeld mit dem aktuell überragend auftretendem Routinier Dennis Grote lassen Keeper Daniel Davari nur wenig Gelegenheiten, sich auch mal auszuzeichnen. Derart gelangweilt sorgte Diva daher in der Nachspielzeit gegen Münster für Kapriolen, als er sich einen langen Ball in der Luft schnappte und damit außerhalb seiner Box landete. Den fälligen Freistoß entschärfte er danach höchstpersönlich. Gegen seinen Ex-Klub RWO wird Davari seine Hütte sicherlich sauber halten wollen.

Bei aller Freude über die letzten Spiele bleibt aber immer noch ein Manko, die Chancenverwertung. Simon Engelmann tut das, wofür er geholt worden ist, auch gegen die Preußen hatte er das richtige Näschen. Ein weiterer Offensivmann, der erhöhte Torgefahr ausstrahlt, wird allerdings weiterhin gesucht. Zum Glück sind dafür viele andere RWE-Kicker mit Toren erfolgreich. Neben Engelmann trafen in dieser Spielzeit noch Felix Backszat, Marcel Platzeck, Amara Condé, Dennis Grote, Cedric Harenbrock und Oguzhan Kefkir jeweils einmal, zwei Treffer steuerte Kapitän Marco Kehl-Gomez bei, der gegen die Preußen zudem sehenswert ans Gebälk traf. So ist Rot-Weiss immerhin nicht ausgeschaltet, wenn ein Gegner mal besonders gut mit Engelmann klar kommen sollte. Mit dem Respekt, den Engel den Gegnern aber auch dann noch einflößt, wäre er auch an solchen Tagen wichtig. Personell hat Neidhart im Revierderby die Qual der Wahl. Langzeitverletzt ist nur David Sauerland. Bei Amara Condé bleibt abzuwarten, ob seine muskulären Probleme überwunden sind. Cedric Harenbrock, der sowohl nach seiner Einwechslung gegen Düsseldorf als auch gegen Münster überzeugen konnte, wäre wohl wieder gerne von Anfang an dabei. Ebenso wie Last-Minute-Transfer Isaisah Young, der die Münsteraner mit seinen Antritten vor arge Probleme gestellt hatte. Bringt RWE sein Potenzial wie zuletzt gegen Preußen Münster erneut auf dem Platz zum tragen, dann stehen die Aktien auf einen Derbysieg gegen die sicherlich kampfstark auftretenden Oberhausener gut. Und nichts anderes kann Essens Anspruch am Samstag sein. Angesichts dessen, dass die Konkurrenz an den nächsten Spieltagen viele direkte Duelle gegeneinander austragen muss, ist jeder RWE-Dreier ein wertvoller Baustein für den Sprung an die Ligaspitze.

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Spielbericht

Am Ende durften die 500 glücklichen RWE-Fans, die die Eintrittskarte per Los gewonnen haben, jubeln, als RWE das Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen souverän mit 3:0 gewonnen hat. Es ermüdet langsam zu betonen, wie die Stimmung in Essen aussehen würde, wie dieser Sieg gefeiert worden wäre, wenn das Virus die Welt nicht in der Hand hätte.

Einigen wir uns darauf, dass wir alle uns vorstellen können, dass die Euphorieskala an der Hafenstraße, die ja bereits nach zwei siegreichen Spielen hintereinander zu explodieren droht, unermessliche Höhen erreicht hätte. Nun ließ sich das Team von den anwesenden Zuschauern für eine dominante Leistung feiern.

Christian Neidhart vertraute gegen Oberhausen dem siegreichen Team aus der Vorwoche, das Preußen Münster geschlagen hat. Das bedeutet, dass Isaiah Young ebenso seinen Platz in der ersten Elf behalten durfte wie Cedric Harenbrock. Der zweitligaerfahrene Amara Condé musste sich dagegen mit einem Bankplatz begnügen, obwohl er wieder fit war. Das zeigt einmal mehr, wie eng es im Konkurrenzkampf in der Mittelfeldzentrale zugeht. Es kann bereits jetzt verraten werden, dass Young und insbesondere Harenbrock das Vertrauen von Christian Neidhart zurückzahlen konnten.

Nach anfänglichem Abtasten war es aber Oberhausen, das erstmals gefährlich vor dem Essener Kasten auftauchte. In der sechsten Minute hatte Dominik Reinert nach einer Flanke von Jeffrey Obst eine gute und vor allen Dingen unverstellte Schussmöglichkeit, allerdings verkam der „Schuss“ eher zu einem Rückpass, der Daniel Davari vor kein größeres Problem stellte. Im Gegenzug prüfte Simon Engelmann erstmals Justin Heekeren, als nach einem Kefkir Freistoß der zweite Ball zu ihm kam. Eigentlich wäre auch dieser Schuss eine sichere Sache gewesen, der Ball glitt Heekeren aber durch die Hände und rollte langsam auf die Torlinie zu. Geistesgegenwärtig griff der Oberhausener Keeper zu und verhinderte die frühe Führung der Essener.

In der Folge zog sich Oberhausen zurück. Man muss festhalten, dass man selten das Gefühl hatte, dass RWO den Druck erhöhen würde. Chancen waren Mangelware. Das kennt man aus Oberhausen eigentlich anders, da die Mannschaft sonst stets mit dem Messer zwischen den Szenen in das Derby geht, das – warum auch immer – gerade für die RWO-Fans das Hassspiel schlechthin ist.

In der elften Minute brandete der erste Jubel auf. Isaiah Young setzte sich über die linke Seite durch und spielte flach auf Simon Engelmann. Dieser scheiterte beim Versuch, sich durch die Abwehr zu dribbeln und der Ball versprang zu Cedric Harenbrock. Mit einem gigantischen Selbstbewusstsein legte dieser den Ball zur Seite und zog ab. Mit ein wenig Schussglück – der Ball war abgefälscht – sorgte Harenbrock für die 1:0 Führung. Wenn wir RWE-Fans nicht wüssten, was Harenbrock für einen Leidensweg hinter sich hat, keiner würde glauben, dass der Spieler zwei Jahre lang nahezu keine Wettkampfpraxis hatte. Umso mehr freut es uns für diesen jungen und sympathischen Fußballer, dass er jetzt durchstartet.

Danach waren gute Chancen Mangelware. Engelmann zog einmal nicht genau genug ab (20.), aber RWE war feldüberlegen und ging folgerichtig mit der Führung in die Halbzeit. Viel zu meckern gab es nicht, allerdings ging Christian Neidhart auf Nummer sicher und wechselte den leicht angeschlagenen Kevin Grund zur Pause aus und brachte Felix Herzenbruch und damit den fünften Ex-Oberhausener.

Direkt nach der Pause sorgte RWE schon für die Entscheidung. Dennis Grote erkämpfte sich den Ball, in der Oberhauser Vorwärtsbewegung und Felix Herzenbruch gewann das folgende Kopfduell und serviert den Ball auf Marco Kehl-Gomez. Der Capitano, der mit dem Rücken zum Tor stand, ließ den Ball passieren und hielt aus der Drehung volley drauf. Aus gut 25 Metern schlug der Ball im Tor ein und Herzenbruch sammelte sogleich einen Scorerpunkt nicht einmal zwei Minuten nach seiner Einwechslung. Für Kehl-Gomez war es bereits der dritte Treffer.

Danach verwaltete RWE das Spiel und verlagerte sich aufs Kontern. Hier setzt auch die kleine Kritik an, die selbst nach einem so souveränen Sieg erlaubt sein muss und die auch Christian Neidhart im Interview nach dem Spiel angemerkt hat. Diese Konter werden zu oft leichtfertig verspielt. Engelmann setzte Young perfekt in Szene (50.), dieser vergab eine Hereingabe, die knapp am Tor vorbeiging. Ein Kopfball Engelmanns ging nur Zentimeter am Kasten vorbei (56.). Der eingewechselte Joshua Endres bediente über die rechte Seite perfekt Cedric Harenbrock, der frei vor dem Tor abzog und dieses Mal das Nachsehen gegenüber Justin Heekens hatte (70.). Dies sind nur die besten Möglichkeiten des rot-weissen Chancenwuchers.

Schlussendlich nutzte Simon Engelmann in der Nachspielzeit noch eine Möglichkeit und setzte sich mit seinem sechsten Treffer an die Spitze der Torschützenliste der Regionalliga West. Wieder sind es Dennis Grote und Felix Herzenbruch, die das Tor herausspielten. Diese bedienten Joshua Endres, der aus guter Position den Torwart traf. Da dieser aber nur abprallen lassen konnte, war der Ball frei und das ließ sich Simon Engelmann nicht entgehen und markierte den 3:0 Endstand.

Wen soll man herausheben nach einer geschlossenen Mannschaftsleistung? Cedric Harenbrock wurde bereits genannt. Wie oft soll man noch beeindruckt Dennis Grote loben, der das Gehirn des Essener Spiels darstellt? Wie oft noch betonen, dass RWE mit Marco Kehl-Gomez einerseits seinen Aggressive Leader hat, andererseits auch noch wichtige Tore schießt? Wie oft sich über die unfassbar starke Abwehrleistung von Daniel Heber freuen? Auch gegen Oberhausen zeigte sich der Essener Kader dominant und souverän, daran hatten auch die nicht genannten Spieler wie Plechaty, Young, Hahn, Grund und Kefkir sowie die Einwechselspieler ihren Anteil, in diesem Spiel war keine Schwachstelle zu erkennen.

Zunächst einmal überwiegt die Freude über einen überraschend sachlichen Derbysieg gegen Rot-Weiss Oberhausen. Wichtig ist es, diese breite Brust in die nächsten Wochen zu retten, denn mit der Zweitvertretung aus Gelsenkirchen trifft RWE wieder einmal auf eine spielstarke Nachwuchsmannschaft. Im Gegensatz zu den anderen Nachwuchsteams setzt man bei den Gelsenkirchenern auch gerne mal Unterstützung aus dem Profibereich ein und da gilt es gegen zu halten.

Hendrik Stürznickel

Fotos by M.E.

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