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2023/2024 – 3. Liga

Rot-Weiss Essen – Arminia Bielefeld (2:1)

Megajubel an der Hafenstraße 97 A! Rot-Weiss Essen schlägt Arminia Bielefeld in derselben Dramaturgie K.O. wie den MSV Duisburg und feiert den vierten Ligasieg in Serie. Unser Spielbericht ist online, Fotos folgen.

Vorbericht

Ostwestfalen, Traditionen, jetzt kommt Arminia Bielefeld!

Der nächste Großkampftag im Stadion an der Hafenstraße steht an. Mit Arminia Bielefeld erwartet unser RWE nicht nur einen alten Westrivalen, sondern es steht das Duell von zwei der derzeit formstärksten Mannschaften an. Beide Teams siegten zuletzt in der Liga dreimal in Serie sowie jeweils einmal im jeweiligen Landespokal. Nur Jahn Regensburg (5 Ligaerfolge in Folge) setzte hier noch ein bislang größeres Ausrufezeichen. Kein Wunder also, dass sämtliche Karten für das Traditionsduell gegen die Ostwestfalen vergriffen sind, auch für den Gästebereich. Beide Fanlager sind heiß auf die Partie.

Das Personal und die taktischen Optionen

Christoph Dabrowski hat aktuell nicht nur wegen der sportlichen Erfolge gute Laune, auch die Personalsituation ist relativ entspannt. Weiterhin ausfallen werden die Langzeitverletzten Ekin Celebi und Fabian Rüth, Thomas Eisfeld steht im Training, wird aber noch keine Kaderoption werden. Ansonsten stehen Dabro alle Kicker zur Verfügung und werden jeweils heiß sein, einen der begehrten Plätze in der Essener Startformation zu ergattern.

Diese dürfte sehr wahrscheinlich so aussehen wie zuletzt bei den Siegen gegen Saarbrücken und in Duisburg. Jakob Golz im Tor sowie die Innenverteidiger Felix Götze und Rios Alonso sind derzeit unantastbar, ebenso wie Lucas Brumme als Linksverteidiger. Spannender wird es auf der rechten defensiven Außenbahn, wo Eric Voufack und Routinier Andreas Wiegel um einen Startplatz rangeln.

Im Mittelfeld führt kein Weg an Kapitän und Motor Vinko Sapina vorbei, ebenso werden wohl Torben Müsel und Cedric Harenbrock beginnen wie Marvin Obuz und Isi Young auf den offensiven Außen-Bahnen. Ob Leo Vonic seinen Startelf-Hattrick feiern darf oder Ron Berlinski zunächst die 9 geben wird, bleibt abzuwarten. Björn Rother kehrt nach seiner Rotsperre zurück in den Essener Kader. Es gibt wenig Gründe, gegen die Arminia die zuletzt erfolgreiche Essener Taktik zu ändern, RWE wird erneut auf kontrollierten Ballbesitz und Dominanz aus sein, ohne die Defensivarbeit gegen den durchaus erlesenen Bielefelder Kader nur einen Deut vernachlässigen zu dürfen.

Der Gegner: DSC Arminia Bielefeld (11. Platz/ 13 Spiele/18 Punkte/ 5 Siege/ 3 Remis/ 5 Niederlagen/22:21 Tore/Differenz +1)

Zum ersten Mal seit sage und schreibe beinahe 29 Jahren treffen Rot-Weiss Essen und Arminia Bielefeld in einer Ligapartie aufeinander. Auf Lohmanns Wiesen gab es damals das erste Regnum von Power Ernst Middendorp, unterstützt vom umtriebigen Manager Rüdiger Lamm, der finanziell aus dem Vollen schöpfen durfte und echte Stars wie Thomas von Heesen, Fritz Walter (Jahrgang 1960, Bundesligatorschützenkönig 1991/92 für den VFB Stuttgart und nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kapitän der Berner-Wunderelf) oder Armin Eck verpflichten. Rot-Weiss wurde von Jürgen Klopp-Ziehvater Wolfgang Frank betreut.

In der Spielzeit 1994/95 siegte RWE mit 1:0 durch ein Tor von Haken-Oli Grein mit 1:0 im Georg-Melches-Stadion, dafür gab es im Rückspiel auf der Bielefelder Alm eine satte 0:4-Klatsche. Die Arminia erhielt dabei den entsprechenden Rückenwind, die Ligameisterschaft in der drittklassigen Regionalliga der Staffel West-Südwest zu gewinnen, RWE scheiterte am Unternehmen des direkten Wiederaufstiegs nach dem Zwangsabstieg aus der zweiten Liga eine Spielzeit zuvor. Seitdem hatte man tatsächlich bis zum Ende der letzten Spielzeit nie die gleiche Ligazugehörigkeit und anders als Essen blieb Bielefeld all die Jahre auch der Sturz in das Amateurlager erspart.

Zweimal traf man sich seitdem jedoch im DFB-Pokal. Im August 2016 siegte der DSC nach Elfmeterschießen in Essen, nach Verlängerung hatte es beim Duell des Zweit- beim Viertligisten 2:2 gestanden. Im September 2020 nahm RWE Revanche und kegelte als immer noch Regionalligist den frisch gebackenen Bundesligaaufsteiger aus Bielefeld aus dem Wettbewerb. Simon Engelmann machte auf Vorarbeit von Sandro Plechaty das Siegtor, das Corona bedingt nur 300 handverlesene Zuschauer vor Ort erleben durften. Damals trennten beide Klubs noch drei Ligen, drei Jahre später begegnet man sich nach einem Bielefelder Doppelabstieg und dem RWE-Aufstieg im Vorjahr nun in derselben Spielklasse.

Beide Pokalspiele hat Mister Arminia Fabian Klos miterlebt. Klos spielt seit 2011 am Teuto, nur unterbrochen von einem eigentlichen kurzen Karriereende, dann folgte der Rücktritt vom Rücktritt. Stolze 159 Tore hat die Allegorie einer Neun für Bielefeld erzielt, sagenhafte 420 Einsätze weist Klos dort auf. Er ist auch der einzige Akteur, der im Vorjahr schon für Bielefeld die Fußballschuhe schnürte.

Der Kader wurde nach dem Zweitligaabstieg ansonsten runderneuert. Auch der Trainer ist neu. Michel „Mitch“ Kniat trainierte zuvor 1,5 Jahre die ostwestfälische Provinz-Perle aus Verl und war dem großen Nachbarn aus Bielefeld im Sommer eine moderate Ablösesumme wert. Kniat soll aus Klos und 25 neuen Spielern einen Aufstiegskader formen. In den ersten Wochen in Bielefeld spürte Kniat jedoch, dass großstädtisches Ambiente im Vergleich zum Verler Dorfidyll seine Tücken besitzt.

Der Arminia-Express kam zunächst nur sehr schwer ins Rollen, zwar besiegte man am zweiten Spieltag den Erzrivalen Preußen Münster, der in Bielefeld noch unbeliebter ist als in Essen, mit 4:0, jedoch täuschte das hohe Ergebnis darüber hinweg, dass der Spielverlauf eigentlich enger gewesen war. In den Folgewochen fing sich die Arminia einige Schlappen und als der 1. FC Saarbrücken am 8. Spieltag mit 6:2 über den Gastgeber in der Schüco-Arena hinwegfegte, schienen Kniats Tage bereits gezählt, erst Recht, als dann noch das OWL-Duell bei Ex-Klub Verl in die Hose ging (1:3) und der ambitionierte Klub die Abstiegsränge bereicherte.

Doch der Coach hat ein spürbar gutes Verhältnis zu Opinion Leader Fabian Klos, der sich auch nach solchen Niederlagen öffentlich hinter den Trainer stellte. Obwohl Klos aktuell nur Teilzeit spielt, sind seine vier Saisontore sowie zwei Torvorlagen Bielefelds offensive Spitzenwerte. Er kann es also immer noch. Ihn mit seinen 1,93 Meter in der Luft und als Wandspieler zu verteidigen ist grundsätzlich eine Herkules-Aufgabe.

Bei Standards dürfte ihn daher wohl Vinko Sapina begrüßen dürfen. In der Startelf vorgezogen wird häufiger Manuel Wintzheimer, dessen Effektivität aber nicht an die von Klos heranreicht. Da Klos im Pokal gegen den HSV erst von der Bank kam, dürfte er mehr Reserven im Tank haben als der Konkurrent und von Beginn an auflaufen. Ansonsten sind der linke Außenbahnspieler Nicklas Shipnoski, der Japaner Kaito Mizuta sowie insbesondere Nassim Boujellab zu beachten. Von seinem offensiven Mittelfeldspieler Boujellab sagt Mitch Kniat, er sei für die Dritte Liga eigentlich viel zu gut. RWE kennt Boujellab bereits aus Duellen mit Gelsenkirchens Zweitvertretung.

In der Abwehr weisen bislang 21 Gegentore nicht auf einen Hochsicherheitstrakt hin, vor allem fallen bei den Bielefelder Verteidigern durchaus Schnelligkeitsdefizite und Verwundbarkeit bei langen Bällen hinter die Kette auf. Eine Chance für Essens flinke Außen Young und Obuz. Zuletzt bekamen die Gäste das jedoch in den Griff und spielten sowohl in Duisburg (1:0) als auch Zuhause gegen Ingolstadt (4:0) zu Null. Auch weil sich der junge Keeper Jonas Kerskens (23) sehr gesteigert hat und nach Wacklern zu Saisonbeginn aktuell in guter Verfassung ist. In der Jugend spielte der gebürtige Düsseldorfer auch schon ein Jahr an der Hafenstraße 97 A. Kerskens tolle Leistung im DFB-Pokal unter der Woche gegen den Hamburger SV reichte der Arminia jedoch nicht zum Weiterkommen, das Duell ging nach Elfmeterschießen verloren, nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 1:1 gestanden. So ereilte Bielefeld das RWE-Schicksal trotz ebenbürtiger Leistung im Pokal gegen Hamburg die Segel streichen zu müssen.

Den Kraftakt über 120 Minuten sowie das etwas deprimierende Ende für die Arminia dürfte man in Essen nicht ganz uneigennützig wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, denn sicherlich haben die Ostwestfalen dabei ordentlich Körner gelassen, während RWE zeitgleich selbst mit einer B-Elf im Schongang seine Achtelfinalaufgabe im Niederrhein-Pokal beim SV Straelen (4:0) lösen konnte. In der Dritten Liga entscheiden bekanntlich Nuancen. Zu erwarten ist grundsätzlich ein Duell auf absoluter Augenhöhe.

So oder so wird es am Samstag einen heißen Tanz in Essen geben. Bielefeld fehlt dabei Mittelfeldakteur Noah Joel Sarenren Bazee, der sich im Pokalduell gegen den HSV verletzte. Mittlerweile gab es die Hiobsbotschaft eines Kreuzbandrisses. Gute Besserung! Dennoch hat das Kniat-Team einen nicht gerade günstigen und durchaus erlesenen Kader aufzubieten, der seinen Aufwärtstrend in Essen fortzusetzen gedenkt. Unterstützung findet die Arminia in einem ausverkauften Gästebereich. Dieser Rückenwind ist nach zwei Abstiegen in Serie sowie relativ verkorkstem Saisonstart nicht selbstverständlich und die Leidensfähigkeit aber auch Treue der Anhängerschaft der Schwarz-Weiß-Blauen ist ebenso groß wie die der RWE-Anhänger.

Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga

Der Fußball-Freudentempel Hafenstraße ist bereit für das nächste Fußballfest. Der alte Westschlager gegen Bielefeld zieht die Massen in den Bann, auch weil die Gäste aus Ostwestfalen am Bundesligaskandal im Jahre 1971 im Grunde noch schuldiger waren als der Essener Lieblingsfeind aus der Nachbarstadt. Auch tabellarisch wird Brisanz geboten. Nur noch zwei Zähler trennen RWE als Tabellenfünften nach der jüngsten Erfolgsserie vom Relegationsplatz 3.

Coach Dabrowski, der derzeit sehr entspannt wirkt, wird aber nicht müde zu betonen, dass es vor wenigen Wochen noch zwei Klatschen gegeben hatte, die zeigen, dass Wege sich schnell einmal umkehren können. Dabro tut sicherlich gut daran, das mit in den Fokus zu rücken. Umgekehrt sehr beruhigend sind aber satte 9 Zähler Differenz zu den Abstiegsrängen. Eigentlich ein Grund, relativ befreit und selbstbewusst gegen Bielefeld auftreten zu können. Dieses wiederum könnte Essen im Falle eines Auswärtscoups über die Tordifferenz überholen. Sehr häufig trennten sich die Rivalen in ihrer Historie aber auch mit einem Remis.

Am Freitagabend eröffnen Erzgebirge Aue und der SC Verl den Spieltag, beide Klubs richten ihre Blicke eher nach oben als nach unten. Das tut Liga-Topfavorit Dynamo Dresden ohnehin. Die Anfang-Elf empfängt den weiterhin arg schwächelnden SC Freiburg II am Samstag im Rudolf-Harbig-Stadion. Gespannt sein darf man auf den Auftritt von Bayern-Bezwinger 1. FC Saarbrücken in Sandhausen. Wird Rüdiger Ziehl den neuen Kollegen Jens Keller ebenso narren wie den großen Thomas Tuchel? An der Lohmühle in Lübeck gibt es ein Aufsteiger-Duell zwischen Lübeck und Unterhaching. Der heimische VFB steht bei 12 bislang erreichten Zählern bereits etwas mit dem Rücken zur Wand, der Kontrahent aus Bayern hält sich jedoch im gesicherten Mittelfeld mit Anschlusszug nach oben auf.

Ein reines Bayern-Duell gibt es an der Grünwalder Straße, wo die wankelmütigen 1860er den mittlerweile zum Tabellenführer aufgestiegenen Jahn aus Regensburg empfangen. Das Enochs-Team, das sich beim Gastspiel in Essen noch ein glückliches Remis ermauern musste, feierte wie eingangs erwähnt zuletzt 5 Ligasiege in Serie. Der finanziell sehr potente FC Ingolstadt kann erneut sportlich nicht wirklich überzeugen. Die Audistädter sind tabellarisch im Niemandsland und gegen den BVB II fast zum Siegen verdammt.

Ein Abstiegskracher der Enttäuschten steigt am Sonntag in Mannheim. Die eigentlich ambitionierten Waldhöfer (12 Punkte) führen die Abstiegsränge an, die Zebras aus Duisburg, deren Herzen von RWE zuletzt im Derby gebrochen worden waren, sind gar Tabellenletzter mit nur 7 Zählern. Mehr Druck geht wohl kaum. In Münster steigt ein weiteres Aufsteigerduell, Neuling Ulm steht noch immer auf dem Relegationsplatz, die Preußen wollen eine kleine Negativserie stoppen und der Abstiegszone nicht näherkommen, derzeit trennen sie davon noch 4 Punkte.

In komfortabler Lauerstellung fährt Viktoria Köln mit 20 Zählern nach Halle, die Sachsen-Anhaltiner sind mit 11 Punkten zwar nur auf Platz 18, haben mit Dominic Baumann aber einen der zwei besten sowie den effektivsten Torschützen (9 Treffer) der Liga in ihren Reihen. Auch Ex-Alemanne Yannick Mause aus Ingolstadt hat neun Treffer gemacht, benötigte aber mehr Einsatz-Minuten für seine Tore. So ist der Tisch einmal mehr gedeckt für ein abwechslungsreiches Fußball-Mahl. Die RWE-Anhänger hoffen dabei auf einen Festschmaus am Samstag ab 14 Uhr.

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Spielbericht

Wer zuletzt lacht, lacht am Besten! RWE mit 2:1 Sieg-Doublette gegen Bielefeld!

Megajubel an der Hafenstraße 97 A! Rot-Weiss Essen schlägt Arminia Bielefeld in derselben Dramaturgie K.O. wie den MSV Duisburg und feiert den vierten Ligasieg in Serie. Essen dominierte klar die erste Hälfte. Marvin Obuz hatte RWE folgerichtig nach 22 Minuten verdient in Führung gebracht.

Im zweiten Abschnitt kam der Gast aus Ostwestfalen deutlich besser ins Spiel und Linksverteidiger Oppie schien der Arminia mit seinem Ausgleichstreffer kurz vor Ende der regulären Spielzeit zumindest einen Punkt gerettet zu haben. Doch aktuell wäre Rot-Weiss Essen nicht Rot-Weiss Essen, wenn die Dabrowski-Elf darauf keine passende Antwort parat hätte. Die gab Ron Berlinski zu Beginn der Nachspielzeit und nickte eine Freistoß-Flanke von Andy Wiegel in die Maschen. Totale Eskalation an der Hafenstraße. RWE ist auf dem Relegationsplatz angelangt.

Das Personal 

Christoph Dabrowski brachte zum dritten Mal in Folge dieselbe Startelf aufs Feld. Vor dem erneut überragenden Jakob Golz bildeten von links nach rechts Lucas Brumme, Felix Götze, Rios Alonso und Eric Voufack die Viererkette. Vinko Sapina, Torben Müsel und Cedric Harenbrock formten die Mittelachse, Isi Young und Marvin Obuz flankierten als offensive Außen Stoßstürmer Leo Vonic.

Nach 64 Zeigerumdrehungen wechselte Dabro den Siegtreffer ein. Leo Vonic, glücklos im Abschluss, aber immer da, wo es in der Box brannte, wich Ron Berlinski, der eine knappe halbe Stunde später die Hafenstraße glücklich machen sollte. In der Crunch-Time angekommen substituierten Sascha Voelcke und Nils Kaiser jeweils Isi Young und Cedric Harenbrock positionsgetreu (77.). Die Unterbrechung durch den Bielefelder Ausgleich nutzte Essen für einen weiteren Doppelwechsel. Björn Rother und Andreas Wiegel kamen für Müsel und Voufack (87.). Wiegel sollte kurz darauf die Freistoßflanke zum Siegtreffer schlagen. Dabro hatte somit erneut ein glückliches Händchen.

Die Pluspunkte 

Rot-Weiss spielte eine berauschende erste Halbzeit und der Arminia verging teilweise Hören und Sehen. Einmal mehr zog Sapina das RWE-Spiel auf, immer wieder gelangten scharfe Schnittstellenpässe auf Müsel oder Harenbrock und der Rasen rund um die Arminia-Box brannte förmlich. Der Führungstreffer durch den immer stärker auftrumpfenden Obuz benötigte zwar den Assist eines unglücklichen Abfälschens, war aber verdienter Lohn für die Essener Offensivpower. RWE kombinierte teilweise brillant bis in die Bielefelder Box, so kurz vor der Halbzeit, als nach einer Ballstaffette, in der die Arminen wie aufgestellte Pilonen wirkten, ein Harenbrock-Kracher leider nur den Pfosten fand.

Das war bereits der zweite Essener Aluminium-Test, denn schon nach vier Minuten hatte sich eine abgerutschte Flanke von Obuz an die Querlatte gesenkt. Diverse weitere Male flogen RWE-Geschosse aussichtsreich in Richtung Kasten von Jonas Kersken, der jedoch vorerst keinen weiteren Einschlag hinnehmen musste. Bielefelds Cheftrainer Mitch Kniat gab im Interview nach dem Match offen zu, über den knappen Rückstand zur Pause glücklich gewesen zu sein.

In Hälfte Zwei musste Essen defensiv deutlich mehr investieren und tat das auch. Bielefeld hatte trotz zum Teil deutlicher Feldvorteile keine Megachancen, und wenn doch, dann war mal wieder Jakob Golz zur Stelle und fischte die Kugel aus dem Eck. Auch sein Gegenüber Kersken durfte sich spektakulär auszeichnen und parierte Großchancen von Berlinski und Voelcke, die RWE sich trotz Gegnerdrucks noch erspielte.

Großes Kino mal wieder die Schlussphase. Nach dem Ausgleich durch Oppie holten die Bielefelder den Ball schnell aus dem Netz um zu signalisieren, den Sieg noch holen zu wollen. Hätten sie das mal besser nicht getan. Denn kein einziger Essener Kopf ging nach unten und es ist kein Zufall, dass RWE dann das letzte Wort in einem hochklassigen Drittligaspiel hatte. Die gezeigte Moral, die Leidenschaft und geschlossene Teamarbeit gepaart mit fußballerischem Know-how sind halt eine Mischung, die Rot-Weiss Essen aktuell in der Gunst des Fußball-Gottes hat steigen lassen. RWE hatte schlichtweg das variablere und kreativere Spiel anzubieten, Bielefelds Matchplan war lange Zeit durch viele Bälle hoch in Essens 16er gekennzeichnet. Das war eher brachial als elegant.

Die Knackpunkte 

RWE spielte insgesamt den besseren Fußball, hatte aber ähnlich wie in Duisburg auch das notwendige Quäntchen Glück. Schon nach drei Minuten war ein langer Ball in der Essener Box durchgerutscht, aber der völlig freie Putaro konnte Golz per Gewaltroller nicht schocken. Ansonsten war spürbar, wie schwer Sturmschrank Klos für Essens deutlich kleiner gewachsene Abwehrspieler zu verteidigen war, das machten sie dennoch gut, einmal jedoch strich ein Kopfball von Klos sehr knapp am Essener Kasten vorbei.

Die ersten Minuten nach der Halbzeit bot gleich eine Bielefelder Großchance, doch Aygün Yildirim erinnerte sich zum Glück nicht seines Glanztages, den er einst im Trikot des SC Verl an der Hafenstraße hatte. Damals gelang Yildirim ein Hattrick, nun nur ein sehr unplatzierter Abschluss in die Arme von Golz. Zuvor war Felix Götze weggerutscht und hatte mit diesem Pech die Gelegenheit eröffnet. RWE stand im zweiten Durchgang tiefer, manchmal zu tief und ohne Entlastung, so durfte man den Eindruck gewinnen, dass irgendwann mal einer durchrutschen werde. Das geschah erst kurz vor Schluss, als Rios Alonso einen Freistoß per Kopf unsauber klärte und dann gemeinsam mit Götze den Schuss von Oppie unglücklich über Golz hinweg abfälschte. Ansonsten fiel auf, dass Essen bei eigenen Standards sehr offen und im Umschaltspiel des Gegners zum Teil in Unterzahl agierte.

Die Aufreger

Schiedsrichter Felix Bickel machte in der aufgeheizten Hafenstraßenatmosphäre einen angenehm unaufgeregten Job und lag fast immer richtig, auch als Fabian Klos nach knapp einer Stunde frei durchgebrochen schien, aber in rot-weisser Teamarbeit fair in der Box vom Ball getrennt wurde. Der Arminen-Kapitän fiel dennoch durch fast pausenlose Diskussionen mit dem Unparteiischen auf, obwohl es dafür keine Gründe gab. Auch Gäste-Coach Kniat suchte in der Halbzeit noch auf dem Feld das Gespräch mit dem Schiri-Gespann, warum weiß wohl nur er selbst.

Zwei Fehler machte Bickel dann aber doch, beide auf Kosten der Essener. So war der Freistoß-Pfiff für Bielefeld vor dem 1:1 nicht korrekt, vielmehr hatte der generell in Catcher-Manier agierende Arminen-Joker Wintzheimer Gegenspieler Götze geklammert und sich in ihn hineinfallen lassen. Ein klares Stürmerfoul, doch Wintzheimer zog den Freistoß und zu allem Überfluss sah Götze Gelb, weil er den Ball nicht sofort freigeben wollte. Auch die letzte Aktion des Spiels war ein Bielefelder Freistoß, weil Bickel ein Handspiel von Rother erkannt haben wollte, der Ball war jedoch im Gesicht des Esseners gelandet. Dieser Pfiff blieb folgenlos.

Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga

Die Hafenstraße wünschte sich ein Fußball-Fest und die Hafenstraße erhielt ein Fußball-Fest! Dass am Ende Dauermalocher Ron Berlinski das Siegtor machte, ist ihm mehr als zu gönnen und passt zum derzeit fast märchenartigen Essener Fußball-Feeling. Wie in Duisburg galt, wer zuletzt lacht, lacht am Besten! RWE steht auf dem Relegationsrang und hat satte 12 Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Christoph Dabrowski kann stolz auf seine Mannschaft sein und verlieh diesem Stolz auch auf der Pressekonferenz Ausdruck. So stehen derzeit nur die Liga-Primusse Dynamo Dresden (2:0 gegen Freiburg II) und Jahn Regensburg (1:0 bei 1860, der sechste Sieg in Serie) vor Rot-Weiss Essen.

Auch der SC Verl pirscht sich weiter oben ran und siegte am Freitagabend durch einen Doppelschlag kurz vor dem Ende in Aue. Sandhausen und Saarbrücken treten nach ihrem Remis (2:2) auf der Stelle, ebenso wie Ingolstadt nach dem 1:1 gegen den BVB II. Eine bittere Niederlage erlitt Lübeck im Aufsteigerduell gegen Unterhaching (2:3).

Am morgigen Sonntag wird Preußen Münster aus alter Verbundenheit sicherlich alles dafür tun, den SSV Ulm daran zu hindern, RWE in der Tabelle zu überflügeln und Sascha Hildmann wird womöglich eine rot-weisse Basecap tragen. Katastrophentourismus können Groundhopper in Mannheim betreiben, wo die Waldhöfer sich der von MSV-Coach Schommers entdeckten Urgewalt der Duisburger Zebras erwehren müssen, die bereits Essen an den Rand des Nichtsieges getrieben hatte, vielleicht will Schommers dort mit Roten Laternen werfen.

Am Abend will Viktoria Köln den Anschluss nach ganz oben schaffen und den gastgebenden Halleschen FC in noch tiefere Abstiegssorgen treiben.

Unsere Essener Jungs erwarten nächsten Sonntag zum Heimspieldoppelpack Waldhof Mannheim unter ganz anderen Vorzeichen als im Vorjahr. Bis dahin dürfen wir die kommende Woche einfach nur genießen!

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Bilder by Marius