02.09.2017

Es geht wieder los

von Hendrik Stürznickel

„Wir haben die Schnauze voll!“ schallte es gestern nach Abpfiff von den Rängen des Stadions Essen und man empfindet so nach einem Spiel in dem einmal mehr die Grundtugenden vermisst werden, die man von einem Fußballprofi erwarten darf. Nach einer 2:4(!)-Niederlage gegen den SC Wiedenbrück (!) muss in dieser Woche ein deutliches Zeichen kommen, dass jeder Akteur bei Rot-Weiss Essen verstanden hat, was die Stunde geschlagen hat, denn sonst taumeln wir zusammen wieder unruhigen Zeiten entgegen.

Offiziell waren über 6.000 Zuschauer am der Hafenstraße...Das Spiel ist schnell zusammengefasst. Sven Demandt tauschte gleich auf drei Positionen und änderte das System. Die von vielen Fans geforderte Doppelspitze von Marcel Platzek und David Jansen stand erstmals in der Konstellation auf dem Platz, dafür musste Nico Lucas weichen. Außerdem wurden Dennis Malura und Kamil Bednarski geschont und durch Tolga Cokkosan und Robin Urban ersetzt. Nach wenigen Minuten sollte sich herausstellen, dass insbesondere die Herausnahme von Bednarski ein großer Fehler war.

Die Idee mit zwei Stürmern wurde vor dem Spiel von vielen Fans begrüßt, da man davon ausging, dass der SC Wiedenbrück sich hinten einigeln und auf Konter lauern würden. Dieses Spiel machte SCW-Trainer Björn Mehnert nicht mit. Die Wiedenbrücker drückten von Beginn an und zeigten, dass sie an der Hafenstraße Punkte entführen wollen. Einfach machte es ihnen besonders die linke Seite, denn Cokkosan und Kevin Grund waren in der ersten Halbzeit Totalausfälle. Der Mitte und der rechten Seite von RWE sah man wenigstens das Bemühen an, irgendetwas schaffen zu wollen, aber es war eine rundum desolate Leistung in der ersten Halbzeit, die folgerichtig mit der 0:1-Führung für Wiedenbrück beendet wurde. Das Tor der Halbzeit erzielte Daniel Brinkmann, der wunderbar von dem alles überragenden Viktor Maier freigespielt wurde.

Die wichtigste Reparaturarbeit in der Halbzeit war die Hereinnahme von Kamil Bednarski. Direkt nach der Pause verlängerte Robin Urban einen Einwurf von Kai Pröger und fand den Kopf von Bednarski, der den Ball im Tor unterbrachte. Wer nun glaubte, die Mannschaft habe in der Halbzeit ihre Ordnung wiedergefunden, sah sich jäh getäuscht. Nur sechzig Sekunden später konnte Viktor Maier unbedrängt bis zum Strafraum von Robin Heller laufen und ohne Gegenwehr einen strammen Flachschuss in der linken Torseite unterbringen. Es herrschte pures Entsetzen.

Ratlos-Trainer Sven DemandtIn der 62. Minute erhöhte Wiedenbrück auf 1:3 und der Treffer sollte symbolisch für die Leistung der RWE-Kicker sein. Antonyos Celik brachte einen Konter auf der linken Seite zum Abschluss und zog ab, hätte den Kasten aber verfehlt, ja, wenn nicht das Bein von Jan-Steffen Meier im Weg gewesen wäre, der den Ball im Essener Gehäuse unterbrachte. Kein Vorwurf an den ehrlichen Arbeiter Meier, aber es passte zum Abend.

RWE spielte eine bessere Halbzeit als die erste, es war jedoch weiterhin extrem schwach. David Jansen konnte nach Pass von Platzek den Ball zum 2:3-Anschluss (80.) unterbringen, die Zuschauer hatten jedoch nicht das Gefühl, dass RWE das Spiel noch drehen konnte. Dabei spielte Rot-Weiss seit der 69. Minute in Überzahl, da Antonyos Celik mit gelb-rot duschen geschickt wurde.

Der Elfmeter zum 2:4 kann schon eher hingenommen werden. RWE musste aufmachen, machte auf und lief zwangsläufig in einen Konter. Das Spiel endete mit einem Pfeifkonzert der bis dahin ausharrenden Fans. Ein Fazit fällt schwer, denn wie das Duell gegen Wuppertal ist auch dieses Spiel kaum verdauliche Kost gewesen. Auffällig war, dass es ausgerechnet die beiden Spieler der Mannschaft waren, denen man am ehesten anmerkte, dass sie Einsatz zeigen, denen die Reaktionen der Fans an die Nieren ging. Kai Pröger wurde von einem sichtlich ebenfalls angegriffenen Timo Brauer auf dem Weg in die Kabine getröstet.

Ein Spiel wie Wuppertal darf nicht passieren, es passiert aber auch den besten Mannschaften dieser Sportart durchaus einmal. Es treten eben keine Maschinen, sondern Menschen gegeneinander an. Ein zweites Spiel dieser Art zwingt zum Handeln, wobei dies nicht als ein Einstimmen in den Chor derer ist, die am liebsten alle Handelnden gerne bereits gestern in die Wüste geschickt hätten. Dass in dieser Mannschaft ein gravierendes Problem herrscht, konnten die Zuschauer gestern sehen. Dafür braucht es keine Trainerausbildung.

Hier sollten Antworten gerne auch intern erfolgen. Dass die Einzelspieler besser spielen können, als sie es gestern gezeigt haben, weiß jeder, der ehrlich zu sich selbst ist. Es war eine psychische Hemmung, schlimmstenfalls ein Einstellungsproblem, das gestern einmal mehr offenbar wurde. Bei internen Aufarbeitungen darf es hier jedoch nicht bleiben. Angesichts des bei vielen gerissenen Geduldsfadens wäre es zumindest ein Zeichen, wenn keine Betroffenheitsfloskeln kommen, sondern deutlich gesagt wird, wie solch ein Spiel sich unter keinen Umständen wiederholt. Wenn dies nicht plausibel geschieht, wird sich der Eindruck verfestigen, dass es allen Akteuren des Vereins genauso geht wie seinen Fans. Denn wir Fans können uns nicht mehr erklären, warum solche Spiele auftreten.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Robin Heller
Heller
[3]
Robin Urban
Urban
[4-]
Philipp Zeiger
Zeiger
[4+]
Jan-Steffen Meier
Meier
[4+]
Tolga Cokkosan
Cokkosan
[5-]
Timo Brauer
Brauer
[3]
Benjamin Baier
Baier
[4-]
Kevin Grund
Grund
[4-]
Kai Pröger
Pröger
[4+]
David Jansen
Jansen
[4+]
Marcel Platzek
Platzek
[3]
Kamil Bednarski
Bednarski
[3]
Dennis Malura
Malura
[o.B.]


Rot-Weiss Essen

Heller, Urban, Meier (78. Malura), Zeiger, Cokkosan (46. Bednarski), Pröger, Baier, Brauer, Grund, Platzek, Jansen

 

SC Wiedenbrück

Hölscher, Büyüksakarya, Wolff, Twyrdy, Volkmer, Khalil Mohammad (61. Zech), Geisler, Celik, Brinkmann (66. Batarilo-Cerdic), Maier, Yildirim (61. Merkel)

 

Tore

0:1 Brinkmann (8.)

1:1 Bednarski (47.)

1:2 Maier (48.)

1:3 Celik (62.)

2:3 D. Jansen (80.)

2:4 Maier (90., Elfmeter)

 

Zuschauer

6.197

 

Schiedsrichter

Kevin Domnick

 

Gelbe Karten

Pröger (1. Gelbe Karte), Heller (1. Gelbe Karte) - Yildirim (2. Gelbe Karte), Maier (1. Gelbe Karte), Hölscher (1. Gelbe Karte)

Gelb-rote Karte

Celik (69.)


Spieler des Spiels - Kamil Bednarski

Kamil Bednarski