02.09.2015

Das neue RWE-Team – so wechselhaft wie das Wetter

von Michael Jaskolla

Mit Wattenscheid und Wegberg vor der (nach dem Kantersieg ziemlich breiten) Brust waren die Aussichten nicht schlecht, in der Tabelle den Kontakt nach oben herstellen zu können. An einen schnellen Anschluss glauben nach dem ernüchternden Auftritt vor knapp 3.000 Zuschauern in Wattenscheid jedoch erstmal nur noch wenige Anhänger. Auch wenn die Mannschaft nicht völlig enttäuschte, offenbarte sie mehrere Problemfelder, die keine schnelle Beseitigung vermuten lassen. Doch der Reihe nach.

Knapp 1.500 Essener sahen die Niederlage in der LohrheideEine ziemlich spannende Angelegenheit schon vor dem Spiel ist seit Siewerts Amtsantritt die Startaufstellung, die stets mit kleinen oder großen Überraschungen daherkommt. Diesmal blieb es bei kleinen: Jeffrey Obst, dessen Rückkehr viele Anhänger nach seiner Sperre erwartet (um nicht zu sagen: erhofft) hatten, nahm nur auf der Bank Platz. Dagegen rotierte Zeiger für den bisher überzeugenden Weber zurück in die Innenverteidigung, während Jesic erstmals Rabihic aus der Startaufstellung verdrängen konnte. Die Überraschung hält sich hier jedoch in Grenzen, denn der tolle erste Eindruck von Rabihic hatte sich in den vergangenen beiden Spielen doch ziemlich relativiert. Heute wurde er nicht mal eingewechselt. Das Torhüterkarussell drehte sich diesmal nicht, so dass eine im Vergleich zum letzten Spiel auf nur zwei Positionen veränderte Mannschaft im 4-4-2-System die Lohrheide rocken sollte.

Und sie legte gut los. Nach zwei Minuten prüfte Platzek erstmals den Wattenscheider Keeper Sancaktar mit einem Distanzschuss. Vier Minuten später konnte Studtrucker eine flache Hereingabe in den Strafraum nicht platziert in Richtung Tor lenken. Die dickste Einschussgelegenheit in der Anfangsphase hatte aber Soukou: Nach einer Kopfballvorlage von Platzek wurde sein Vollspannschuss aus 10 Metern im letzten Augenblick von Klinger zur Ecke abgelenkt (9.).

Wattenscheid meldete sich erstmals in der 13. Minute mit einem Fernschuss in Fieldgoalhöhe.
Danach war RWE wieder an der Reihe, und zwar erneut hochkarätig. Jesic stürmte alleine auf Sancaktar zu, sein harmloser Abschluss stellte den Keeper aber vor keine unlösbare Aufgabe (15.).

Die zweite Wattenscheider Szene führte dann zum überraschenden 1:0 für die Gastgeber. Nach einem Konter musste Al-Khalaf Kacinoglu ziehen lassen, der den Ball aus spitzem Winkel gekonnt über den herausstürzenden Heimann ins Tor lupfte (25.).

Jan Siewert hat noch viel ArbeitMit diesem Gegentor war es mit der Rot-Weissen Spielfreude vorbei, leider auch mit der notwendigen Portion Willenskraft und Aggressivität. Plötzlich schlichen sich Unkonzentriertheiten, Fahrigkeiten und eine hohe Zahl von einfachen Fehlpässen im Aufbauspiel ein, die Wattenscheid endgültig ins Spiel brachten. Die Gastgeber übernahmen die Kontrolle und hätten schon nach 36 Minuten nachlegen können, als Kaya im Strafraum völlig blank stand, sich aber abdrängen lies, nachdem er vermutlich selbst überrascht war, dass ihn kein Abseitspfiff gebremst hatte. Kurz darauf war es aber soweit, Mohammed konnte drei Essener Verteidiger verladen und flach an die 16er-Kante für Kaplan auflegen, der mit einem trockenen Flachschuss Heimann keine Abwehrchance ließ – 2:0 (39.). Von RWE ging bis zur Pause keine Gefahr mehr aus, so dass sich Wattenscheid die Führung sogar noch verdienen konnte, auch wenn sie sicher um ein Tor zu hoch ausfiel.

Ohne Wechsel (warum eigentlich?) ging es in der zweiten Halbzeit weiter, und Platzek weckte mit einem gefährlichen, aber am Tor vorbei fliegenden Kopfball nach einer Ecke die Hoffnung, dass sich RWE in der Pause wieder fangen konnte (47.), was auch der Fall war. Zwei weitere aussichtsreiche Situationen ließen Jesic und Windmüller (erneut nach einer Ecke) liegen (50.).
Wattenscheid ließ sich diesmal aber nicht wie zu Beginn der ersten Hälfte permanent hinten reindrängen, sondern setzte auch nach vorne direkt ein paar Nadelstiche. Kaya prüfte Heimann mit einem Flachschuss, den Abpraller klärte Al-Khalaf unnötigerweise zur Ecke. Und hier rollte man den Wattenscheidern den roten Teppich aus: Flanke, Kopfball, Tor Schneider (53.)! Unbedrängt, sein Gegenspieler Zeiger täuschte einen Zweikampf nur an.

Es gab einiges zu bereden nach SpielschlussEssen versuchte nach vorne weiterhin ziemlich viel, am Ende fehlte aber wieder mal die Kaltschnäuzigkeit. Windmüller konnte eine Freistoßflanke aus kurzer Entfernung nur an den Pfosten lenken (63.). Kurz darauf rettet der bärenstarke WAT-Keeper noch zweimal gegen die inzwischen für Soukou und Jesic eingewechselten Grund und Grebe (69.). Als dann auch noch Platzek aus aussichtsreicher Position kläglich verzog (73.), waren der Wettlauf gegen die Zeit und damit auch die Partie gelaufen. Zudem machte sich die bittere Erkenntnis breit, dass gegen Erndtebrück die Abschlussschwäche leider nicht ad acta, sondern nur vorübergehend auf Eis gelegt wurde.

Zwei deftigen Pleiten stehen ein Remis und ein historischer Sieg gegenüber – zu wenig bei den Zielen und nach dem (vermeintlich) dankbaren Startprogramm. Probleme waren in allen Mannschaftsteilen zu erkennen, erschreckend aber ist vor allem die Art und Weise, wie RWE wie schon gegen Wiedenbrück nach einem Rückstand von einer Sekunde auf die andere all das gegen Erndtebrück gesammelte Selbstvertrauen wieder verloren hatte und kaum noch ein Ball über fünf Meter beim Mitspieler ankam. In dieser Phase suchte man die Präsenz des Kapitäns Fritz vergebens, aber auch andere vermeintliche Führungsspieler wie Zeiger hatten mit der eigenen Leistung zu kämpfen.

Nun sehen wir über weite Phasen ansehnlicheren Fußball als unter Fascher, haben dafür aber (noch) weniger Punkte als im Vorjahr. Fühlt sich auch nicht besser an, mit dieser brotlosen Kunst. Schon am Freitag wartet mit Wegberg das derzeitige „Opfer-Team“ der Liga (0 Punkte, 2:24 (!) Tore) – ist das nun gut oder schlecht? Erinnerungen an Kray oder Hennef kommen automatisch und ungewollt wieder hoch. Vielleicht lernt man durch solche Auftritte wie heute aber auch einen schmutzigen 1:0-Sieg in Alemannen-Art wieder wertzuschätzen.


Jawattdenn-Spielerbewertung

Niclas Heimann
Heimann
[4+]
Iyad Al Khalaf
Al Khalaf
[4+]
Gino Windmüller
Windmüller
[3-]
Philipp Zeiger
Zeiger
[5+]

Patrick Huckle
Huckle
[4+]

Moritz Fritz
Fritz
[4+]
Benjamin Baier
Baier
[3-]
Cebio Soukou
Soukou
[4-]
Vojno Jesic
Jesic
[4+]
Marwin Studtrucker
Studtrucker
[3]
Marcel Platzek
Platzek
[3]
Kevin Grund
Grund
[3]
Daniel Grebe
Grebe
[o.B.]


SG Wattenscheid 09

Sancaktar, Braun, Klinger, Schneider, Kacinoglu, Meier, Khalil Mohammad (71. Tumbul), Glowacz, Kaplan (81. Saka), Buckmaier, Kaya (85. Kasela Mbona)

 

Rot-Weiss Essen

Heimann, Al Khalaf, Windmüller, Zeiger, Huckle, Fritz, Baier, Soukou (60. Grund), Jesic (64. Grebe), Studtrucker, Platzek (74. Olwa-Luta)

 

Tore

1:0 Kacinoglu (25.)

2:0 Kaplan (39.)

3:0 Schneider (53.)

 

Zuschauer

2.758

 

Schiedsrichter

Fabian Maibaum

 

Gelbe Karten

Windmüller (2. Gelbe Karte)

 


Spieler des Spiels 6. Spieltag - Marcel Platzek