13.11.2015

Ein Derby wie eine Zahnwurzelbehandlung...

von Dominik Gsell

Sonntagmittag, Derbyzeit. Endlich hat das Warten ein Ende! Schon weit bevor der Wecker klingelt, streicht der euphorische Rot-Weiße mit schwarzem Edding den letzten Tag im Kalender, den Schal bereits umgebunden. Endlich wieder dem verhassten Rivalen aus der Nachbarstadt zeigen, wer Herr im Haus ist - das Highlight der Saison steht unmittelbar bevor...

Dieses Jahr werden deutlich weniger Essener in Oberhausen erwartet...so viel zur Gemütslage in Oberhausen - in Essen wird der Wecker derweil mit einem gekonnten Wurf gegen die Schrankwand ruhig gestellt. Bloß nicht schon wieder nach Oberhausen! Auch ohne Blick in den Wetterbericht steht fest, dass Petrus heute seine Schleusen öffnen wird, um den Fußweg zum Niederrheinstadion wie gewohnt in eine Sumpflandschaft zu verwandeln. Ist diese bewältigt und der obligatorische Topspiel-Zuschlag entrichtet, stellt der jetzt schon frustrierte Rot-Weisse fest, zu allem Überfluss sein Fernglas vergessen zu haben. Mit angestrengtem Blick versucht er, aus der Gästekurve über Hochsprungmatten und Laufbahn hinweg die sich schemenhaft abzeichnenden Gestalten im gegenüberliegenden Strafraum zu identifizieren...

Die Hoffnung, dass dabei die richtigen Rot-Weissen siegreich vom Platz gehen, stirbt zwar bekanntlich zuletzt; für diesen Sonntag liegt sie aber bestenfalls im Wachkoma: Von den 20 Gastspielen im Niederrheinstadion der letzten 65 Jahre konnte RWE ganze drei für sich entscheiden. Die Gastgeber sind die zweitbeste Heim-, RWE die zweitschlechteste Auswärtsmannschaft der Liga. RWO schielt nach fünf Heimsiegen in Folge mit berechtigten Hoffnungen Richtung Tabellenplatz 1, während man in Essen froh ist, am vergangenen Wochenende die Abstiegsregionen auf Distanz gehalten zu haben.

Für Anhänger und Spieler der Kleeblätter hat das Nachbarschaftsduell zudem eine hohe ideelle, fast schon existentielle Bedeutung: Es ist kaum acht Monate her, dass RWO-Torjäger Steinmetz als Saisonziel ausgab, vor Rot-Weiss Essen zu landen. Eine derartige Aussage, oder das in Oberhausen schon mal angefertigte "Derbysieger"-Transparent, wären in Essen schlicht undenkbar, weil andere Rivalitäten einen höheren Stellenwert einnehmen. Rot-Weiß Oberhausen hingegen definiert sich wie kaum ein anderer Verein über seine Abneigung gegen die verhassten „Exxener“.

Insbesondere die geringen Zuschauerzahlen des Nachbarn, sowie die deutlich größeren, eigenen sportlichen Erfolge der Vergangenheit nimmt manch ein Essener jedoch zum Anlass, dem Duell mit RWO den Derbycharakter absprechen zu wollen. Der Blick in Trophäenschrank und Geschichtsbücher bestätigt die historisch bedeutendere Rolle Rot-Weiss Essens - betrachtet man allerdings nur die letzten beiden Jahrzehnte, war der kleine Nachbar in sportlichen Regionen, an denen RWE seit Beginn der 90er nur noch ganz vereinzelt mal schnuppern durfte. Von 1998 bis 2005, sowie 2008 bis 2011 spielte RWO zweitklassig und verpasste dabei 2004 denkbar knapp die Rückkehr in die Bundesliga, wo der Verein bereits von 1969 bis 1973 insgesamt vier Spielzeiten absolvierte.

Zeigen, wer das Sagen hat!Seit ihrem vor drei Jahren vollendeten Doppelabstieg hängen auch die Kleeblätter im Haifischbecken Regionalliga West fest, wo sich die Talfahrt unter Trainer Mario Basler zunächst bis zu dessen Rücktritt am 7. Spieltag fortsetzte. Der sportliche Leiter Frank Kontny überstand Abstieg und Krise indes unbeschadet und werkelt seitdem beständig am Aufbau einer Regionalliga-Spitzenmannschaft. Wurde er bei RWE aufgrund seiner Kaderzusammenstellung mit anschließendem Abstieg 2004/2005 noch „Konntnix“ getauft und durch Olaf Janßen ersetzt, hielten die Oberhausener an ihm fest und sollten für die Kontinuität belohnt werden. Interimstrainer Kunkel beendete die erste Saison noch auf Platz 8 und erzielte im zweiten Jahr einen sensationellen dritten Platz.

Unabhängig von der Platzierung sollte eine Weiterentwicklung mit neuem Trainer erfolgen und so wechselte zu Beginn der vergangenen Saison Andreas Zimmermann aus Jena an die Emscher. Sein erstes Jahr schloss er mit einem guten vierten Platz ab und liegt mit 28 Punkten aus 15 Partien auch in dieser Spielzeit im Soll. Der Vorteil der Oberhausener ist dabei eine eingespielte Stammformation, denn die etatmäßige Viererkette - die neben dem an der Hafenstraße noch bestens bekannten Kapitän Benny Weigelt aus Herzenbruch, Haas und Caspari besteht – spielt in dieser Form seit über zwei Jahren zusammen. Spielmacher Bauder trägt seit 2012 das Oberhausener Trikot, ein Jahr später wurde Torjäger David Jansen verpflichtet. Neben ihm stürmt seit letztem Jahr der gebürtige Oberhausener Raphael Steinmetz, der mit 8 Treffern die interne Torschützenliste anführt. Auch Königstransfer Simon Engelmann aus Verl kommt nach schwachem Start so langsam in Form und erzielte in den letzten neun Partien alle seine bisherigen sieben Saisontreffer.

Engelmanns Verpflichtung stand schon Monate vor Saisonbeginn fest, ebenso wie der Transfer Robin Udegbes, der seit diesem Sommer den nach Sandhausen zurückgekehrten Philipp Kühn zwischen den Pfosten ersetzt. Außer Kühn und dem nach Erfurt abgewanderten Patrick Schikowski hat RWO keine Abgänge von Stammpersonal zu beklagen und sich stattdessen vor allem in der Breite verstärkt - mit Kai Nakowitsch und Tim Hermes bediente man sich dabei auch an der Hafenstraße, wenngleich beide Akteure das Duell mit ihrem Ex-Club verletzungsbedingt verpassen werden. Lediglich die schwere Verletzung des bundesligaerfahrenen Sechsers Robert Fleßers zu Saisonbeginn stellte eine wirkliche Schwächung des Aufstiegsanwärters dar, konnte aber durch das gut funktionierende Kollektiv nach leichten Anlaufschwierigkeiten aufgefangen werden.

Hoffen, dass der Knoten bei Marcel Platzek geplatzt istAuf dem steinigen Weg, eine Mannschaft nach den Vorstellungen ihres Trainers aufzubauen, befindet sich RWE derweil noch ganz am Anfang. Trotz des Personalmangels in der Offensive wird Problemfall Kevin Behrens kein Spiel mehr im rot-weissen Trikot absolvieren. Marwin Studtrucker ist weiterhin verletzt und dem kaum überzeugenden Malcolm Olwa-Luta wurde letzte Woche sogar A-Jugend-Torjäger Said Harouz als Einwechseloption vorgezogen. Keine Frage: Vorne drückt der Schuh bei RWE und eine personelle Nachbesserung in der Winterpause scheint unumgänglich.

Zum Glück konnte Marcel Platzek vergangenen Sonntag nach über 14 Stunden ohne Torerfolg wieder jubeln und überzeugte gegen die blaue Zweitvertretung ebenso wie die bisherigen Sorgenkinder Rabihic und Cekic. Nicht nur aufgrund seines herrlichen Treffers hat Cekic gute Karten, auch in Oberhausen den von Jan Siewert zuletzt öffentlich kritisierten Cebio Soukou zu ersetzen. Wenig spricht dafür, dass der Trainer von der 4-2-3-1 Grundformation oder der personellen Besetzung aus dem letzten Spiel abrücken wird. Durch die Ausfälle von Philipp Zeiger und Leon Binder, die den Langzeitverletzten Heimann, Studtrucker und Jesic auf der Tribüne Gesellschaft leisten werden, stellt sich die Mannschaft ohnehin fast von selbst auf.

Mehr noch als eine Aufstellungs- wird das Spiel am Sonntag jedoch ohnehin eine Einstellungsfrage. Obwohl angesichts eines 13-Punkte-Rückstands das Saisonziel „Tuchfühlung zur Spitze“ bereits früh verfehlt ist, wäre ein Sieg Balsam auf die geschundene Fanseele. Die Ansprüche des trotz der verkorksten Saison bis dato erstaunlich geduldigen RWE-Anhangs sind nicht mehr allzu hoch, doch die Derby-Wochen, deren Anfang letzten Sonntag erfolgreich gestaltet werden konnte, sollten ohne Niederlage bewältigt werden. Alleine schon, um den unliebsamen Nachbarn keinen Anlass zur Ausschüttung von Hohn und Spott zu bieten - zu allem Überfluss wird das Spiel schließlich auch noch live und bundesweit im Fernsehen übertragen.

Alleine der Gedanke daran, nach Schlusspfiff zur Abwechslung mal nicht wie die begossenen Pudel in Richtung Gästekurve schleichen zu müssen, sollte den Mannen rund um Kapitän Moritz Fritz Motivation genug sein, dem Gegner am Sonntag von Minute 1 an klar zu machen, dass das „Derbysieger“-Transparent wieder im Keller zu verschwinden hat. Schließlich verlässt man auch die Zahnarztpraxis lieber mit einem Lächeln...


Hinweise zum Auswärtsspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen

Am Sonntag reist der rot-weisse Traditionsverein von der Hafenstraße zum Regionalliga-Spiel des 17. Spieltags zum Reviernachbarn nach Oberhausen. Die Begegnung beginnt um 13.15 Uhr im Stadion Niederrhein, Sport1 überträgt diese Begegnung ab 13.00 Uhr live im Fernsehen.

Anreise:
Den rot-weissen Fans wird am Spieltag die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln empfohlen. Aufgrund von Behinderungen im Bahnverkehr empfiehlt es sich, mit der S2 vom Bahnhof Bergeborbeck oder Dellwig zum Hauptbahnhof Oberhausen anzureisen und den Weg über den Essener Hauptbahnhof zu vermeiden. Außerdem werden für Gästefans Shuttlebusse eingesetzt. Diese verkehren vom Hauptbahnhof Oberhausen direkt zum Stadion Niederrhein.

Im Falle einer Anreise mit dem PKW wird darauf hingewiesen, dass die Oberhausener Heimspielstätte ausschließlich über die Ausfahrt Oberhausen-Buschhausen erreichbar sein wird. Diese ist über die A42 in Richtung Duisburg zu erreichen. Bei der Ausfahrt 9 Oberhausen-Buschhausen auf die Buschhausener Str. in Richtung Oberhausen-Buschhausen fahren und kurz darauf rechts abbiegen auf die Lindnerstraße, wo sich das Stadion Niederrhein befindet. Eine frühzeitige Anreise wird empfohlen.

Vorverkauf:
Tickets für die Begegnung sind noch bis Freitag um 15.00 Uhr im Vorverkauf im Fanshop an der Hafenstraße zu folgenden Preisen zu erwerben:

Sitzplatz: 20,00 Euro
Stehplatz Vollzahler: 8,50 Euro
Stehplatz ermäßigt: 7,00 Euro
Rolli (inkl. Begleitperson): 6,00 Euro

Da Rot-Weiß Oberhausen – ähnlich wie es bei Rot-Weiss Essen gehandhabt wird – einen Tageskassen-Aufschlag erhebt, empfiehlt es sich, den Vorverkauf zu nutzen.

Spielort:
Stadion Niederrhein
Lindnerstraße 2-6
46149 Oberhausen