24.02.2016

Probier's mal mit Gemütlichkeit!

von Dominik Gsell

Es ist vier Monate her, dass Michael Welling im Reviersport hinsichtlich der Perspektive Rot-Weiss Essens äußerte, trotz des Verfehlens der sportlichen Ziele "total entspannt" zu sein.

Natürlich flog ihm dieser vom Funke-Blättchen boulevardesk in der Überschrift inszenierte Satzfetzen sogleich um die Ohren, schließlich trennte RWE nach der Niederlage in Lotte nur die Tordifferenz vom ersten Abstiegsplatz und der sportliche Befreiungsschlag lässt auch heute, vier Monate später, noch auf sich warten. Doch mag die Tabellensituation auch nach wie vor alles andere als entspannt sein, nimmt die Stimmung bei Teilen der Anhängerschaft mittlerweile absurde Züge an.

Drei spielfreie Wochen befeuerten die Visionen der Oberliga-Propheten, die - gefüttert von der Reviersport-Klick-Maschinerie - ihre apokalyptische Vision von Rot-Weiss Essen auf einem Abstiegsplatz (endlich?) in Erfüllung gehen sahen. Auch wenn die Begegnung Velbert - Erndtebrück mit RWE wenig zu tun hat, titelte Reviersport vor dem Spiel "Wir wollen an RWE vorbeiziehen" und nach der Partie "Mit Last-Minute-Sieg an RWE vorbeigezogen". Wattenscheid spielt? "Spieler fiebern Duell mit RWE entgegen". RWO trifft auf die blaue Zweitvertretung? Wichtigstes Thema: Bei welchem Zwischenstand liegt RWE auf Platz 15. Irgendwo besteht immer eine Verbindung zu RWE und in den Kommentarspalten kommt ein Teil der Fans immer wieder zum Schluss, dass derzeit alles aussichslos verloren sei!

Seit Kray-Remis zeigt die Formkurve nach oben

Nun kann man RWE-Anhängern bei drei sportlichen Abstiegen und einem Lizenzentzug seit der Jahrtausendwende nicht vorwerfen, irrational in Panik zu verfallen und es ist auch wenig verwunderlich, dass der Reviersport aus den Sorgen der größten Anhängerschaft der Regionalliga Kapital schlägt – doch bei zwei Zählern Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz und noch 45 zu vergebenden Punkten gibt es wahrlich keinen Grund für panische Untergangsszenarien. Nur drei Punkte mehr reichen im dichten, unteren Tabellenmittelfeld bereits zu Platz 9 und die mannschaftliche Entwicklung spricht absolut dafür, dass RWE sich aus dem Abstiegssumpf herausarbeiten wird.

Seit der Auftaktpleite gegen Wiedenbrück verlor das Team kein Heimspiel mehr und konnte in den folgenden 9 Spielen an der Hafenstraße 19 Punkte (5 Siege, 4 Unentschieden) holen. In den ersten 12 Partien inklusive der Lotte-Pleite kassierte RWE 20 Gegentreffer und spielte nur zwei mal zu 0, in den letzten 9 Spielen gab es nur noch 8 Gegentreffer und gleich 4 Spiele zu 0. Dem schwachen Remis gegen den FC Kray folgten zwar vier weitere Unentschieden, jedoch zeigte sich RWE stark verbessert und verpasste den ersehnten Dreier durch zwei Last-Minute-Gegentreffer vor, sowie eine schwache Chancenauswertung nach der Winterpause.

Gegen Köln und in Rödinghausen konnte die Mannschaft die in Belek einstudierte Umstellung auf eine Dreierkette gut umsetzen und in beiden Spielen das Aufbauspiel des Gegners durch gutes Pressing aus einer 3-4-1-2 Grundformation heraus unterbinden. Im Spiel gegen den Ball ist RWE spitze, das Sorgenkind bleibt die Phase des eigenen Ballbesitzes, genauer das Kreieren und schließlich auch das Verwerten von Torchancen. Nach Rödinghausen hatte Trainer Jan Siewert nun drei Wochen Zeit, an dieser Baustelle zu arbeiten und hat als Prüfstein nun das Überraschungsteam der Liga zu Gast.

Tor, Tor, Tor für Wattenscheid...

Am meisten überrascht war wohl der rot-weisse Anhang, der vor einem halben Jahr erwartungsfreudig in die Lohrheide gereist war oder das Hinspiel am heimischen Fernseher verfolgte: Nach dem furiosen 9:1 über Erndtebrück war die folgende Siegesserie bereits fest eingeplant und Wattenscheid nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur Tabellenspitze. Zwanzig starke Anfangsminuten später stand es plötzlich 1:0 für die SGW und das rot-weisse Kartenhaus brach letztlich mit 0:3 in sich zusammen.

Besonders die glückliche Personalpolitik sorgt dafür, dass Wattenscheid derzeit 9 Punkte vor RWE auf Rang 5 der Tabelle sogar klammheimlich nach oben schielen darf. Mit Torwart Edin Sancaktar, der RWE im Hinspiel an den Rand der Verzweiflung brachte, Rechtsverteidiger Christopher Braun, Sechser Jan-Steffen Maier, sowie den beiden in der offensiven Dreier-Reihe des Wattenscheider 4-2-3-1 beheimateten Buckmaier und Glowacz spielten sich fünf Neuzugänge von Saisonbeginn an in die Startelf. Gemeinsam mit den drei Ex-Essenern Adrian Schneider, Mario Klinger und Güngör Kaya bilden sie das Gerüst der Erfolgself, die auch nach der schweren Verletzung Burak Kaplans keinen Leistungseinbruch erlitt.

Erneute Nullnummer unwahrscheinlich

Trainer Farat Toku hält nicht viel vom Betonmischer und wird daher auch unter Flutlicht an der Hafenstraße aller Voraussicht nach mutig mitspielen lassen. Sein Gegenüber Jan Siewert hat dabei erstmals seit Amsantritt dank der zahlreichen Winterneuzugänge, der Rekonvaleszenten Fritz und Studtrucker, sowie des wieder spielberechtigten Leon Binder die Qual der Wahl. Mögliche Streichkandidaten im Vergleich zur Rödinghausen-Startelf sind Patrick Huckle auf links und Kevin Grund, der sich in der ersten Halbzeit weitesgehend glücklos als Zehner probieren durfte. Denkbar, dass Jeffrey Obst wieder von der Dreierkette auf den Flügel rückt und sein Platz von Leon Binder oder Moritz Fritz eingenommen wird. So könnte auch Tolga Cokkosan wieder auf seine angestammte linke Seite zurückkehren. Hinter den Spitzen könnte Andreas Ivan nach überzeugendem Auftritt in Rödinghausen eine Chance von Beginn an bekommen.

Nicht nur die Ausrichtung beider Mannschaften, auch die Historie spricht gegen ein weiteres 0:0. In 21 Duellen beider Teams an der Hafenstraße gab es noch kein einziges torloses Remis und bei den insgesamt 42 Aufeinandertreffen endete nur die Begegnung in der Lohrheide 2004 ohne Treffer. In den letzten 5 Partien seit dem Wattenscheider Wiederaufstieg klingelte es satte 17 mal - allein 6 dieser Treffer erzielte RWE beim 6:0-Heimsieg der Vorsaison. Das Spiel am Freitag wird sich jedoch definitiv ausgeglichener gestalten und ein wichtiger Schlüssel wird die Treffsicherheit sein, an der die Rot-Weissen beim 9:0-Testspielerfolg gegen den Landesligisten Essen-West 81 arbeiten durften.

...denn mit Gemütlichkeit kommt auch das Glück zu dir!

Trainer Siewert ist nun vor allem als Psychologe gefordert: Trotz ausbleibender Erfolge muss sein Team an die letzten Leistungen anknüpfen und auch bei einem möglichen Rückstand Ruhe bewahren. Gelingt es, den Gegner erneut wie beim letzten Heimspiel einzuschnüren, früh die Bälle zu erobern und schnell umzuschalten, ergeben sich auch wieder Torchancen, die dann endlich genutzt werden müssen. Das Spiel gegen Wattenscheid ist dabei kein Endspiel und selbst ein erneutes Remis oder gar eine Niederlage wären kein Grund, in Aktionismus zu verfallen.

Wie man eine Ergebniskrise einer sich gut entwickelnden Mannschaft mit Geduld übersteht, bewiesen 2012/2013 beispielsweise die Augsburger, die zum Ende der Hinrunde bei nur einem Sieg aus 17 Spielen und 10 Punkten Rückstand aufs rettende Ufer ihrem aus der dritten Liga verpflichteten Trainer Markus Weinzierl den Rücken stärkten. Er dankte es bald mit Ergebnissen, dem Klassenerhalt und führte das Team sogar nach Europa, oder um es mit den Worten Daniel Farkes (Trainer Borussia Dortmund II) zu sagen: „Was RWE angeht, so finde ich, dass man dort eine klare Handschrift sieht und es würde mich freuen, wenn die Geschichte langfristig zum Erfolg führt.“ - im Idealfall fängt diese Erfolgsgeschichte am Freitag endlich an...


EVAG Einsatzplan

Abfahrt Essen Hbf Bussteig 4

17:30 Uhr - 19:00 Uhr alle 10 Minuten Richtung Hafenstraße

Nach dem Spiel an den bekannten Haltestellen Bottroper Straße und Lüschershofstraße.


Hinweise zum Heimspiel gegen Wattenscheid

Am Freitag dieser Woche trifft Rot-Weiss Essen an der heimischen Hafenstraße auf die SG Wattenscheid 09. Anstoß der Begegnung des 25. Spieltags der Regionalliga West ist um 19.30 Uhr.

Das Stadion Essen öffnet wie gewohnt 90 Minuten vor Anpfiff. Die Infokasse befindet sich am Spieltag im Kassenhäuschen W1-W3. Dort steht auch eine Online-Kasse zur Verfügung, die im Sitzplatzbereich eine platzgenaue Ticketauswahl ermöglicht. Die Ausgabe der Kurzen Fuffzehn erfolgt am Spieltag zudem kostenlos an allen geöffneten Kassenhäuschen.

Die Gottschalk-Tribüne (Gästetribüne) wird zum Spiel gegen die SG Wattenscheid geöffnet, sodass aufgrund der Fantrennung der äußere und innere Stadionumlauf geschlossen bleiben. Gästefans gelangen über den Eingang „Sulterkamp“ zu ihren Plätzen.

Im Vorfeld der Partie weihen die GMS-Initiative, die FFA und das AWO-Fanprojekt um 17.30 Uhr den Zeitstrahl "Kleine Gruga" ein und enthüllen die legendären Melches-Lettern der alten Haupttribüne.

Der rot-weisse Fanshop öffnet am Freitag um 18.00 Uhr. Nach dem Spiel bleibt er für RWE-Fans noch ca. 30 Minuten geöffnet.

Zudem ist am Spieltag eine Sonderkasse für die Auswärtspartie der Rot-Weissen bei Wegberg-Beeck (Dienstag, 1. März, 19.30 Uhr, Waldstadion) eingerichtet. Dort sind die Tickets zu folgenden Preisen (Vorverkaufsgebühr inklusive) erhältlich:

Sitzplatz: 16,00 Euro
Stehplatz (Vollzahler): 8,50 Euro
Stehplatz (ermäßigt): 6,50 Euro