15.10.2010

Germania Windeck - Rot-Weiss Essen


Germania Windeck – Ein putziges Topspiel

Es ist solch ein Spiel, auf das sich selbst neutrale Beobachter immer wieder freuen. Egal in welcher Liga - wenn der Spitzenreiter auf den ärgsten Verfolger trifft, bekommt dieses Spiel besondere Aufmerksamkeit. So auch am kommenden Sonntag, wenn Rot-Weiss Essen zu Gast ist bei Germania Windeck, dem Top-Favoriten der NRW-Liga.

Ein mickriges Törchen mehr oder weniger – streng genommen zwei – macht aktuell den Unterschied aus vom Platz an der Sonne und dem im Halbschatten. Richtig schattig wird es zwei Punkte dahinter. Punktgleich an der Tabellenspitze trifft die beste Abwehr auf den zweitbesten Angriff. Oder auch der namhafteste NRW-Liga-Kader aus der 21.000-Seelen-Gemeinde Windeck auf die jungen Wilden aus der Kulturhauptstadt Europas. Erfahrene Routiniers wie Thorsten Nehrbauer, Mariusz Kukielka oder Markus Kurth auf der einen Seite, unbezähmbare Greenhorns (frei nach Sam Hawkins, wenn ich mich nicht irre, hihihi) auf der anderen.

Da scheint die Ausgangslage eigentlich klar: Zum ersten Mal in dieser Saison ist das Team um Waldemar Wrobel nur Außenseiter. Aber was heißt hier nur, es haben schon viele andere Teams gezeigt, dass genau darin der Vorteil liegt. Zumal die mit Abstand stimmgewaltigsten und treuesten Fans der Liga den Bonner Nordpark wieder zu einem Heimspiel gestalten werden.

Beschäftigen wir uns ein wenig genauer mit dem Gegner: Windeck ist eine Gemeinde am südlichen Rand von Nordrhein-Westfalen. Fast 21.000 Einwohner teilen sich stolze drei (!!!) Burgen. Boah ey, denkt der Pöbel aus dem Ruhrpott, und schaut genauer hin. Wer aber nun eine Kleinstadt mit mittelalterlichem Flair erwartet, wird auf den zweiten Blick enttäuscht. Als „Gemeinde“ besteht Windeck aus 66 Ortschaften. Jeder, der rechnen kann, wird jetzt schon feststellen, dass keine davon über besonders viele Einwohner verfügen wird. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die zwei größten Ortschaften Rosbach und Dattenfeld zusammen etwa dem entspricht, was bei Rot-Weiss Essen zu jedem Heimspiel auf den Tribünen steht, und keines der 64 weiteren Ortschaften mehr Einwohner hat, als RWE in der fünften (!!!!!) Liga Auswärtsfahrer!

Ok, aber dann sollte doch zumindest kulturell so einiges geboten werden, immerhin zeigt ein Fundstück, dass diese Region bereits gegen 11.000 v. Chr. besiedelt gewesen sein müsste. Vielleicht ist es aber auch nur aus einer Boing 767 gefallen auf dem Weg vom Landinneren Griechenlands ins Historische Archiv in Köln, man weiß es nicht genau. Leider ist auch das das noch mit Abstand Bemerkenswerteste. Denn glaubt man Wikipedia, dann gibt es außer den drei Burgen zwar noch ein Besucherbergwerk, eine Theatergruppe (oder sind damit die Fans der Germania gemeint?) und ein Heimatmuseum in vermutlich privater Hand - sprich: einen älteren Einwohner, der seine gesammelten Habseligkeiten zur Schau stellt -, aber neben diesen dann nur noch Naturdenkmäler. Hier aufgelistet sind neben gleich 35 Stieleichen, von denen entweder drei besonders berühmt sind oder der Autor nach der dritten genaueren Beschreibung einfach keine Lust mehr hatte, auch noch 32 Weitere einzeln darzustellen, noch eine Sommerlinde, ein Heilbrunnen und der berühmte Siegfall (nicht zu verwechseln mit dem unbedeutenden Rheinfall in Schaffhausen!).

Fazit: Wenn selbst Bäume es in die kulturelle Aufzählliste der Gemeinde Windeck schaffen, dann muss dort wohl der Bär steppen. Es hat ihn nur halt vor lauter Bäumen noch keiner entdeckt!

Einfallsreich wie 35 Stieleichen ist auch der Kader der Germania. 27 Spieler umfasst er laut eigener Homepage und von jedem gibt es dort auch einen eigenen Steckbrief. Besonders ans Herz legen möchte ich euch die Frage „Es ärgert mich, wenn…“, denn stolze 27 Spieler schafften doch tatsächlich ganze fünf unterschiedliche Antworten. Hier eine Zusammenfassung:

- zehn Spieler ärgert es, wenn sie verlieren,
- fünf Spieler ärgert es, wenn Menschen lügen,
- vier Spieler ärgert es, wenn sie nicht spielen,
- drei Spieler ärgert es, wenn es unfair zugeht oder sie verletzt sind,
- zwei Spieler ärgert es, wenn sie ihre Leistung nicht abrufen können
- und mich hat es geärgert, dass drei Spieler nichts angegeben haben.


Ein Schelm der denkt, er kann daraus herauslesen, wer regelmäßig spielt und wer auf der Ersatzbank rumsitzt oder ständig vom Trainer zu hören bekommt, er sei im Training gerade nicht ganz so gut gewesen. Genauso sollte man keinerlei Rückschlüsse daraus ziehen, was wohl die Stürmer von ihren Kollegen in der Abwehr denken, wenn alle sagen, sie ärgert es, zu verlieren. Wie gesagt, ein Schelm, der dabei Böses denkt…

Klar ist nun aber: Wenn ich am Montag nach dem Spiel meinen Kollegen im Büro erzähle, Windeck hätte gegen Rot-Weiss Essen gewonnen, dann werden sich, sofern es ein faires Spiel ohne Verletzungen wird, was wir alle uns wünschen, 24 Spieler der Germania ärgern. Und das ist doch etwas, worüber man in Essen durchaus zufrieden wäre!

PS: Wichtig ist noch mitzuteilen - um jeden Botaniker oder Grünen-Wähler unter euch Lesern direkt wieder zu beruhigen - dass der Autor am Wochenende im Forstbotanischen Garten der Stadt Tharandt ebenfalls ordentlich Holz (und das nicht nur vor den Hütten!) zu sehen bekommt. Im Gegensatz zu Windeck stehen dort im ältesten Garten dieser Art der Welt allerdings nur eine Handvoll Stieleichen, damit noch Platz ist für die 1.932 weiteren Baum- und Straucharten, welche jede einzelne hier nun ebenfalls verdient hätte, aufgelistet zu werden, was allerdings wiederum diesen Rahmen sprengen würde… ein Schelm, der also denkt, der Verfasser würde sich über Bäume lustig machen…

PS II: Und wem Sam Hawkins kein Begriff ist, der sollte einfach mit nach Tharandt kommen, denn im nahe gelegenen Radebeul – übrigens beides bei Dresden – steht noch heute die „Villa Bärenfett“, in der der Erfinder dieses kleinen, aber putzigen Männchens viele Bücher schrieb, in denen aus dem Greenhorn Karl May in kürzester Zeit ein berüchtigter Westmann namens Old Shatterhand wurde… der kleine Kobold von weiter oben wird nun Parallelen zu RWE sehen, ich hoffe, ihr auch… ;-)

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