10.06.2010

Statistischer Saisonrückblick 2009/10



Die Bilanz der Saison – ein Armutszeugnis?

Ob man arm oder reich ist, wird gewöhnlich durch Vergleich beurteilt. Wichtig ist, womit man sich vergleicht. Gesellschaftlich z.B. klafft in unserem Land die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander mit einem Trend hin zu amerikanischen Verhältnissen. Und doch sind die Ärmsten unseres Landes verglichen mit den Menschen in südlichen und fernöstlichen Regionen des Globus noch unermesslich reich. Doch was nutzt es dem Armen bei uns, dass es auf dieser Erde noch ärmere Menschen gibt? Nichts. In seinem persönlichen Lebensumfeld steht er nämlich am Ende der Nahrungskette. Und das ist entscheidend für die Beurteilung seines Befindens.

Dieser Vergleich auf die Saisonbilanz eines Fußballvereins angewandt hinkt natürlich. Wir werden das im Blick auf einzelne Details der Saisonstatistiken sehen. Man kann sie so oder so deuten. Am Ende bleibt für die rot-weiße Fanseele doch das persönliche momentane Empfinden. Und dieses drückt sich in dem Fazit aus: „Armutszeugnis!“

Attraktivitätsarmut

52 Punkte und am Ende Platz 5 bedeuten immerhin ein besseres Abschneiden der Essener als in der Vorsaison, die auf dem siebten Rang mit 49 Punkten beendet wurde. An sich positiv, doch niemand kauft sich was dafür. Erneut wurde das Saisonziel verpasst. Der Abstand auf Spitzenreiter Saarbrücken betrug am Ende 17 Punkte und nie im Saisonverlauf kam man annähernd an die Spitzenplatzierungen heran. Abgesehen von Platz 2 am ersten Spieltag war Rang 4 gegen Ende der Spielzeit noch die beste Platzierung. In der Hinrunde bewegten sich die Rot-Weißen in der unteren Tabellenhälfte. In der Rückrunde suchte man Anschluss an die Spitzengruppe, ohne jedoch je zu einem ernsthaften Verfolger zu werden. Das macht Fußball in Essen nicht unbedingt attraktiv.

Lange Zeit waren die Essener in manchen Tabellenperspektiven vorne zu finden. In der Auswärtstabelle reichte es schließlich nur zu Platz 6. Da war man lange vorne weg. Immerhin wurde die Heimtabelle noch im Mittelfeld beendet. Das sah anfangs viel schlechter aus. In der ersten Halbzeit sprang Rang 3 heraus, dafür in der zweiten Halbzeit nur Platz 15. Die beiden letzten Spieltage mit der Niederlage in Bochum und dem Remis gegen Mainz kosteten die Tabellenführung in der Rückrundenbilanz – fünf Punkte Rückstand im Endeffekt. RWE verbesserte seine Hinrundenausbeute in der zweiten Saisonhälfte um sechs Punkte – das drittbeste Ergebnis aller 18 Vereine. Bonn (neun Punkte) und Worms (acht Zähler) haben hier die Nase vorn.

Fazit: Alles sind Belege dafür, dass auch schwarze Zahlen einer Bilanz als rot empfunden werden, weil sie nicht schwarz genug sind. Armut mit vollen Taschen gewissermaßen.

Torarmut

Dieses Salz in der Fußballsuppe fehlte tatsächlich in der Spielzeit. Die Abwehr soll zwar Tore verhindern. Das gelang RWE auch recht gut. Mit nur 32 Gegentreffern stellte unser Team die zweitbeste Defensive der Liga. Allerdings schoss unser Angriff 17 Tore weniger als in der Vorsaison.

Die Essener waren nicht die Einzigen, die wenig Grund zum Jubeln hatten. Das war ein Symptom der gesamten Staffel. Es fielen nur 758 Tore, 156 wenige als im Jahr zuvor. Von 2,99 Toren pro Spiel 2008/09 sank der Quotient in der aktuellen Spielzeit auf 2,48. Die Heimmannschaften waren mit 392:366 nur gering im Vorteil. Der Unterschied war im letzten Jahr deutlicher. Das 1-1 Unentschieden war erneut häufigstes Ergebnis. Auffällig ist, dass in 228 Partien keiner der beiden Kontrahenten mehr als zwei Treffer erzielte. Alle neun möglichen Ergebniskonstellationen (0-0, 1-0, 0-1, 1-1 … 2-2) belegen die Plätze eins bis neun der Tabelle häufiger Spielresultate. In den 76 restlichen Spielen der Saison erzielte wenigstens eines der beiden Teams drei Treffer oder mehr, was sich auf 19 unterschiedliche Endergebnisse verteilte.

Fazit: unattraktiver Ergebnisfußball.

Leistungsarmut?

Davon kann eigentlich keine Rede sein. Bester Spieler der Saison war Mike Wunderlich. Er erzielte 752 Leistungspunkte bei jawattdenn.de und steht damit hinter den 1029 Punkten von Sascha Mölders aus dem Vorjahr zwar zurück, aber in der aktuellen Spielzeit hatte die NRZ die Spieler nicht benotet. So fehlte von vorneherein ein Drittel der erzielbaren Punkte. (Das Leistungspunktesystem bei jawattdenn.de beruht auf der Notengebung diverser Medien).

Ansonsten belegen die Noten dieser Saison keinen Qualitätsrückgang. Reviersport benotete mit einem Durchschnitt von 3,31 unsere Spieler um 0,16 besser als in der Vorsaison. Das jawattdenn-Redaktionsteam gab mit einem Notenschnitt von 3,06 eine um 0,14 bessere Bewertung ab. Alles in allem sprang ein Gesamtnote von 3,18 für das Team heraus.

Fazit: Wenn man bedenkt, dass in allen Ligen die Noten sich in der Regel zwischen 3 und 4 einpendeln, ist das eigentlich keine schlechte Bilanz. Auch wenn man in Rechnung stellt, dass unsere Redaktion bei allem Bemühen um Objektivität, doch im Herzen eine rosarot wohlwollende Vereinsbrille auf der Nase hat. Wenn der normale Fan diese Bewertung anders empfindet, mag das mit dem letztendlich enttäuschenden Saisonausklang zusammenhängen.

Zuschauerarmut?

Auch das ist es nicht – jedenfalls nicht im Blick auf die Liga. In Hinsicht RWE allerdings schon. 510.829 Zuschauer bei einem Schnitt von 1.669 sahen die 306 Partien. 2008/09 waren es noch 90.000 weniger – 1.370 im Schnitt. Daran fehlte es der Liga also nicht.

RWE liefen die Fans allerdings davon. Noch immer war die Hafenstraße die Heimat für den Zuschauerkrösus der Liga. RWE ist sowohl daheim, als auch auswärts Spitzenreiter der Zuschauertabellen, jedoch bei weitem nicht mehr so souverän wie in zurückliegenden Spielzeiten. Nur noch 5.955 Besucher pilgerten zur Hafenstraße – ein Verlust von mehr als 1.000 pro Spiel. Nur noch zwölf Mannschaften haben ihren eigenen Auswärtsrekordbesuch an der Hafenstraße erlebt. Im Jahr zuvor waren das noch alle 17 anderen. Saarbrücken sprang viermal in die Bresche, meist gegen die Teams im Südwesten, und einmal war der Waldhof in „feuriger“ Weise Gastgeber für den 1. FC Kaiserslautern. Als Gast war Rot-Weiss ebenfalls nicht mehr allein attraktiv. Auf nur noch sieben fremden Plätzen erwies sich unser Verein rekordverdächtig als Zuschauermagnet.

Über dem Besucherschnitt von 1.669 liegen nur fünf Vereine – neben RWE sind das Saarbrücken, Waldhof Mannheim, Preußen Münster und Eintracht Trier. Wormatia Worms auf Rang sechs verfehlte den Ligaschnitt nur knapp. Am Tabellenende befinden sich – wen wundert’s? – alle Zweitvertretungen der Profivereine und der SC Verl mittendrin. Lediglich Schalkes Reserve ist weiter oben in der Tabelle angesiedelt, aber einzig aufgrund des Rekordbesuches der vierten Liga in der Partie gegen Rot-Weiss Essen. Nimmt man dieses Spiel aus, lägen die Schalker auf dem vorletzten Rang vor Leverkusen. Letztere will nun wirklich niemand sehen, weder daheim noch auswärts.

Prognose: Von den fünf führenden Mannschaften der Zuschauertabelle werden drei die Liga verlassen. Saarbrücken steigt auf, Mannheim und RWE bekommen keine Lizenz. Allein Preußen Münster und neuerdings Trier bleiben zurück. Dieser Zuschauerschwund wird von den neu hinzukommenden Teams kaum kompensiert werden. Bielefeld II, Dortmund II und der SC Wiedenbrück sind kein Hoffnungsschimmer. Was der FC Homburg und der WSV mobilisieren, bleibt abzuwarten. Vermutlich gehören zehn Zweitvertretungen in Zukunft zur Weststaffel der Regionalliga. 26 Vereine sind es in allen drei Regionalligen. Dem DFB gelingt es offensichtlich, eine funktionierende „Panzersperre“ aus Reservemannschaften aufzubauen, welche die Profivereine vor ambitionierten Vereinen aus dem Amateurbereich abschirmen soll. Ist das wirklich so gewollt?

Schlussfazit

Das Zahlenmaterial liefert uns als Fakten nicht ganz so schlechte Werte, wie die gefühlte Katastrophenbilanz unserer Fanseelen. Die positiven Lichtblicke sind nicht geeignet, unsere Enttäuschung zu mildern. Ich möchte ungern das inzwischen abgelutscht grüßende Murmeltierzitat bemühen. Doch dieser Film hat eine für uns relevante Szene. Dem Hauptdarsteller läuft am frühen Morgen immer wiederkehrend ein Bekannter aus früheren Zeiten über den Weg, ewig nervend mit immer den gleichen Sprüchen. Eines Tages haut er ihm eins „auf die Zwölf“, bevor der zu Wort kommt. Ich denke, lange machen die Fans dieses Murmeltierspielchen nicht mehr mit. Auch nicht in der NRW-Liga - wobei die Teilnahme der Essener ja noch nicht mal gesichert ist. Der Schlag ins Gesicht des Vereins wird darin bestehen, dass die Fans wegbleiben. Dann haben wir eine Atmosphäre wie bei Herne, Erkenschwick, ETB, Sodingen und anderen. Den STV Horst-Emscher gibt’s bereits nicht mehr.