„Hello again“

„Hello again“ schmetterte einst Schlagerbarde Howard Carpendale in den achtziger Jahren, und gleiches gilt, mal wieder, für die Kicker von der Hafenstraße. Die Regionalliga hat sie nach einjährigem Ausflug in die fußballerische Zweitklassigkeit wieder. Der erneute Abstieg bringt einen neuen Umbruch mit sich; 20 Spieler haben Bergeborbeck verlassen, 16 neue sind gekommen, und die Fans fragen sich zum wiederholten Male: „Wie stark ist das neue Team?“

Selbiges fragen sich Interessierte und Experten gleichermaßen in Anbetracht der bevorstehenden Regionalligareform. In dieser Spielzeit gilt, dass neun Teams absteigen und nur acht Mannschaften die neue Dritte Liga erreichen. Nach wie vor beim Alten: Platz eins und zwei öffnen das Tor zum Profifussball in Form der Zweiten Liga.

Wie stark ist die Liga? Welche Rolle kann RWE spielen? Gelingt vielleicht sogar die Rückkehr ins deutsche Unterhaus? Wird der Verein, wie einige Zweitligaabsteiger zuvor, gar „durchgereicht“? Viele Fragen stehen im Raum, die Antworten folgen aber erst nach 38 langen Spieltagen. Aber Prognosen, Hellsehereien und Glaskugelstudien können durchaus gewagt werden!

Es folgt eine Prognose. Wer läuft am ersten Spieltag gegen Oberhausen auf? Wie könnte die Stammformation aussehen? Raus mit der Glaskugel, noch einmal poliert und auf geht’s:

Wie schon erwähnt ist die diesjährige Fluktuation groß, was die Sportliche Leitung dazu veranlasste, eine Heerschar an neuen Spielern zu verpflichten. Auf unserer Statistikseite könnt ihr euch jeden neuen in Ruhe ansehen.

Position Torwart

Daniel Masuch bewies vor zwei Jahren, damals noch im Dienste von RW Oberhausen, dass er zu den besten Torhütern der Liga zählt. Mit Sören Pirson wurde ein waschechter Essener Jung verpflichtet, der mit seinen Leistungen in Dortmund von sich reden gemacht hat. Beide Spieler lieferten im Training sehr gute Leistungen, in den Testspielen waren die zwei ebenfalls gleichauf. Hier eine Entscheidung zu treffen, wird für Heiko Bonan nicht leicht, wer die Wahl hat, hat die Qual. Qualitativ liegen beide Schnapper gleichauf.

Persönliche Prognose: Aufgrund der Erfahrung wird Daniel Masuch die neue Nummer Eins.

Die Abwehr

Heiko Bonan kündigte an, zukünftig mit einer Dreier-Abwehrkette spielen zu lassen. Für die zentrale Position wurde der erfahrene Schweizer Daniel Sereinig verpflichtet. Über „Mister Zuverlässig“ und Neukapitän Stefan Lorenz braucht man nicht mehr viele Worte zu verlieren. Zudem stehen mit David Czyszczon, Jungprofi Niklas Andersen und U23-Akteur Jaroslaw Stankiewicz interessante Akteure zur Verfügung. Vor allem der 25-jährige Czyszczon, gekommen von der Zweitvertretung des VfL Bochum, zeigte in den Vorbereitungsspielen sehr gute Leistungen. Zweikampfstark, mit Auge für den freien Mann und in der Luft ohnehin „der Größte“ – Czyszczon wusste Fans und Kritiker zu überzeugen. Aber auch Niklas Andersen und Jaroslaw Stankiewicz empfahl sich durch solide Leistungsnachweise. Mitja Schäfer dagegen, etatmäßiger Mittelfeldspieler, merkte man an, dass er nicht auf seiner Lieblingsposition agierte.

Persönliche Prognose: Daniel Sereining wurde nicht für die Bank geholt, ebenso wenig wird Spielführer Stefan Lorenz draußen schmoren. Die dritte, vakante Position wird David Czyszczon einnehmen.

Das Mittelfeld

Eines vorweg: Essens Prunkstück. Sören Brandy, Tim Erfen, Tim Gorschlüter, Moritz Stoppelkamp, Stijn Haeldermans, Ferhat Kiskanc, Jozef Kotula, Michael Lorenz und Mitja Schäfer. Alles Namen, die für Variabilität, Zweikampfstärke, Kreativität, Dynamik und Durchsetzungsvermögen stehen. Vielleicht eins der besten Mittelfelder der vergangenen Jahre. Ähnlich wie bei den Torhütern wird Heiko Bonan es hier auch schwer haben, sich zu entscheiden. Vorteil: Für das Spielsystem mit zwei „6ern“ und beiden Außenspielern sind alle Spieler dienlich, da nahezu jeder jede Position verkörpern kann. Variabilität eben, welche sich durch den gesamten Kader zieht.

Persönlich Prognose: Der wiedererstarkte Stijn Haldermans, meines Erachtens bester Mann der Vorbereitung, hat seinen Stammplatz sicher. Neben ihn wird Mario Klinger stehen, starker Mann im Infight, technisch versiert und mit Auge für den öffnenden Pass. Die Position im linken Mittelfeld wird Sören Brandy bekleiden. Seine Dynamik und sein Zug zum Tor werden elementar für das erfolgreiche Umsetzen des Bonanschen Systems sein. Auf der gegenüberliegenden Seite wird es auf Tim Erfen rauslaufen. Von der Spielanlage ein ähnlicher Typ wie Sören Brandy. Alternativ steht Jozef Kotula Gewehr bei Fuß.

Abteilung Attacke

Zwei hängende Spitzen, die um den Mittelstürmer herum wuseln, macht insgesamt drei Sturmspitzen. Neben den jungen Profis Chamdin Said und Emrah Uzun, die beide heiß wie Frittenfett sind, brennen der erfahrene Rolf-Christel Guie-Mien, Sercan Güvenisik, Vincent Wagner und die beiden letzten Neuzugänge André Schei Lindbaek sowie Rafael Kazior auf ihren Einsatz. Lindbaek und Kazior stießen anderthalb Wochen vor dem Saisonstart zum Team. Der Norweger wurde als „Stoßstürmer“ verpflichtet und bringt internationale Erfahrung mit, Kazior, zuletzt in Kiel angestellt, verfügt über nationale Erfahrung von 55 Zweitligapartien sowie 19 Einsätzen in der letzten Spielzeit. Guie-Mien, von den Fans schon jetzt liebevoll „Gute Miene“ genannt, kommt zwar aus der Oberliga von Sachsen Leipzig, sorgte aber vor Jahren schon für Aufsehen in der Ersten und Zweiten Bundesliga, unter anderem in Frankfurt und Köln. Sercan Güvenisik kommt aus Jena. Nach einem Kreuzbandriss und einem verlorenen Jahr in Jena will er es wieder so richtig wissen. Vincent Wagner, der einzige Akteur der Neuzugänge, der nicht über Regionalligaerfahrung oder höher verfügt, kommt aus Schwerin mit einer Traumquote nach Essen (26 Tore in 28 Spielen). Schwerin kickt zwar „nur“ in der Verbandsliga, was aber nicht auf Wagners Leistungsvermögen schließen lässt. Die Vorbereitung zeigte: Der Junge weiß, wo das Tor steht, der hat den Knipserinstikt. Wenn er sich akklimatisiert hat, wird er seine Möglichkeiten in Tore ummünzen.

Persönlich Prognose: In der Sturmmitte wird es, zumindest kurzfristig, Vincent Wagner richten. Es liegt an ihm, ob er diese Position weiterhin bekleidet oder ob Andre Lindbaek den Stammplatz, den er sicherlich für sich beanspruchen wird, erobern kann. Die „hängenden Spitzen“ werden Guie-Mien und Güvenisik sein, dies steht wohl außer Frage.

Und wo landet RWE nun?

Charakterlich passt die Truppe wunderbar zueinander. Heiko Bonan spricht zurecht von einem „Faustpfand“. RWE wird den Nachteil haben, sich erst einspielen zu müssen, da alle Akteure erst diesen Sommer angeheuert haben. Dies wird noch einige Spieltage dauern, bis sich die Mannschaft auf dem Platz zu einhundert Prozent „blind“ versteht. Die bisherigen Eindrücke lassen aber darauf schließen, dass es Heiko Bonan und Olaf Janßen gelungen ist, ein spielstarkes und funktionierendes und vor allem ein hungriges Team auf die Beine zu stellen. Jede Position ist doppelt besetzt, jeder Spieler ist in der Lage, mehr als nur eine Position zu spielen. RWE wird sehr variabel und für den Gegner jedes Spiel aufs Neue heraus unberechenbar sein.

Persönlich Prognose: Irgendwo zwischen Platz 1 und 6.


Tim Zähringer