31.10.2007

DFB-Pokal RWE - 1. FC Kaiserlautern

 

Von zahmen Teufeln und einem wunderschönen Pokalabend

Was für ein Pokalabend! Selten sah man in den vergangenen Monaten solch zufriedene Gesichter, die den Weg nach Hause antraten. Noch auf dem Weg zum Auto oder Bus hörte man die Jubelgesänge rund um die Hafenstraße. Völlig verdient besiegte Rot-Weiss Essen eine desolate Mannschaft aus Kaiserslautern mit 2:1.

Heiko Bonan veränderte seine Mannschaft gegenüber dem siegreichen Wochenende bei den Amateuren des HSV nicht. Dem entsprechend setzte er taktisch auf das gewohnte 3-4-3, eine Aufstellung, die Offensivfußball verspricht, auch, oder gerade erst recht, gegen einen angeschlagenen Zweitligisten. Sein Gegenüber, der enorm in der Kritik stehende Kjetil Rekdal, sucht scheinbar noch nach seiner Stammformation. Trotz des erfolgreichen Wochenendes veränderte der Trainer des FCK seine siegreiche Mannschaft gleich auf vier Positionen.

13818 gut aufgelegte Zuschauer im gefüllten Georg-Melches-Stadion, darunter die Ex-Rot-Weissen Otto Rehagel, Rene Renno und Bjarne Goldbaek auf der Tribüne, warteten gespannt auf den Anpfiff des Unparteiischen Markus Wingenbach. Von Beginn an herrschte diese lang vermisste, knisternde Flutlichtatmosphäre, die sich schnell auf das Publikum übertrug und für eine prächtige Stimmung sorgte.

Schon in den ersten Sekunden deutete sich die Marschrichtung der kommenden 90 Minuten an. Guie-Mien flankte von links auf den im Strafraum postierten Kurth, der leitete den Ball per Kopf weiter an Sören Brandy. Doch bevor dieser zum Schuss ansetzen konnte, spitzelte Fabian Schönheim den Ball zur Ecke. Doch auch diese brachte gleich wieder Gefahr. Der erneut überragende Tim Gorschlüter schlug den Ball in den Strafraum, ein abgefälschter Schuss von Sören Brandy lenkte den Ball eben genau wieder auf Gorschlüter, der nicht lange fackelte. Sein Schuss verfehlte nur knapp den Kasten.

Von Beginn an spielten die Hausherren engagiert und hellwach. Die Teufel fanden selbst nach diesem ersten Ausrufezeichen nicht ins Spiel. Bemüht, aber behäbig und viel zu umständlich wirkten die ersten Angriffsversuche, die folgerichtig in der gut stehenden Essener Abwehrmauer ihr Ende fanden. Daniel Sereinig sortierte seine Mannen mit Übersicht und Angriffsversuche wurden schon häufig im Mittelfeld im Keim erstickt. Überfallartig schalteten die Essener dann stets schnell von Abwehr auf Angriff um und brachten die Abwehr der roten Teufel ein ums andere Mal in Verlegenheit.

Richtig von den Sitzen riss es die Zuschauer dann in der 26. Minute. Die Lauterer, zu weit aufgerückt, verloren einmal mehr den Ball in der Vorwärtsbewegung. Dann kam der Auftritt des starken Sören Brandy. Er setzte sich auf der linken Seite durch, drang in den Strafraum ein und nutzte die erstarrte Faszination der Lauterer Abwehr, um seinen Lauf mit einem flachen Schuss in das rechte Eck des Gehäuses von Tobias Sippel zu beenden. 1:0, die Hafenstraße bebte!

Auch nach der Führung blieben die Angriffsbemühungen der Lauterer harmlos. Die Torschüsse von Patrice Bernier und Emeka Opara konnte Masuch ohne große Mühe entschärfen. Die Essener präsentierten sich dagegen voller Spielwitz. Das schnelle und ansehnliche Kurzpassspiel fand beinahe immer einen Abnehmer und so erarbeitete man sich auch eine spielerische Überlegenheit, die so nicht zu erwarten war. Der Ball lief gefällig durch die rot-weissen Reihen, ohne dass störende Teufel dazwischen feuern konnten.

So kamen die Essener zu weiteren Chancen. Niklas Andersen, der offensiv einige bemerkenswerte Akzente setzen konnte, setzte sich schön durch, passte auf den freistehenden Markus Kurth, der an der Strafraumgrenze den Ball jedoch genau in die Arme des Torhüters lupfte. Nur wenig später hatten die Fans schon wieder den Torschrei auf den Lippen. Erneut war es Tim Gorschlüter, dessen Flachschuss der FCK Keeper noch so gerade eben um den rechten Pfosten lenken konnte. Im Gegenzug, und kurz vor dem Pausentee, dann die erste wirklich gefährliche Aktion der Lauterer. Doch Esben Hansens strammen Schuss aus 25 Metern hielt Masuch sicher fest. Nur der mangelnden Chancenverwertung der Essener war es zu verdanken, dass die Lauterer lediglich mit 1:0 in die Kabinen geschickt wurden.

Nach dem Wechsel zeigte sich dann das gewohnte Bild. Die Essener immer einen Schritt schneller, immer bissiger in den Zweikämpfen und deutlich überlegen. Aber das Spiel hätte zu diesem Zeitpunkt auch kippen können. Die Essener verloren den Ball und ein langer Pass von Axel Bellinghausen fand Emeka Opara, der allein auf das Tor von Daniel Masuch zustürmte. In letzter Sekunde grätschte David Czyszczon unfair im Strafraum dazwischen, Schiedsrichter Wingenbach zeigte auf den Punkt. Doch Glück für die Essener, da der Schiedsrichterassistent bereits vor dieser Situation Opara im Abseits sah. Nach Beratung mit seinem Assistenten entschied der Mann in Schwarz auf Freistoß für Essen.

In der 62. Minute ernteten die Rot-Weissen dann endlich die Früchte ihrer Arbeit. Nach einem Foul an Jozef Kotula zirkelte dieser von halblinks auf Strafraumhöhe den Ball an den langen Pfosten, wo David Czyszczon einköpfen konnte. 2:0, das Achtelfinale rückte in greifbare Nähe.

FCK-Trainer Rekdal tobte an der Außenlinie und seine Spieler schienen ihn endlich zu erhören. In derFolge erarbeite sich Kaiserslautern zwar zunehmend Spielanteile, aber die Essener zogen sich zurück, verlegten sich von nun an aufs Kontern und blieben stets gefährlich. Bonan wechselte und brachte Mario Klinger als zusätzliche Absicherung für den emsig arbeitenden Kotula und, ein zu diesem Zeitpunkt noch ungefährlicher Wechsel, Rafael Kazior für Tim Gorschlüter.

Und wie schon so oft bei Besuchen an der Hafenstraße, blieb auch an Halloween den Besuchern der Nervenkitzel nicht erspart. In der 81. Minute erzielte FCK Stürmer Björn Runström mit einem sehenswerten und für Masuch unhaltbaren Volleyschuss aus 20 Metern den Anschlusstreffer. In der Folge wirkten die Essener plötzlich nervös und fahrig, verloren viele Bälle im Spielaufbau. Vor allem der eingewechselte Rafael Kazior brachte vorne wenig Ballsicherheit, so dass die Kugel postwendend wieder Richtung RWE-Tor lief. Bonan reagierte und wechselte Jaroslaw Stankiewicz für Guie-Mien ein, der sich bei seiner Auswechslung den verdienten Applaus abholte. Eine Verlängerung schien für den RWE-Trainer nicht in Betracht zu kommen.

Doch außer dem berühmten „Langholz“ fiel den Lauterern auch in dieser Phase nicht viel ein. Zwar segelte der Ball ein ums andere Mal gefährlich in den Strafraum, doch fand sich nie ein geeigneter Abnehmer. Für den letzten Aufreger des Spiels sorgte dann FCK Torhüter Tobias Sippel, der den allein auf das Tor zulaufenden Michael Lorenz unsanft bremste.
Klarer Fall, eine Notbremse zieht nun einmal eine rote Karte nach sich, da half auch das vehemente Protestieren nicht. So sehr wie bei diesem Schiedsrichterprotest hatte sich manch Lauterer Spieler den ganzen Abend über nicht engagiert. Auch die Lauterer Fans gingen zunehmend auf die Barrikaden, wohl aus Enttäuschung und Frust über die desolate Leistung ihrer Mannschaft. Die Situation beruhigte sich jedoch wieder schnell.

Dann war es endlich soweit. Nach 90 Minuten und gefühlten 20 Jahren Nachspielzeit pfiff der gut leitende Schiedsrichter Wingenbach ab. Der Jubel kannte keine Grenzen und schon bald skandierten die Fans „Berlin, Berlin, wir fahr’n nach Berlin!“. Höhepunkt der Feierlichkeiten war sicherlich die von der Ost- und Nordtribüne gemeinsam mit der Mannschaft zelebrierte Humba.

Erstmals seit 1993 steht Rot-Weiss Essen dank einer überragenden spielerischen und auch kämpferischen Leistung im Achtelfinale des DFB-Pokals. Und schon heute darf man gespannt sein, wer der Gegner am 29. oder 30. Januar 2008 sein wird. Klangvolle Namen wie der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der deutsche Meister VfB Stuttgart und natürlich der FC Schalke 04 warten. Aber auch ein Duell gegen einen der verbliebenen Amateurclubs, den Wuppertaler SV oder Werder Bremen II, wäre möglich. Wie auch immer der nächste Gegner heißen mag, mit dieser Leistung braucht sich diese Mannschaft vor nichts und niemanden zu verstecken.

Doch bevor man eventuell einen Champions League Teilnehmer an der Hafenstraße begrüßt, sollte nun zunächst die volle Konzentration der nächsten Aufgabe gelten. Schon am Samstag ist wieder Ligaalltag und mit Dynamo Dresden wartet auch dort keine leichte Aufgabe. Vielleicht kann die Mannschaft die Euphorie dieses wunderschönen Pokalabends zu den begehrten drei Punkten tragen und vielleicht gehen wir auch nach diesem Spiel wieder so zufrieden nach Hause wie an diesem Pokalabend.


(sb)


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Rot-Weiss Essen

Masuch - Czyszczon, Sereinig, Andersen - Erfen, M. Lorenz, Gorschlüter (78. Kazior), Kotula (75. Klinger) - Kurth, Brandy - Guie-Mien (88. Stankiewicz)


1. FC Kaiserslautern

Sippel - S. Müller, Beda, Schönheim, Bugera - Bernier (78. Jendrisek), Demai, Hansen (52. Bellinghausen), Simpson - Opara (59. Reinert), Runström


Tore

1:0 Brandy (25.), 2:0 Czyszczon (62.), 2:1 Runström (80.)


Zuschauer

13.818


Schiedsrichter

Wingenbach (Diez)


Gelbe Karten

Bugera, Beda


Rote Karten

Sippel (Kaiserslautern/90.+3) wegen Notbremse




....

Spieler des Spiels

 

 

Jawattdenn Spielerbewertung

Masuch
2-
Czyszczon
2
Andersen
2-
Sereinig
2-
Erfen
2-
Kotula
2-
Gorschlüter
2+
Brandy
2+
M. Lorenz
3+
Guie-Mien
2-
Kurth
3+