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WM 1990 Finale Deutschland – Argentinien

Das Endspiel einer Fußball-Weltmeisterschaft ist das wohl größte Spiel, das diese Sportart zu bieten hat. Rund um den Globus schauen mehrere Milliarden Menschen zu und für die beiden beteiligten Nationen ist freudige Anspannung pur angesagt. Deutschland erreichte im Laufe der Geschichte des Turniers nicht weniger als acht Endspiele. Das ist immer noch Welt-Rekord. 

Es begann 1954 im Berner Wankdorf Stadion, am Ende gab es ein Wunder. Im Finale 1966 unterlag die deutsche Elf in einem epischen Spiel im Londoner Wembleystadion den gastgebenden Engländern nach Verlängerung und kassierte dabei das berühmteste Nicht-Tor der Fußballgeschichte. Acht Jahre später triumphierte man beim Turnier im eigenen Land. Bei den Turnieren 1982 (Vizeweltmeister in Spanien gegen Italien), 1986 (Vize-Weltmeister in Mexiko gegen Argentinien) und 1990 (Weltmeister in Italien) gegen Argentinien legte die DFB-Elf einen Endspiel-Hattrick hin. Während man 2002 bei der WM in Südkorea und Japan noch Brasilien im Finale unterliegen sollte, holten sich die Adlerträger 2014 im Land des Sambas ihren vierten Stern. Wir erinnern an die vier deutschen Endspieltriumphe.

WM 1990 in Italien

08.07.1990in Rom, Stadion Olimpico (Zuschauer:73.603), Anstoß 20.00Uhr (MEZ), Schiedsrichter: Edgardo Enrique Codesal Mendez (Mexiko)

Deutschland: Argentinien 1:0 (0:0)

Aufstellungen:

Deutschland:

Illgner – Brehme, Augenthaler, Kohler, Buchwald, Berthold (73. Reuter) – Littbarski, Matthäus (C), Häßler – Klinsmann, Völler

Trainer: Franz Beckenbauer

Argentinien:

Goycochea – Sensini, Simon, Serrizuela, Ruggeri (46. Monzon) – Troglio, Burruchaga (53. Calderon), Basualdo, Lorenzo – Dezotti, Maradona (C) 

Trainer: Dr. Carlos Bilardo

Tor:

1:0 Brehme (85. Foulelfmeter)

Brehmes goldener Schuss aus elf Metern besiegt Argentinien!

Deutschland ist zum dritten Mal Fußball-Weltmeister und hat Argentinien mit 1:0 in Rom besiegt! In einem einseitigen, aber dennoch lange spannenden Finale, weil den auf das Tor drängenden Deutschen der Siegtreffer erst spät durch einen Elfmeter gelang, holte sich die deutsche Mannschaft den Pokal und krönte ihren Trainer Franz Beckenbauer endgültig zum Kaiser. Nach dem Brasilianer Mario Zagallo ist Beckenbauer der zweite Akteur der Fußballgeschichte, der als Spieler und Trainer den Weltmeistertitel erringen konnte.

Das Personal und die taktische Ausrichtung

Bodo Illgner hütete das deutsche Tor, auch wenn es im Grunde nichts zu hüten gab. Klaus Augenthaler organisierte die Abwehr als Libero, spielte aber aufgrund der Einseitigkeit der Partie fast ständig vor der Kette im Mittelfeld. Andy Brehme verteidigte links, Thomas Berthold auf Rechts, Jürgen Kohler erwartete als Stopper Argentiniens wenige Vorstöße. Guido „Diego“ Buchwald wurde als Sonderbewacher für Maradona eingeteilt, der Schwabe ließ den Weltstar nicht zur Entfaltung kommen. Im offensiven Mittelfeld rahmten Pierre Littbarski und Thomas Häßler die Schaltzentrale Lothar Matthäus ein, Rudi Völler und Jürgen Klinsmann gaben die Doppelspitze. Nach 73 Minuten kam Stefan Reuter für Thomas Berthold, Reuter sollte mit schnellen Antritten die immer massiver verteidigenden Argentinier auseinanderreißen.

In der Entstehung des 1:0 war das gelungen, Matthäus übernahm dann das Leder von Reuter, der zuvor durch einen guten Antritt für Raum gesorgt hatte.  Wie so oft hörte der Kaiser bei der Aufstellung auch auf sein Bauchgefühl bzw. ließ taktische Erwägungen außen vor. Um insbesondere aus dem Überangebot an guten Spielern im Mittelfeld eine Auswahl zu treffen, stellte Beckenbauer Pierre Littbarski auf, weil Litti nach zwei verlorenen WM-Endspielen zuvor nun mit einem Sieg an der Reihe war und Thomas Häßler, weil Icke mit seinem Tor in der Quali gegen Wales die deutsche Mannschaft erst nach Italien geschossen hatte. Allzu große taktische Finessen waren gegen diese Argentinier allerdings auch nicht notwendig. Der Titelverteidiger schirmte sein Tor mit zwei Viererketten ab, Maradona war auf der Zehn bei Buchwald in guten Händen und Dezotti zählte nicht zu den Gegenspielern, die Jürgen Kohler schlaflose Nächte bereiten konnten.

Die Pluspunkte

Von Beginn an dominierte die deutsche Mannschaft dieses einseitige Finale und Sergio Goycochea im argentinischen Tor sah sich fortwährend deutschen Angriffen ausgesetzt. Umgekehrt war die einzige Torchance des unterlegenen Teams ein direkter Freistoß von Maradona kurz vor der Pause, der deutlich über das Tor von Bodo Illgner ging. Beim goldenen Schuss vom Punkt blieb Brehme eiskalt und verwandelte sehr sicher, obwohl der argentinische Schlussmann die Ecke geahnt hatte. Wohl dem Team, das mit Matthäus und Brehme gleich zwei solch souveräne Schützen hat. Nach Brehmes Elfmetertor spielte Deutschland die Partie über die Zeit, der Sieg war im Grunde nie gefährdet. Sieht man vom späten Siegtor ab, wie die Knackpunkte zeigen.

Die Knackpunkte

Die Pluspunkte bilden in gewisser Weise auch die Knackpunkte, denn trotz der großen Dominanz gelang der Beckenbauer-Elf die Führung erst kurz vor Ende der regulären Spielzeit und das nicht aus dem Spiel heraus, sondern vom Elfmeterpunkt. Auch gab es trotz des Sturmlaufes wenig klare Gelegenheiten. Hier hätte man sich mehr Konsequenz und Effizienz gewünscht. Wäre es den Argentiniern gelungen, sich in die Extra-Time zu retten, hätte das Damokles-Schwert Elfmeterschießen über den Köpfen der deutschen Mannschaft gehangen.

Die Aufreger

Schiedsrichter Mendez und seine Elfmeterentscheidungen waren die großen Diskussionspunkte des Finales. Als Torhüter Goycochea kurz nach der Pause den aufgerückten und völlig frei vor ihm auftauchenden deutschen Abwehrchef Klaus Augenthaler deutlich erkennbar ein Bein stellte, als Auge ihn umkurven wollte, und Mendez klare Sicht aus kurzer Entfernung hatte, ließ der Mexikaner weiterspielen. Die Argentinier konnten ihr Glück kaum fassen und Augenthalers wütende Proteste halfen nicht.

Dann aber hatte der Referee keine Lust darauf, diese völlig einseitige Partie noch in die Verlängerung laufen zu lassen. Sensini bedrängte 5 Minuten vor dem regulären Ende Rudi Völler, der einem Pass in die Gasse von Matthäus nachsetzen wollte, und als Rudi zu Boden sank, zeigte Mendez dann energisch heranlaufend auf den ominösen Punkt. Man darf das getrost als Konzessionsentscheidung werten, denn die Aktion von Goycochea gegen Augenthaler war ein eindeutiger Elfer, die von Sensini gegen Völler nicht. Zudem wurde den Argentiniern die Ehre zuteil, die ersten Spieler zu stellen, die in einem WM-Finale mit Rot des Feldes verwiesen werden sollten.

Die Premiere feierte Pedro Daniel Monzon, der erst zur Pause ins Spiel kam und gerade einmal 10 Minuten auf dem Feld verweilen durfte. Seine Attacke gegen Jürgen Klinsmann auf dem rechten Flügel darf als maximal dumm bezeichnet werden. Monzon grätschte mit beiden Beinen voran in Richtung des deutschen Stürmers, der die Kugel aber noch vorbei legen konnte und dann sicherheitshalber über Monzons Grätsche hinwegflog, was bei Klinsi eben spektakulärer aussieht als bei anderen Spielern.

Es gab sofort Knallrot für Monzon. In der aufgeheizten Schlussphase, in der die Albiceleste im Anschluss an den Elferpfiff jede Entscheidung des Schiedsrichters mit wütenden Rudelbildungen um ihn herum quittierte, schickte Dezotti sich an, Jürgen Kohler während einer Spielunterbrechung das Leder zu entreißen, was Kokser in den Händen hielt, und hielt es für angebracht, den deutschen Stopper zunächst von hinten zu Boden zu würgen. Der zweite Platzverweis war fällig. Mendez wäre das Spiel wohl weniger entglitten, hätte er den Elfer an der richtigen Stelle gepfiffen.

Fazit

Ein hochverdienter Erfolg für die deutsche Mannschaft, die sich über den dritten Weltmeistertitel ihrer Geschichte freuen darf. Zum ersten Mal wurde eine deutsche Nationalelf damit ungeschlagen Weltmeister, ebenfalls gab es drei andere Premieren. Erstmals gab es Platzverweise in einem Endspiel und das gleich zwei an der Zahl.

Noch nie schoss ein unterlegener Gegner in einem WM-Finale kein Tor und ebenfalls noch nie erzielte ein Weltmeister nur einen einzigen Treffer im Endspiel. Im Vergleich zur wesentlich torreicheren Partie, die beide Mannschaften vor vier Jahren bei der WM in Mexiko lieferten, konzentrierte man sich nun darauf, Fehler zu vermeiden, Argentinien tat leider kaum mehr als das für dieses Spiel. Der deutschen Mannschaft und einem ganzen Land ist das heute nicht wichtig, es darf des Kaisers zweite Titel-Krönung ausgelassen gefeiert werden.

Blick zurück aus der Gegenwart – Der Sommer im Jahr der Deutschen und des Kaisers wilde Prognosen

Alle guten Dinge sind drei! Nachdem die DFB-Elf die Endspiele 1982 und 1986 verloren hatte, holte sie sich in ihrem Final-Hattrick 1990 den goldenen Pokal. Nur Brasilien gelang es im Anschluss daran ebenfalls dreimal in Serie in ein Finale einzuziehen (1994, 1998, 2002). Zugegeben, das Endspiel in Rom war keine große Fußballkunst, was aber nicht an den Deutschen gelegen hatte, die ihrem Gegner deutlich überlegen waren, sondern an den Argentiniern, deren Endspielleistung nicht zum Zungeschnalzen animierte.

Argentinien war 1990 die erste Mannschaft, die in einem Endspiel um die Fußballkrone kein Tor erzielen konnte. Ja, sie schossen noch nicht einmal einen Ball zwischen die Torpfosten und Bodo Illgner hätte auch während des Finales Sightseeing in Rom betreiben können, ohne dass sein Tor in Gefahr geraten wäre. Nur einmal kurz vor der Pause hatte Argentinien eine nennenswerte Chance, doch Diego Maradona, immer noch ein toller Fußballer aber nicht mehr der Zauberer von 1986, schoss einen direkten Freistoß hoch in den Nachthimmel. Das verwunderte unter dem Strich nicht wirklich.

Der Titelverteidiger Argentinien hatte sich mehr ins Finale der WM geschummelt als gespielt. Im ersten Spiel unterlag man sensationell dem Überraschungsteam aus Kamerun, mit 0:1, der Siegtreffer der Afrikaner fiel in die Kategorie nicht unhaltbar für Torhüter Nery Pumpido. Nach einem 2:0 gegen die UDSSR und einem 1:1 gegen Rumänien zogen die Südamerikaner wenig glanzvoll ins Achtelfinale ein. Zu seinem persönlichen Unglück, aber Glück für die Albiceleste verletzte sich Stammkeeper Pumpido im zweiten Spiel, denn sein Vertreter Goycochea sollte eine Schlüsselfigur in den K.O.-Spielen werden. 

Dort gewann Argentinien zu Beginn das große Prestigeduell gegen Brasilien mit 1:0. Es spielte fast nur die Selecao, doch in der Schlussphase hatte Diego Maradona einen seiner genialen Momente und setzte Claudia Caniggia in Szene, der das Match für Argentinien entscheiden sollte. Das war der letzte Sieg, den Argentinien im Turnier ohne Extraschicht einfahren sollte, denn das Viertelfinale gegen Jugoslawien und das Halbfinale gegen Italien gewannen die Gauchos jeweils im Elfmeterschießen, Goycochea hielt beide Male zwei Elfmeter.

Besonders das Halbfinale gegen Italien zeigte, dass die Argentinier und ihr Capitano zwar nicht die Klasse von 1986 hatten, als die Mannschaft quasi Maradonien war, aber Durchsetzungsfähigkeit und Resilienz zeigte. Italiens Torwart Walter Zenga kassierte an diesem Abend den ersten Gegentreffer überhaupt in diesem Turnier, den Ausgleich zum 1:1 durch Caniggia. Der Gastgeber schaffte es nicht, das Match in 120 Minuten für sich zu entscheiden und später versagten ihm die Nerven vom Punkt.

Ein Schock für Bella Italia, das ganze Land hatte den Titelgewinn der Squadra Azurra erwartet. Nicht nur Argentinien feierte, auch in Deutschland freute man sich mindestens insgeheim über das Resultat. Ein Finale gegen das zähe, aber wenig Finesse ausstrahlende Argentinien versprach deutlich höhere Siegchancen für die DFB-Elf als ein Showdown gegen das große Italien in dessen eigenem Land. Schließlich hatte man bei WM-Turnieren Italien noch nie schlagen können und das Halbfinale 1970 und das Endspiel 1982 verloren. Eine geglückte Revanche an Argentinien für das 4 Jahre zuvor in Mexiko-City mit 2:3 verlorene Endspiel schien wesentlich wahrscheinlicher.

Die Vorzeichen hatten sich komplett gedreht. Kam die DFB-Elf 1986 nur mit großer Willensstärke und einer gehörigen Portion Matchglück ins Finale, während Argentinien brillierte und Diego Maradona nicht zu bremsen war, war es nun umgekehrt. Wie 1986 siegte dann der Favorit, jedoch wieder knapp. In Mexiko war das Endspiel dennoch wesentlich spektakulärer.

Im Aztekenstadion hatte Deutschland einen 0:2 Rückstand aufgeholt und war dann im Überschwang der Gefühle Argentinien ins offene Messer gelaufen. Anstatt das errungene 2:2 zu sichern und auf die Verlängerung zu setzen liefen die in Grün-Weiß gekleideten Deutschen in einen Konter, wie man ihn sonst nur sieht, wenn ein Team All-In gehen muss. Jorge Burruchaga schoss das Siegtor zum 3:2 und das deutsche Abwehrverhalten zählte dabei wohl zu den größten taktischen Böcken, der einer Mannschaft jemals in einem Endspiel einer Weltmeisterschaft unterlaufen war. In Rom stand Argentinien zu keiner Phase vor einer Wende des Spiels, man versuchte nur, sich erneut ins Elferschießen zu retten. Zudem war die Albiceleste noch ersatzgeschwächt und musste auf ihren besten Torschützen Claudia Caniggia verzichten, der gesperrt war.

Der goldene Elferschuss von Andreas Brehme hatte noch eine Vorgeschichte. Dem deutschen Kapitän Lothar Matthäus, eigentlich etatmäßiger Schütze, war ein Stück seiner alten eingelaufenen Schuhe abgebrochen und der Zeugwart musste Matthäus in der Pause neue Treter liefern. Mit diesem Schuhwerk fühlte sich der deutsche Motor nicht sicher genug für einen solch wichtigen Schuss. Andy Brehme, beidfüßig und ebenso sicher wie Loddar, nahm sich nach kurzem Blickkontakt mit seinem Kapitän der Sache an und verwandelte präzise ins vom Schützen aus gesehene linke untere Toreck.

Präzision war auch nötig. Elferkiller Goycochea ahnte die Ecke und ein weniger gut geschossener Elfer wäre wohl seine Beute gewesen. So kommentierte ARD-Reporter Gerd Rubenbauer treffend: „Goycochea wusste alles, aber halten, halten konnte er ihn nicht.“  Es war letztlich das Wasser im Wein, dass die deutsche Mannschaft dieses Spiel bei aller Überlegenheit nur durch einen sehr fragwürdigen Strafstoß gewinnen konnte, nachdem ihr ein eindeutiger Elfmeter zuvor verwehrt worden war und keine der Chancen aus dem Spiel heraus zum Tor führte.

Das war am Abend des 08. Juli 1990 sowohl in Rom als auch in der deutschen Heimat allen egal. Mit Freudenfesten wurde der Titelgewinn die gesamte Nacht hindurch gefeiert, es war der Beginn der Autokorsos und Straßenfeste im Zusammenhang mit großen Fußballereignissen. Zudem war es ein gesamtdeutsches Freudenfest. Ein knappes Dreivierteljahr nach dem Mauerfall und zwei Monate vor der offiziellen Wiedervereinigung wurde der Titel auch in der noch bestehenden DDR gefeiert und viele ostdeutsche Fans genossen bereits ihre Reisefreiheit und waren mit in Italien. Die französische L’Equipe betitelte 1990 als das Jahr der Deutschen.

Im Olympiastadion, wo Deutschland 10 Jahre zuvor auch Europameister geworden war, prägten sich TV-Bilder für die Ewigkeit ein. Hoch oben vor dem Vollmond einer italienischen Sommernacht flog ein Flugzeug entlang, unten auf dem Rasen ging Kaiser Franz sinnierend allein über das Feld, während seine Jungs Ehrenrunden mit dem Goldpokal liefen. Beckenbauer hatte das Team 1984 im desolaten Zustand übernommen und sechs Jahre später daraus einen Weltmeister geformt. Das Finale war seine letzte Partie als Teamchef, danach übernahm Berti Vogts das Amt des Bundestrainers.

Aber sein Vorgänger legte ihm zunächst noch ein dickes Ei ins Nest. Im Überschwang der Gefühle ließ sich Kaiser Franz auf der Pressekonferenz zu einer folgenschweren Aussage hinreißen. Wenn jetzt noch die Spieler aus der DDR hinzukämen, sei die deutsche Mannschaft auf Jahre hinaus nicht zu besiegen. Das täte ihm leid für den Rest der Welt, so der Kaiser. Da Franz selber als Trainer nicht mehr für die Umsetzung dieser Kampfansage sorgen musste, konnte einem eher Berti Vogts leidtun. Denn nach fetten WM-Jahren, in denen Deutschland nicht nur der Endspiel-Hattrick gelungen war, sondern man zwischen 1966 und 1990 lediglich 1970 und 1978 kein Finale spielte und in dieser Zeit zwei Titel holte, folgte in den kommenden Jahren Stagnation und Rückschritt.

Zwar kamen in der Tat starke Kicker aus der ehemaligen DDR hinzu, allen voran Matthias Sammer, Ulf Kirsten oder Andreas Thom, doch Deutschland wurde alles andere als unbesiegbar. Zwei Jahre nach dem Triumph von Rom unterlag die Elf von Berti Vogts Außenseiter Dänemark in Stockholm beim Finale der Europameisterschaft, 1994 gab es beim Unternehmen Titelverteidigung erstaunte Gesichter, als Bulgarien die DFB-Elf im Viertelfinale ausschaltete. Viele der bereits knapp über 20-Jährigen Fußballfans erlebten erstmals bewusst eine WM, an der Deutschland im Finale nicht beteiligt war, was sich 1998 wiederholen sollte, im Viertelfinale war Kroatien Endstation, im Herbst danach war auch für Berti Vogts Feierabend, der 1996 in Wembley aber immerhin Europameister mit seiner Mannschaft geworden war.

Mit Jürgen Klinsmann und Thomas Häßler standen noch zwei 90er Weltmeister auf dem Platz, nur Matthias Sammer vertrat die Generation der letzten DDR-Auswahlmannschaft. In diesen Jahren bemängelte Berti Vogts immer wieder den fehlenden Nachwuchs im deutschen Fußball. Vielleicht hatte das große Reservoir an gut ausgebildeten und gestandenen Profis aus den neuen Bundesländern, die mit einem Male zur Verfügung gestanden hatten, zu einer Vernachlässigung der Nachwuchsarbeit geführt. Auch wenn die Jahre und Turniere nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 heute häufig als trist empfunden und dargestellt werden, die K.O.-Runden und auch Endspiele bei großen Turnieren erreichte die deutsche Mannschaft dennoch regelmäßig, ein großer Unterschied zur Gegenwart.

Sven Meyering