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Wer will in Wegberg-Beeck aufsteigen, wenn du es an der Hafenstraße vor ausverkaufter Hütte erleben kannst – Interview Felix Herzenbruch

„Auch als Wuppertaler kann man 1907% Ruhrpott und Rot-Weiss Essen verkörpern.“ – so wurde in der Jawattdenn.de-Huldigung nach dem Aufstieg Felix Herzenbruch beschrieben. Auch in dieser Saison hat Felix Herzenbruch einen enormen Anteil am Klassenerhalt und führte die Mannschaft zu Saisonende als Kapitän aufs Feld. Im großen Abschiedsinterview spricht Felix Herzenbruch über seine Saisonhighlights, den Aufstieg mit RWE und seine Zukunftspläne. Viel Spaß mit dem Interview:

Jawattdenn.de: „Er wird so fehlen, mir blutet das Herz!“, „Mit Herze geht die größte Identifikationsfigur der Mannschaft.“, „So einen Typ bekommst du eventuell einmal im Jahrzehnt.“ – Das sind Beispielaussagen aus dem RWE-Forum. Was bedeuten dir solche Reaktionen?

Felix Herzenbruch: Es macht mich stolz, dass ich die Leute von mir überzeugen konnte. Natürlich will ich ein guter Spieler mit ordentlichen Fähigkeiten sein. Aber ich will auch ein guter Typ sein, mit dem die Leute quatschen und sich identifizieren können. Einfach ein normaler Typ, wie alle anderen auch. Diese Anerkennung zeigt, dass das so ist. Das ist auch nicht gespielt, sondern so bin ich einfach.

Jawattdenn.de: Wie hast du die RWE-Fans all die Jahre erlebt?

Felix Herzenbruch: Gerade wenn ich an die Heimspiele denke, ist das hier sehr intensiv. Hier kannst du bei einem 0:0 schonmal ausgepfiffen werden, wobei das in dieser Saison nicht mehr passiert ist. Es gab wilde Zeiten, aber die Leute honorieren auch, wenn man Torchancen erspielt oder eine gute Grätsche macht. Wenn das gezeigt wird, kommst du mit den Leuten hier klar.

Jawattdenn.de: Der Klassenerhalt ist geschafft, wie fällt dein Saisonfazit für die Mannschaft aus?

Felix Herzenbruch: Wenn der Pokalsieg glückt, dann haben wir alle Saisonziele erreicht, mehr war nicht drin. (lacht) Bei der Punkt- und Torausbeute hätte aber mehr drin sein können oder sogar müssen. Letztendlich hätte mehr draus werden können, wenn wir die ein oder andere Torchance mehr genutzt hätten oder einige Last-Minute-Gegentore nicht gefallen wären. So hätte einiges an Nerven gespart werden können.

Jawattdenn.de: Wie hast du nach drei Jahren in der Regionalliga deine eigene Leistung gesehen?

Felix Herzenbruch: Zu Beginn der Saison habe ich links gespielt. Da sehe ich mich mittlerweile eher in der Innenverteidigung oder auf der linken Seite einer Dreierkette. Die ersten Spiele gegen Elversberg und Duisburg waren geprägt von Unsicherheiten in der Mannschaft und nicht von guten Leistungen. Da habe auch ich nicht gut gespielt. Danach habe ich meinen Stiefel heruntergespielt auf einem konstanten Niveau.

Ich will betonen, dass der Druck bei diesem Verein gerade bei Heimspielen sehr groß ist. In diesem Umfeld ist es nicht selbstverständlich, dass man seine Leistung drei Jahre lang konstant abruft. Es gibt einige Spieler, die es hier nicht geschafft haben, die aber jetzt in der Dritten Liga oder höher gute Leistungen zeigen. Das liegt auch daran, dass es hier ein spezielles Umfeld ist.

Jawattdenn.de: In den Saisonbewertungen heißt es zum Start häufig, RWE habe die Liga unterschätzt. Du hast selbst einige Jahre in dieser Liga gespielt und kanntest sie. Hat dich die Qualität der Gegner zu Saisonbeginn wirklich überrascht?

Felix Herzenbruch: Die Liga hat mich nicht überrascht. Mich hat überrascht, wie lange wir gebraucht haben, um uns als Mannschaft an das Niveau der Liga zu gewöhnen. Die Fehlerquote ist hier deutlich geringer als in der Regionalliga und zu Beginn haben wir zu viele leichte Fehler gemacht.

Es wurden einige Spieler sogar öffentlich abgeschrieben, wie Cedric Harenbrock oder Sandro Plechaty, die am Ende gezeigt haben, dass sie sich in der Liga etablieren und mithalten konnten. Das ist ein Erfolg.

Jawattdenn.de: Zu deinem Werdegang: nach der Auflösung deines ersten Jugendvereins bist du zum Wuppertaler SV gegangen. Als gebürtiger Wuppertaler war das sicher ein großes Ziel. Konntest du dich damals einfach dort anmelden, um dort in der Jugend mitzuspielen?

Felix Herzenbruch: In der Tat musste ich einen neuen Verein suchen und der WSV war schon damals der beste Klub in Wuppertal. Dort konnte ich zum Probetraining gehen und danach haben sie mich gerne aufgenommen. Dort bin ich durch die Jugendmannschaften gegangen, bis hoch in die Erste Mannschaft. Ich war insgesamt 12 Jahre dort.

Jawattdenn.de: Wie kam es dann dazu, dass du mit 19 in die erste Mannschaft geholt wurdest?

Felix Herzenbruch: Als Wuppertaler war es für mich das größte Ziel, in diesem großen Stadion zu spielen. In der A-Jugend schauen sich die Trainer der Ersten Mannschaft schon einige Spiele an. Es gibt bereits Förderverträge, in denen es eine erste Vergütung gibt. Danach darf man immer wieder mit der Ersten Mannschaft trainieren und sogar ins Trainingslager mitfliegen. Wenn es gut läuft, bekommt man dann den ersten Vertrag.

Es war damals Regionalliga, einen Profivertrag kann man das nicht nennen. Ich habe damals, glaube ich, 600 Euro bekommen. Ich war 18 und habe noch bei meinen Eltern gewohnt, da war das für mich viel Geld.

Jawattdenn.de: Nach dem zwischenzeitlichen Rückzug von Friedhelm Runge musste Wuppertal in die Oberliga gehen, du bist aber nach Oberhausen gewechselt. Wie kam es dazu?

Felix Herzenbruch: Ich bin durch die Jugendmannschaften gegangen und mit 19 Jahren habe ich regelmäßig in der Regionalliga gespielt. Da habe ich überlegt, ob es nicht für die Dritte Liga reicht, was allerdings nicht geklappt hat. Der Gang in die Oberliga war dann trotz aller Heimatverbundenheit als aufstrebender Spieler nicht realistisch. Wenn man es weiterbringen möchte, muss man den Absprung schaffen. Deswegen habe ich mich in der Umgebung umgesehen und RWO hatte Interesse.

Jawattdenn.de: Da du bei deiner zwischenzeitlichen Ausleihe in der Saison 2019/20 wieder nach Oberhausen gegangen bist, scheint die Zeit dort gut für dich gewesen zu sein.

Felix Herzenbruch: Es war eine Gemeinschaft, wie ich sie nie wieder erlebt habe. Freundschaften aus dieser Zeit existieren bis heute. Wir waren eine sympathische Mannschaft, wir haben abends häufig auch mit unseren Frauen zusammengesessen. Das hat man im Profibereich ganz selten und das hat RWO damals ausgezeichnet. Da haben wir dementsprechend viele gute Spiele gezeigt. Ich erinnere mich an ein Pokalspiel hier an der Hafenstraße, in dem wir im Elfmeterschießen gescheitert sind.

Jawattdenn.de: Das war eines der besten Elfmeterschießen von beiden Mannschaften, die ich jemals gesehen habe.

Felix Herzenbruch: Richtig, da hat jeder Spieler von Essen den Ball in den Winkel geschossen. Da hatten wir keine Chance. Das war damals bitter. Nun hoffe ich, dass es genauso läuft, wenn es dazu kommt. (lacht)

Die Ausleihe im ersten RWE-Jahr kam dann auch zustande, weil ich Patrick Bauder, den sportlichen Leiter, noch gut kannte. Da ich hier im ersten Jahr nicht ganz so zufrieden war (lacht), habe ich ihn gefragt, ob sie noch einen Platz für mich haben würden. Ich konnte mich in Oberhausen wieder akklimatisieren, um danach wieder voll in Essen anzugreifen.

Unser Sportfoto des Jahres

Jawattdenn.de: Der persönliche Aufstieg in die Dritte Liga kam nach drei Jahren bei RWO. Der SC Paderborn hat dich unter Vertrag genommen. Haben sie dich ganz normal gescoutet?

Felix Herzenbruch: Das waren glückliche Umstände. Paderborn stieg in dem Jahr von der Zweiten in die Dritte Liga ab, was bedeutet, dass normalerweise ein kompletter Umbruch stattfindet. Damals wollten sie mich als robusten, jungen Spieler haben, von dem sie glaubten, dass ich mich in der Liga durchsetzen kann. Ich war zunächst aber Backup.

Am Ende hatte ich dort eine sehr erfolgreiche Zeit, statistisch sicher die erfolgreichste Zeit meiner Laufbahn. Ich bin als Stammspieler in die Zweite Bundesliga aufgestiegen. Danach sind wir noch in die Bundesliga aufgestiegen, da hatte ich aber kaum noch Spielzeit. Da spielt man schon bei den großen mit. Wir haben beim HSV oder in Bochum gespielt.

Jawattdenn.de: Im Pokal durftest du sogar gegen Bayern München spielen. Das ist wahrscheinlich das absolute Highlight?

Felix Herzenbruch: Damals haben wir drei Zweitligisten rausgeworfen und dann kam das Spiel gegen Bayern München. Das war völlig unglaublich, als ich plötzlich neben Weltstars stand, die man nur aus dem Fernsehen kennt. Arjen Robben war mein Gegenspieler und das war ein Riesenunterschied zur Dritten Liga. Das vergisst man nie und diese Fotos von den Spielen kann man sich einrahmen. Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich noch einmal eine solche Pokalsaison erlebe.

Jawattdenn.de: Wie muss ich mir das vor so einem Spiel vorstellen. Du weißt, du spielst am nächsten Tag gegen Arjen Robben oder dann bei uns gegen Moussa Diaby oder Patrick Schick. Ist man total ehrfürchtig und aufgeregt?

Felix Herzenbruch: Ehrfürchtig nicht, eigentlich denkt man die ganze Woche nur daran, dass man sich bloß nicht verletzen will. Denn ich wollte unbedingt spielen. Ich wusste vorher, dass ich mich voll konzentrieren muss bei deren Qualität, andererseits hat man nichts zu verlieren. Bei Robben und Diaby geht jeder davon aus, dass sie dich mit ihren Übersteigern und ihrer Geschwindigkeit stehen lassen. Wenn man die ersten Duelle gewinnt, schöpft man automatisch Selbstvertrauen, da die Gegenspieler merken, dass man doch nicht so eine Bratwurst ist. (lacht)

Jawattdenn.de: Nach der unbefriedigenden Saison in der Zweiten Bundesliga hast du Paderborn verlassen. Wie kam es zum Wechsel zu Rot-Weiss Essen?

Felix Herzenbruch: Jörn Nowak wurde hier sportlicher Leiter. Mit ihm hatte ich auch zusammengespielt. Er rief mich irgendwann an und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, zu RWE zu wechseln. Für mich war zunächst nur wichtig, zu spielen und wieder ein wichtiger Bestandteil einer Mannschaft zu sein. Rot-Weiss Essen war ein großer Verein und dazu heimatnah. Es hat alles gepasst und so bin ich hierhin gewechselt. Es hat zunächst nicht so geklappt, wie ich es mit vorgestellt habe und ich bin von einer Frustration in die nächste geraten. Rückblickend ist der Plan aber aufgegangen.

Jawattdenn.de: Im ersten Moment klingt der Weg vom Stammspieler eines Zweitligaaufsteigers in die Regionalliga wie ein Schritt zurück. Hast du nicht gezögert, diesen Vertrag zu unterschreiben?

Felix Herzenbruch: Es kommt auch stark auf den Verein an. Bevor ich zu einem Verein wie Sonnenhof Großaspach, die damals in der Dritten Liga waren, wechsele, wo ich vor 2.000 Zuschauern spiele und weit von meiner Familie entfernt bin, da habe ich eher weniger auf die Liga geguckt, weil alles andere stimmte. Hier steht man viel stärker im Fokus und erlebt viel mehr – im Positiven wie im Negativen. (lacht)

Jawattdenn.de: Du hast über das Frusterlebnis im ersten Jahr hier gesprochen. Gab es ein Schlüsselerlebnis, bei dem du gemerkt hast, dass es für dich in Essen erst einmal nicht weitergeht?

Felix Herzenbruch: Das war tatsächlich das Derby gegen Oberhausen, bei dem ich nicht einmal mehr im Kader war. In Oberhausen auf der Tribüne habe ich dann gedacht, dass es das nicht sein kann. Ich hatte mir das ganz anders vorgestellt. Wenn es wenigstens Spaß gemacht hätte, hätte ich die Situation ertragen können. Es war aber eine Qual. Viele andere Spieler haben das ähnlich erlebt. Ich habe mich hier hingequält, die Tage waren ellenlang und ich war froh, wenn es vorbei war.

Jawattdenn.de: Die erste Saison unter Christian Neidhart war durch die Corona-Pandemie geprägt. Wie hast du die Saison vor größtenteils leeren Stadien empfunden?

Felix Herzenbruch: So war die Situation. Man hatte kaum Kontakte, alles war abgesagt, alles war leer. Das war also die logische Folge daraus. Das war komisch, wenn alles ruhig war und man nur den Trainer und die Mitspieler gehört hat.

Für unsere Mannschaft war es vielleicht gar nicht so schlecht. Wir haben einen guten Ball gespielt, wir haben risikofreudig hintenrum gespielt. Wenn man das vor vollen Rängen macht, dann hört man die Leute aufstöhnen und es kommen Emotionen rein. Manche Spieler lassen sich davon leiten und machen es dann im Spiel nicht. Damals haben wir vielleicht auch ein paar Fehler mehr gemacht, das risikoreichere Spiel zahlte sich nach vorne hin aber aus.

Jawattdenn.de: Du bist ja ein Spieler, der sich auch von Emotionen pushen lässt. Da hat doch trotzdem etwas gefehlt?

Felix Herzenbruch: Klar hat es gefehlt. Ich bin zwar ein emotionaler Typ, aber ich verliere selten die Fassung. Manchmal schreit man ein bisschen mit dem Schiri rum, aber ansonsten bin ich ruhig. Ich lege mich nicht mit Gegenspielern oder Fans an. Was von außen kommt, macht mir im Alter nicht mehr so viel aus.

Jawattdenn.de: Es wurde gesellschaftlich diskutiert, ob der Fußball sich in dieser Zeit zu viel herausgenommen hat, da die Spiele selbst in der Regionalliga stattgefunden haben. Wie stehst du dazu?

Felix Herzenbruch: Es ist eine Freiluftveranstaltung. Heute wissen wir, dass es an der frischen Luft nicht so problematisch war. Ich verstehe die Sportler, die nicht weitermachen durften. Andererseits ist der Fußball der Volkssport Nummer Eins. Ich glaube, dass die Verantwortlichen in allen Bereichen, wenigstens das den Leuten in dieser schwierigen Zeit geben wollten.

Jawattdenn.de: Überhaupt war 20/21 ja die statistisch erfolgreichste Saison, in der über ein Kalenderjahr kein Spiel mehr verloren wurde. Hatte die Mannschaft in der Zeit möglicherweise das größte Selbstvertrauen?

Felix Herzenbruch: Ich denke, letzte Saison hatten wir auch ein großes Selbstvertrauen. Der Eindruck entsteht vielleicht auch, weil manche Spieler nicht so befreit aufspielen, wenn die Kulisse da ist. Die wirkten dann vielleicht in der Phase mit den leeren Stadien, als hätten sie mehr Selbstvertrauen.

Jawattdenn.de: Die Saison endete dann insofern enttäuschend, als dass ihr ein wirklich überragendes Ergebnis erreicht habt und dennoch einer mit Topspielern gespickten Dortmunder Zweitvertretung den Vorrang lassen musstet. Was sagt das Gerechtigkeitsempfinden, wenn man von einer Mannschaft, die von Champions-League-Millionen querfinanziert wird, so knapp um den Lohn der Mühen gebracht wird?

Felix Herzenbruch: Das Problem existiert nicht erst seit der Saison, dass Zweite Mannschaften über große finanzielle Vorteile verfügen, wenn sie es ausnutzen wollen. Das wollte Dortmund in dieser Phase. Sie haben Spielern unglaubliche Summen gezahlt, sonst hätten sie da nicht gespielt. Es war vielleicht ungerecht, aber mit der Einstellung kann man nicht in die Saison gehen und sie nicht so bewerten. Uns war bewusst, dass wir uns mit dieser Mannschaft messen müssen.

Letztendlich muss man darauf stolz sein, 90 Punkte erreicht zu haben, auch wenn wir am Ende nicht aufgestiegensind. Was willst du dir bei diesem Ergebnis vorwerfen? Wir haben kaum Spiele verloren und eine perfekte Saison wird es nicht geben.

Jawattdenn.de: Inwiefern hast du daran geglaubt, dass nochmal eine solch starke Saison folgen kann? Immerhin sind mit Amara Condé, Marco Kehl-Gomez und Alexander Hahn drei wichtige Spieler gegangen.

Felix Herzenbruch: Nicht alle Abgänge waren Stammspieler. Natürlich war Condé ein super Spieler, aber selbst er hat nicht immer gespielt, weil ein Grote noch da war. Erst jetzt sieht man ja, was Condé für eine Qualität auf die Platte bringt. Bei Daniel Heber ist es ähnlich. Kehl-Gomez wollte unbedingt Dritte Liga spielen und ist zu Türkgücü München gegangen. Die haben ja auch ganz gut gezahlt. Der Plan ist aber nicht so gut aufgegangen.

Wir haben aber auch gute Spieler dazubekommen, wie Luca Dürholtz für die Zentrale. Der Grundstock der Mannschaft ist geblieben wie Engel, Isi Young und Heber. Da war mir nicht bange, dass wir das nicht wiederholen könnten.

Jawattdenn.de: Was hältst du von der These, dass die Hafenstraße durchaus anstrengend, manchmal auch unfair sein kann, dass aber ein Aufstieg und dann mit einer solchen Dramatik wohl kaum irgendwo gigantischer gefeiert wird?

Felix Herzenbruch: Die Dramatik war am Ende unfassbar. Man will sich gar nicht ausmalen, wenn das nicht geklappt hätte. Das kippt dann in eine ganz andere Richtung. So war es unglaublich. Wer will in Wegberg-Beeck aufsteigen, wenn du es an der Hafenstraße vor ausverkaufter Hütte erleben kannst.

Jawattdenn.de: Der Sehnsuchtsort Dritte Liga wurde erreicht. Im Vorfeld des Spiels in Saarbrücken hast du gesagt, dass du unbedingt in Dresden spielen willst. Das hast du geschafft. War es für dich auch im Nachgang das große Highlight?

Felix Herzenbruch: Das ist schon noch einmal einen Drauf im Vergleich zu hier, wenn es voll ist. Das Stadion hat geschlossene Ecken, das Dach, noch viel mehr Menschen, das ist Bundesliga. Zwei Stunden vor Anpfiff ist da die Stehtribüne voll, dann haben sie noch eine Riesenchoreo dort gemacht. Das war stark.

Wenn du spielst, kannst du das nicht genießen. Wenn du nur auf die Atmosphäre achtest, ist der nächste Ball, der kommt, weg. Ich habe bis dahin noch nicht die 5. gelbe Karte bekommen, sondern erst in dem Spiel und war danach gesperrt. So ist dieser Plan aufgegangen.

Jawattdenn.de: Was waren die schönsten Momente für dich in der 3. Ligasaison?

Felix Herzenbruch: Ein paar Spiele gibt es in jeder Saison, in denen ich unbedingt spielen will. Das war dieses Mal unter anderem Duisburg auswärts.

Jawattdenn.de: Das war auch im Nachgang ein Highlight…

Felix Herzenbruch: Volle Hütte! Ich weiß noch, dass wir zum Warmmachen rauskamen und da war es schon voll. In dem Moment läuft da der Hit „Layla“ und das ganze Stadion, Duisburger und Essener, singen das voll mit. Wir waren kurz vorher noch auf Mallorca und haben das gehört. Mehr geht nicht.

Zuhause gegen Duisburg und Dresden wollte ich spielen. Die Spiele waren auch ausverkauft. Bis auf Dresden auswärts haben wir die Spiele auch nicht verloren. Ich habe in allen Spielen von Anfang an gespielt, in Dresden sogar als Kapitän. Wenn man die Schuhe irgendwann an den Nagel hängt, kann man stolz daran zurückdenken, dass man so etwas erlebt hat.

Jawattdenn.de: Wenn es ein Spiel gäbe, das für dich erfunden wurde, dann wäre es das Rückspiel gegen Freiburg gewesen. Ist das nicht auch ein Höhepunkt?

Felix Herzenbruch: Uns war von vorneherein klar, was das für ein Spiel wird. Die Freiburger dachten noch, dass sie hier normal spielen könnten, das war spätestens in der zweiten Halbzeit vorbei. Wir haben nur versucht, den Ball wegzubekommen und sind dann in Führung gegangen. Als wir das zweite nachgelegt haben, haben wir uns mit allem, was wir hatten, einfach nur noch reingeworfen und haben den Ball weggeschossen.

Da wird man sich auch dran erinnern. Der Schiri hats in Ordnung gefunden anzupfeifen. Das war auch gut, weil wir es vielleicht sonst nicht gewonnen hätten und die drei Punkte am Ende wichtig waren.

Jawattdenn.de: Du arbeitest täglich mit Christoph Dabrowski. Wie fair findest du den Umgang mit ihm?

Felix Herzenbruch: Fair geht es im Fußball selten zu. Die wenigsten, die da schreien, sehen, wie er mit uns umgeht, und wie er die Spiele vorbereitet. Teilweise haben wir geführt und nach dem ersten Gegentor hieß es sofort, Dabrowski raus. Das fand ich drüber.

Es ist leider so, dass es irgendwann im Fußball immer die Forderung gibt, den Trainer zu entlassen. Dass es so krass wie hier auf eine Person geht, habe ich vorher allerdings noch nicht erlebt. Ob das so nötig und hilfreich war, lass ich mal dahingestellt.

Jawattdenn.de: Das erste Mal aufmerksam wurde ich auf dich, als du im ersten Hafenstraßen TV als Co-Kommentator mitgewirkt hast. Es wirkte, als habest du nie was anderes gemacht. Bei Magenta freuen sie sich auch immer, wenn du kommst. Kannst du dir eine Zukunft als TV-Experte vorstellen?

Felix Herzenbruch: Ich habe tatsächlich auch darüber nachgedacht. Ich kann einigermaßen geradeaus sprechen und mal einen lockeren Spruch bekomme ich auch hin. Aber ich gefall mir da jetzt auch nicht übermäßig. Es macht Spaß über Fußball daherzureden. Ich bin auch nicht so ein Taktikfuchs, der wie Christoph Kramer oder Per Mertesacker eine Viererkettenanalyse macht. Ein gut gesetzter Spruch ist manchmal viel mehr wert, als eine punktgenaue Analyse.

Jawattdenn.de: Ich habe auf der Dresden-Fahrt meine Mitreisenden gequält, indem der Felix-Herzenbruch-Song in Dauerschleife lief. Wie oft lief das in der Kabine?

Felix Herzenbruch: Das lief tatsächlich ein paar Mal, teilweise sogar mit dem dazugehörigen Youtubevideo. (lacht) Den Macher kenne ich ganz gut, er ist auch Wuppertaler. Er sagte damals, er wollte etwas machen, was noch mehr den Fokus auf die Vertragsverlängerung lenkt und hat sich hingesetzt und das Lied zusammengeschustert. Es ist jetzt kein grandioser Text, auch wenn ich ein paar Zeilen schon witzig finde, aber es hat Ohrwurmpotential. Auf der anstehenden Mallorca-Tour werden wir den Song wohl noch ein paar Mal hören.

Jawattdenn.de: Ihr fahrt also wieder?

Felix Herzenbruch: Selbstverständlich! Seit meinem 17. Lebensjahr bin ich da jedes Jahr zu finden, außer im Coronajahr. Auch mit fast 31 habe ich schon einen Monat vorher eine unbeschreibliche Vorfreude.

Jawattdenn.de: Du arbeitest bereits an der Karriere nach der Karriere und studierst auf Lehramt. Warum reizt dich dieser Beruf?

Felix Herzenbruch: Ich habe erstmals in Paderborn darüber nachgedacht, weil ich mir gut vorstellen konnte, als Athletik-Trainer im Profibereich zu arbeiten. Der Paderborner Athletiktrainer hat mir geraten, eher Sportlehrer zu werden, da man im Fußball im Hamsterrad bleibt, bei dem man immer darum bangen muss, ob der Vertrag verlängert wird. Mit einer Familie bietet das Lehramt größere Sicherheit. Danach sehne ich mich nach all den Jahren im Fußball.

Ob ich das aber wirklich mache, weiß ich noch nicht. Es ist einfach gut, wenn man sich einige Optionen offenhält. Es ist viel besser, als sich auf andere verlassen zu müssen. Bei vielen Spielern endet die Karriere, und sie wissen nicht, was sie machen sollen. Einige landen dann bei ihrem Verein und machen eine Ausbildung im Büro. Da würde ich mich fremdbestimmt fühlen.

Jawattdenn.de: Es wäre also durchaus eine Option im Fußballgeschäft zu bleiben?

Felix Herzenbruch: Ja, aber nicht als Cheftrainer. Wenn alles passt, würde ich mich aber als Athletiktrainer sehen.

Jawattdenn.de: Da dies hier eines der letzten Interviews ist: Hast du noch einen Abschiedsgruß für die Fans?

Felix Herzenbruch: Ich bin sehr dankbar, dass ich so gesehen werde, wie es im Moment der Fall ist. Anders kann ich es mir nicht wünschen. Ich bin überwältigt von dem Zuspruch, den ich in den letzten Wochen durch euch Fans bekommen habe. Ich freue mich, noch in fünf oder zehn Jahren wiederzukommen, und die Leute freuen sich immer noch, mich zu sehen. Es kann mich jeder ansprechen oder mit mir ein Bierchen trinken. Es wird bestimmt eine gute Zeit sein, immer wenn ich hierhin zurückkehre, in welcher Form auch immer.

Jawattdenn.de: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!

Das Interview führte Hendrik Stürznickel