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Mit Bodenständigkeit, Kontinuität, Zielstrebigkeit und Fleiß passen wir perfekt ins Ruhrgebiet – Interview Markus Högner (Trainer der SGS Essen)

Die zunehmende Kommerzialisierung hält auch im Frauenfußball Einzug. Immer mehr Teams, die in den Profivereinen der Männer angegliedert sind, spielen in der Bundesliga und verdrängen dort die Traditionsvereine. Umso bewundernswerter ist der erneute Klassenerhalt der SGS Essen, die sich trotz des Abgangs vieler namhafter Spielerinnen in dieser Umbruchsaison einmal mehr in der Bundesliga halten konnte. Jawattdenn.de sprach mit dem Erfolgstrainer Markus Högner.

Jawattdenn.de: Hallo Markus, die SGS Essen hat die Spielzeit 2021/2022 mit 17 Punkten auf Platz 10 beendet. Bist du zufrieden mit dem Saisonverlauf?

Markus Högner: Unser klares Ziel, vor der Saison den Klassenerhalt zu schaffen, ist uns gelungen. Wir haben teils gute Spiele abgeliefert, ohne die entsprechenden Ergebnisse zu erzielen. Aber es haben sich wieder viele Spielerinnen sehr gut entwickelt.

Jawattdenn.de: Mit drei Siegen gelangen der SGS die wenigsten der letzten Jahre. Gibt es schon eine kurze Analyse?

Markus Högner: Wir werden jetzt erst einmal zu Ruhe kommen, und dann in den nächsten Wochen die Saison detailliert analysieren.

Jawattdenn.de: Gab es Bedenken, dass man eventuell doch noch absteigt? Hat das dann eventuell auf die Stimmung in der Mannschaft und Team gedrückt?

Markus Högner: Wir standen die ganze Saison zu keinem Zeitpunkt auf einem Abstiegsplatz. Es war wichtig die Ruhe zu bewahren, dies ist uns gelungen.

Jawattdenn.de: Inwiefern spielte Corona diese Saison eine Rolle?

Markus Högner: Vor dem Bayern Spiel hatten wir schon Probleme auf der Torhüterinnen Position, so dass wir Meike Kämper reaktivieren mussten. Aber insgesamt sind wir gut durch diese Zeit gekommen.

Jawattdenn.de: Kommen wir zu deiner Person. Du warst von 1993 – 1995 Spieler bei LD Alajuelense (Costa Rica) und Trainer der Deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft. Was hast du dort erlebt?

Markus Högner: Mein Wunsch war es schon immer im Ausland zu spielen. Dass es dann Costa Rica wurde, war natürlich ein Traum. Alajuela war damals schon einer der besten Teams in Zentralamerika, mit sehr professionellen Strukturen. Meine Zeit bei der Beachsoccer Nationalmannschaft war eine logische Fortsetzung meiner Leidenschaft, die Welt kennen zu lernen.

Jawattdenn.de: Dann folgten Trainerstationen in Aachen und bei der zweiten Mannschaft von Schalke, bevor du 2010 zur SGS gekommen bist. War es damals eine Umstellung, vom Männerfußball zum Frauenfußball zu wechseln?

Markus Högner: Anfangs hatte ich meine Zweifel, aber nach den ersten Minuten auf dem Trainingsplatz wusste ich, dass dies die richtige Entscheidung war, in den Frauenfußball zu wechseln. Die Umstellung fiel mir eigentlich leicht, weil die Mädels alle eine sehr professionelle Einstellung haben.

Jawattdenn.de: Die Jahre waren erfolgreich für einen kleinen Verein wie die SGS Essen. 2014 habt ihr das erste Pokalfinale gespielt und immer gute Platzierungen erreicht ohne Abstiegsnöte. Was war das Erfolgsrezept des Vereins?

Markus Högner: Nicht waren, sondern sind, da sie nach wie vor, Dinge wie Vertrauen, Ruhe bewahren, Teamgedanke im ganzen Verein, klare Konzeptionen, Engagement von allen Beteiligten, weiterhin Bestand haben.

Jawattdenn.de: 2016 kam ein Anruf vom DFB und dir wurde das Co-Traineramt bei der DFB-Frauen Nationalmannschaft angeboten. Fiel es schwer das Cheftraineramt bei der SGS dann abzulegen und wie wurde es im Umfeld aufgenommen?

Markus Högner: Die meisten konnten diesen Schritt verstehen, da ich diese Herausforderung annehmen musste. Es fiel mir schon schwer, die SGS zu verlassen. Aber im Endeffekt ist alles gut gelaufen. Ich habe tolle Erfahrungen sammeln dürfen und jetzt bin ich wieder da, wo ich mich wohlfühle und hingehöre.

Jawattdenn.de:  Die Zeit war leider nicht so erfolgreich und die damalige Cheftrainerin Steffi Jones wurde 2018 entlassen. Du selbst bist dann als Co-Trainer zur Frauenmannschaft des VfL Wolfsburg gewechselt. Wieso bist du nicht beim DFB geblieben?

Markus Högner: Ich fand die Herausforderung äußerst spannend bei einem Wekltklasse-Verein wie dem VfL Wolfsburg zu arbeiten. Auch auf dieser Station habe ich viel gelernt und konnte viele Dinge mitnehmen. Ralf Kellermann und die Frauen des VfL Wolfsburg stehen für eine absolute Kontinuität auf Weltklasse Niveau.

Jawattdenn.de: Kann man die Gegebenheiten in Wolfsburg und Essen vergleichen? Da fließen ja ganz andere Gelder als in Essen.

Markus Högner: Es ist komplett anders, da in Wolfsburg alle Spielerinnen Vollprofis sind und der Verein andere finanzielle und infrastrukturelle Bedingungen hat. Aber auch wir in Essen haben uns kontinuierlich weiterentwickelt. Wir haben inzwischen gute Trainingsbedingungen, viele engagierte und Top-Mitarbeiter.

Jawattdenn.de: 2019 bist du zurück nach Essen gekommen. Musstest du nach dem Angebot lange überlegen?

Markus Högner: Nein, tatsächlich nicht. Ich war dankbar als mich die SGS wieder kontaktierte.

Jawattdenn.de: Jetzt hast du durch die Tätigkeit beim DFB und in Wolfsburg ein wenig internationale Luft geschnuppert. Siehst du den deutschen Frauenfußball immer noch vorne dabei, obwohl andere Länder massiv aufrüsten?

Markus Högner: Auf alle Fälle. Ich denke, dass die Frauen Bundesliga immer noch die ausgeglichenste Liga in Europa ist. Die ständig wachsende internationale Konkurrenz belebt den Wettbewerb und tut der Entwicklung des Frauenfußballs gut.

Jawattdenn.de: Ein Thema, bei dem es definitiv Nachholbedarf gibt, ist die mediale Präsenz des Frauenfußballs in Deutschland. Ein Länderspiel unter der Woche um 16 Uhr oder nur per Stream sind ärgerliche Themen. Was wünschst du dir von den Medien?

Markus Högner: Auf alle Fälle bessere Anstoßzeiten der Nationalmannschaft.

Jawattdenn.de: Mit Magenta TV wurde für die Frauen Bundesliga ein Partner gefunden, welcher jedes Spiel per Stream live überträgt.  Zudem gibt es regelmäßig Livespiele auf Eurosport. Ist das der erste Weg?

Markus Högner: Ich denke schon, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Jawattdenn.de: Die SGS spielt seit 2004 Bundesliga und erreichte bislang immer gute Platzierungen. Jetzt rüsten andere Vereine wie Frankfurt, Köln oder Leverkusen auf, um oben anzugreifen. Welche Rolle kann die SGS bei der zunehmenden Konkurrenz in der Bundesliga spielen?

Markus Högner: In dieser Saison war es unser primäres Ziel, den Klassenerhalt zu schaffen. Dies ist uns gelungen. In den nächsten Jahren möchten wir uns weiter stabilisieren, wenn es uns gelingt die Eckfeiler des Kaders in Essen zu halten.

Jawattdenn.de: Durch das Aufrüsten verliert die SGS immer wieder ihre Stammkräfte. Jetzt verlässt mit Selina Ostermeier die nächste Leistungsträgerin den Verein und wechselt nach Leverkusen. Wie verkraftet man es, gefühlt jedes Jahr große Stützen des Teams zu verlieren?

Markus Högner: Das Ziel muss es immer wieder sein, vorausschauend zu planen. Dass wir immer wieder junge Top Talente verpflichten und natürlich eigene Talente bestmöglich zu entwickeln, um möglichst Abgänge kompensieren zu können.

Jawattdenn.de: Die U20 spielt erfolgreich in der Regionalliga West [3. Liga Anm. der Red.], die Erste spielt Bundesliga, im April wurden zahlreiche Nachwuchstalente für DFB-Lehrgänge nominiert und viele aktuelle Nationalspielerinnen haben eine Essener Vergangenheit. Nehmt ihr gerne die Rolle des „Ausbildungsvereins“ an?

Markus Högner: Auf alle Fälle nehmen wir diese Rolle gerne an. Dies ist uns in den letzten Jahren ja auch gut gelungen und sollte auch in den nächsten Jahren einer unserer Schwerpunkte sein. Top-Talente so auszubilden, dass sie sich bei uns zu gestandenen Bundesliga-Spielerinnen, bzw. Nationalspielerinnen entwickeln. Das Ziel sollte sein, diese Spielerinnen langfristig an die SGS zu binden.

Jawattdenn.de: Wie überzeugt man Wirtschaftsunternehmen als Verein ohne großen Namen im Männerfußball von der eigenen Arbeit und wie schwierig gestaltet sich das hier im Ruhrgebiet?

Markus Högner: Ich denke schon, dass wir mit unseren Werten, wie Bodenständigkeit, Kontinuität, Zielstrebigkeit und Fleiß perfekt in die hiesige Region sprich ins Ruhrgebiet passen. Ich bin sehr dankbar, dass Gerd Kropmanns und die Wohnkompanie dies erkannt haben und uns in den letzten Jahren perfekt unterstützt haben. Ich denke, dass wir mit diesen gelebten Werten auch durchaus interessant für andere Unternehmen sind.

Jawattdenn.de: Auch wenn die Saison gerade erst vorbei ist, läuft schon die Planung der neuen Saison.  Wie sieht hier der Kurs und der generelle Kurs der Zukunft aus?

Markus Högner: Ich denke, dass wir auch in der nächsten Saison eine gute Mannschaft präsentieren werden. Durch die Erfahrung in dieser Saison sind wir alle nochmal ein Stück reifer geworden.

Jawattdenn.de: Eine kleine Frage in eigener Sache. Wir begleiten die SGS auch schon seit über 10 Jahren. Unser erstes Spiel, über welches wir berichteten, war das DFB-Pokalhalbfinale SGS – FCR Duisburg aus dem Jahre 2007. Wird so eine Berichterstattung im Umfeld wahrgenommen?

Markus Högner: Definitiv wird die Berichterstattung wahrgenommen. Auch dies trägt zu einer weiteren öffentlichen Wahrnehmung der SGS bei.

Jawattdenn.de: Markus Högner, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in der kommenden Saison!

Das Interview führte Marcel Rotzoll