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Für mich war es immer wichtig, Arbeit und Fußball zu kombinieren – Interview mit Jacqueline Meißner

Seit 2011 bei der SGS, über 200 Spiele bestritten und die Kapitänin der Mannschaft. Jaqueline Meißner im Jawattdenn-Interview über Frauenfußball, Corona, Pokalfinale und die aktuelle Saison bei der SGS Essen.

Jawattdenn.de: Hallo Jacqueline, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Wie ist die aktuelle Stimmungslage bei dir und der Mannschaft?

Jaci: Hallo, ich denke die Stimmung ist ganz gut. Wir haben einen guten Mix aus Spaß und Fokus.

Jawattdenn.de: Die Corona-Pandemie hat natürlich auch kein Halt vor dem Frauenfußball gemacht. Die Saison 2019/2020 war für 3 Monate unterbrochen und konnte zum Glück noch zu Ende gebracht werden. Jetzt ist es im Frauenfußball ja nicht unüblich, dass längere Pausen vorhanden sind, war es diesmal anders?

Jaci: Naja, 3 Monate mitten in der Saison Pause zu haben, ist schon was anderes als eine normale Pause oder die Pause durch die Nationalmannschaften. Es ist schon schön, ein gewisses Privileg zu haben, allerdings war es eine sehr intensive Zeit und die darauffolgende Saison hat uns nicht viel Pause gebracht.

Im Spiel gegen den FC Bayern München

Jawattdenn.de: Dann kam die Geistersaison 2020/2021. Erzähl uns doch mal wie du/Ihr die Saison wahrgenommen habt, ohne Zuschauer, mit regelmäßigen Tests usw.

Jaci: Ohne Zuschauer unsere Spiele zu bestreiten, ist glaube ich bei uns im Frauenfußball nicht so enorm merkbar wie bei den Männern, dennoch spürt man, dass durch die wenigen Einflüsse von außen ein anderes Spiel herrscht. Fans können dennoch ein Team nochmal stark motivieren. Man hat sich an die Testungen irgendwann gewöhnt, sie gehörten nun Mal dazu.

Jawattdenn.de: Jetzt in der aktuellen Saison läuft ja alles wieder so einigermaßen normal. Die Zuschauer sind zurück, es herrscht Stimmung. Ist es gefühlt wie vor Corona?

Jaci: Ich würde sagen teils wie vor Corona. Glücklich darüber, dass viele den Weg ins Stadion wieder finden, gerade wenn ich das Spiel gegen Bayern betrachte, dennoch merkt man schon, dass es etwas ruhiger geworden ist.

Jawattdenn.de: Der Männerfußball leidet ja teilweise an Zuschauerschwund, merkt Ihr das auch, also zuschauertechnisch oder medial?

Jaci: Die Zuschauerzahlen der Männer-und Frauenbundesliga gehen schon sehr weit auseinander. Unsere Zuschauerzahlen sind schon wie vor Corona, allerdings ist dies bei den Männern nicht ganz so einfach, da es viel zu populär ist. Positiv ist es, dass durch Corona jedes Spiel der Frauen-Bundesliga live übertragen wird.

Jawattdenn.de: Du spielst seit 2011 für die SGS, hast über 200 Spiele bestritten und bis jetzt die Kapitänin der Mannschaft. Eine gute Entwicklung, oder?

Jaci: Natürlich bin ich glücklich darüber, so viele Spiele für die SGS gespielt zu haben. Ich hatte in den ganzen Jahren immer Mitspielerinnen, die mich geformt und weitergebracht haben, aber auch eine Familie und Freunde die mich immer aufgebaut haben.

Jawattdenn.de: … und dann gibt’s da noch drei Länderspiele für die Nationalmannschaft der Frauen. Findest du es schade, dass es nicht mehr geworden sind?

Jaci: Mein Anlauf bei Essen war ähnlich wie in der Nationalmannschaft. In Essen habe ich damals über ein halbes Jahr gebraucht, um mich wirklich wohl zu fühlen. Leider war ich zu dem Zeitpunkt noch nicht so weit und konnte mich nicht beweisen.

Jawattdenn.de: Du hast 2014 auch im DFB-Pokalfinale gestanden, welches Ihr leider mit 0:3 gegen Frankfurt verloren habt. Würdest du sagen, dass dies dein Karrierehighlight bis dato ist?

Jaci: Für mich ist eher das DFB-Pokalfinale 2020 mein Highlight. Dies war ärgerlich und wir waren dem Pokal verdammt nah.

Gegen Bayern bestritt Jaci Meißner ihr 200. Bundesligaspiel

Jawattdenn.de: Du bist jetzt 27 Jahre jung und hast am Samstag gegen Bayern München dein 200 Ligaspiel bestritten. Hierzu erst einmal Gratulation. Hast noch einige Jahre Fußball vor dir. Hast du trotzdem schon Pläne für das danach?

Jaci: Dankeschön. Ich glaube ein schöneres Spiel hätte es nicht dafür geben können. Puhh, es ist noch einige Zeit bis dahin, aber ganz vom Fußball werde ich mich erstmal nicht trennen können, aber dann werde ich wohl ein paar Reisen in Angriff nehmen.

Jawattdenn.de: Kommen wir nun zu was ganz anderem. Die SGS spielt seit 2004 erfolgreich in der 1. Frauen Bundesliga. Als mittlerweile vermeintlicher Underdog gelingt es der Mannschaft aber immer unter den Top 10 zu gelangen.

Jaci: Ich denke, dass die SGS einer der besten Ausbildungsvereine der Liga ist. Viele junge Talente werden erfolgreich ausgebildet und dies ist vielleicht der Grund, warum wir als Underdog gesehen werden.

Jawattdenn.de: Der Aderlass der SGS war in den letzten Jahren verdammt hoch. Sei es Lea Schüller, Linda Dallman oder Lena Oberdorf, um nur drei aufzuzählen, verließen die letzten Jahre die SGS und spielen jetzt bei den großen wie Bayern oder Wolfsburg. Wie verkraftet man es gefühlt jedes Jahr große Stützen des Teams zu verlieren?

Jaci: Natürlich ist es schade, vor allem wenn man sehen könnte, wo wir vielleicht mitspielen würden, wenn alle bleiben. Nichts desto trotz, können wir weiterhin die großen ärgern und füllen die Löcher mit jungen Spielerinnen.

DFB-Pokalfinale 2014 in Köln gegen Frankfurt. Endstand leider 0:3.

Jawattdenn.de: Mit Hoffenheim, Köln und Frankfurt rüsten jetzt auch andere Mannschaft finanziell auf. Wie schafft Ihr es nicht den Anschluss zu verlieren und gegeben falls in Abstiegsnöte zu gelangen?

Jaci: In Essen passieren auch viele Dinge, die mit dem Drumherum zu tun haben. Viele Spielerinnen möchten gerne „Vollprofis“ sein in den jungen Jahren, ich hingegen bin anders. Für mich war es immer wichtig, Arbeit und Fußball zu kombinieren.

Jawattdenn.de: Die aktuelle Saison läuft ja noch nicht so rund bei der SGS. Woran liegt das?

Jaci: Wie ich schon sagte, sind wir ein Ausbildungsverein. Viele junge Mädels spielen das erste Jahr Bundesliga und die Erfahrung fehlt noch ein wenig, um eine konstante Leistung Woche für Woche abzurufen.

Jawattdenn.de: In England und Frankreich spielen ganz andere Gelder und Gehälter eine Rolle. Immer mehr Topspielerinnen zieht es dorthin. Sei es Chelsea, Manchester, Paris oder Lyon. Siehst du die Bundesliga als international noch als konkurrenzfähig?

Jaci: Die deutsche Bundesliga ist weiterhin konkurrenzfähig. Manchmal ist weniger mehr. Man benötigt eine Mannschaft, die gut harmoniert und die zusammen spielen kann.

Jawattdenn.de: Die Vermarktung der Frauen Bundesliga hat an Schwung aufgenommen. Mit Magenta TV wurde ein Partner gefunden, welcher jedes Spiel per Stream live überträgt.  Zudem gibt es regelmäßig Livespiele auf Eurosport. Ist das der erste Weg?

Jaci: Natürlich ist dies der nächste Schritt um den Frauenfußball populärer zu machen. Es gibt noch viele Dinge wo man weitaus mehr für den Frauenfußball machen kann, wir sind noch am Anfang, es gibt noch viel Luft nach oben.

Jawattdenn.de: Und dann ist das Länderspiel gegen Israel, welches unter der Woche um 16:05 Uhr angepfiffen wird…

Jaci: Dazu gibt es keine Worte. Es ist klar, dass der Männerfußball immer über dem Frauenfußball steht, allerdings ist es sehr fragwürdig, dass man als Frauennationalmannschaft unter dem DFB-Pokal-Spielen der Männer steht.

Jawattdenn.de: Eine kleine Frage in eigener Sache, wir begleiten die SGS jetzt auch schon seit über 10 Jahren. Unser erstes Spiel über welches wir berichteten war das DFB Pokalhalbfinale SGS – FCR Duisburg  aus dem Jahre 2007 Wird so eine Berichterstattung in der Mannschaft wahrgenommen?

Jaci: Leider gestehen, viel zu wenig. Man hört hier und da mal etwas, aber so wirklich leider nicht.

Jawattdenn.de: Jaqueline, danke für deine Zeit und die ausführlichen Antworten. Wir wünschen euch und dir noch viel Erfolg in der Saison und für die Zukunft.

Jaci: Sehr gerne und vielen Dank.


Das Interview führte Marcel Rotzoll